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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Töchter hierzu gewöhnt, als wenn sie sie andere
Dinge -- lehrt, die natürlich| das Gegentheil
von jenem zur Folge haben müssen. Häuslich-
keit war sonst eine Tugend der Weiber, die
den Mann und das ganze Haus glücklich mach-
te; man forderte nicht mehr von ihnen als
gesunden Menschenverstand, und ein reines
gutes Gefühl für Tugend und häusliches Glück
und diese auszubilden durch eine nüzliche Lektü-
re blieb immer noch Zeit genug von ihren Be-
schäftigungen übrig. Das gelehrt thun der
Weiber ist unausstehlich, und manche Familie
gehet dadurch und durch die Lesesucht zu Grun-
de. Wie viele junge Mädchen sind durch die
Lektüre ihrer Modebücher zu Gattinnen, die
einen Manniglücklich machen können, verord-
ben! und wie manche hat sich dadurch ihr ei-
genes Unglück zubereitet! Entwöhnung von
ernsthaften nüzlichen Beschäftigungen kann si-
cher nichts gutes hervorbringen in einer Lage,
wo man gerade diese Beschäftigung treiben
soll. Wehe dem Manne der ein solches Mäd-
chen zur Gattin nimmt! Ob nicht mancher jun-
ge Mann mit mir hier eben so denkt, und ob
nicht diese Gedanken auch Einfluß auf die bür-
gerlichen Verhältnisse haben? Sie meine Theuer-
ste, verstehe mich auf halbem Wege.

Jch

Toͤchter hierzu gewoͤhnt, als wenn ſie ſie andere
Dinge — lehrt, die natuͤrlich| das Gegentheil
von jenem zur Folge haben muͤſſen. Haͤuslich-
keit war ſonſt eine Tugend der Weiber, die
den Mann und das ganze Haus gluͤcklich mach-
te; man forderte nicht mehr von ihnen als
geſunden Menſchenverſtand, und ein reines
gutes Gefuͤhl fuͤr Tugend und haͤusliches Gluͤck
und dieſe auszubilden durch eine nuͤzliche Lektuͤ-
re blieb immer noch Zeit genug von ihren Be-
ſchaͤftigungen uͤbrig. Das gelehrt thun der
Weiber iſt unausſtehlich, und manche Familie
gehet dadurch und durch die Leſeſucht zu Grun-
de. Wie viele junge Maͤdchen ſind durch die
Lektuͤre ihrer Modebuͤcher zu Gattinnen, die
einen Mannigluͤcklich machen koͤnnen, verord-
ben! und wie manche hat ſich dadurch ihr ei-
genes Ungluͤck zubereitet! Entwoͤhnung von
ernſthaften nuͤzlichen Beſchaͤftigungen kann ſi-
cher nichts gutes hervorbringen in einer Lage,
wo man gerade dieſe Beſchaͤftigung treiben
ſoll. Wehe dem Manne der ein ſolches Maͤd-
chen zur Gattin nimmt! Ob nicht mancher jun-
ge Mann mit mir hier eben ſo denkt, und ob
nicht dieſe Gedanken auch Einfluß auf die buͤr-
gerlichen Verhaͤltniſſe haben? Sie meine Theuer-
ſte, verſtehe mich auf halbem Wege.

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[80/0080] Toͤchter hierzu gewoͤhnt, als wenn ſie ſie andere Dinge — lehrt, die natuͤrlich| das Gegentheil von jenem zur Folge haben muͤſſen. Haͤuslich- keit war ſonſt eine Tugend der Weiber, die den Mann und das ganze Haus gluͤcklich mach- te; man forderte nicht mehr von ihnen als geſunden Menſchenverſtand, und ein reines gutes Gefuͤhl fuͤr Tugend und haͤusliches Gluͤck und dieſe auszubilden durch eine nuͤzliche Lektuͤ- re blieb immer noch Zeit genug von ihren Be- ſchaͤftigungen uͤbrig. Das gelehrt thun der Weiber iſt unausſtehlich, und manche Familie gehet dadurch und durch die Leſeſucht zu Grun- de. Wie viele junge Maͤdchen ſind durch die Lektuͤre ihrer Modebuͤcher zu Gattinnen, die einen Mannigluͤcklich machen koͤnnen, verord- ben! und wie manche hat ſich dadurch ihr ei- genes Ungluͤck zubereitet! Entwoͤhnung von ernſthaften nuͤzlichen Beſchaͤftigungen kann ſi- cher nichts gutes hervorbringen in einer Lage, wo man gerade dieſe Beſchaͤftigung treiben ſoll. Wehe dem Manne der ein ſolches Maͤd- chen zur Gattin nimmt! Ob nicht mancher jun- ge Mann mit mir hier eben ſo denkt, und ob nicht dieſe Gedanken auch Einfluß auf die buͤr- gerlichen Verhaͤltniſſe haben? Sie meine Theuer- ſte, verſtehe mich auf halbem Wege. Jch

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/80>, abgerufen am 01.05.2024.