Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.Schade. Nicht nur die edelste Zeit geht verlo- Schade. Nicht nur die edelſte Zeit geht verlo- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="74"/> Schade. Nicht nur die edelſte Zeit geht verlo-<lb/> ren, ſondern mit ihr noch weit mehr, Tugend<lb/> und Unſchuld. Die Reue folgt oft zu ſpaͤt,<lb/> aber um deſto ſchrecklicher iſt ſie auch. Der<lb/> leere Kopf laͤßt ſich nicht mehr anfuͤllen, wenn<lb/> auch die Faͤhigkeit dahin iſt, und Unſchuld laͤßt<lb/> ſich um keinen Preis wieder erkaufen. Sie<lb/> fliehet alle Anſtrengung der Kraͤfte, alle Thaͤ-<lb/> tigkeit wird abgeſtumpft, weil ſie keine Nah-<lb/> rung ſindet, ſie ſinken in eine Lethargie des<lb/> Koͤrpers und des Geiſtes, werden unbrauchbar<lb/> fuͤr den Staat, fuͤr ihre Freunde und fuͤr alles<lb/> wozu eine gewiſſe Staͤrke des Koͤrpers und Groͤße<lb/> des Geiſtes erfordert wird. Wie mancher gute<lb/> Kopf iſt verloren, die ſchoͤnen Anlagen ver-<lb/> ſchroben, die Empfindungen verſtimmt, der<lb/> Werth des Juͤnglings iſt dahin, die herrliche<lb/> Blume welkt <hi rendition="#i">in verdorbenen Saͤften.</hi> — Das<lb/> Vaterland, Vater und Mutter trauren, und<lb/> die Nachbaren ſtoßen die unnuͤtze Laſt von ſich.<lb/> Zu nichts gewoͤhnt was ernſthaftes Nachdenken<lb/> erfordert gehet auch die Faͤhigkeit dazu verlo-<lb/> ren, man will nur Spiel haben und keine<lb/> Schwierigkeit uͤberſteigen. Der junge Menſch<lb/> wird andern zur Qual, ſich ſelbſt endlich zum<lb/> Ueberdruß, und dieſer leitet ihn von einer Thor-<lb/> heit zur andern. Was fuͤr ein Ungluͤck fuͤr<lb/> den Staat, der auf ſeine jungen Buͤrger<lb/> als Stuͤtzen rechnete, was fuͤr ein Jammer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0074]
Schade. Nicht nur die edelſte Zeit geht verlo-
ren, ſondern mit ihr noch weit mehr, Tugend
und Unſchuld. Die Reue folgt oft zu ſpaͤt,
aber um deſto ſchrecklicher iſt ſie auch. Der
leere Kopf laͤßt ſich nicht mehr anfuͤllen, wenn
auch die Faͤhigkeit dahin iſt, und Unſchuld laͤßt
ſich um keinen Preis wieder erkaufen. Sie
fliehet alle Anſtrengung der Kraͤfte, alle Thaͤ-
tigkeit wird abgeſtumpft, weil ſie keine Nah-
rung ſindet, ſie ſinken in eine Lethargie des
Koͤrpers und des Geiſtes, werden unbrauchbar
fuͤr den Staat, fuͤr ihre Freunde und fuͤr alles
wozu eine gewiſſe Staͤrke des Koͤrpers und Groͤße
des Geiſtes erfordert wird. Wie mancher gute
Kopf iſt verloren, die ſchoͤnen Anlagen ver-
ſchroben, die Empfindungen verſtimmt, der
Werth des Juͤnglings iſt dahin, die herrliche
Blume welkt in verdorbenen Saͤften. — Das
Vaterland, Vater und Mutter trauren, und
die Nachbaren ſtoßen die unnuͤtze Laſt von ſich.
Zu nichts gewoͤhnt was ernſthaftes Nachdenken
erfordert gehet auch die Faͤhigkeit dazu verlo-
ren, man will nur Spiel haben und keine
Schwierigkeit uͤberſteigen. Der junge Menſch
wird andern zur Qual, ſich ſelbſt endlich zum
Ueberdruß, und dieſer leitet ihn von einer Thor-
heit zur andern. Was fuͤr ein Ungluͤck fuͤr
den Staat, der auf ſeine jungen Buͤrger
als Stuͤtzen rechnete, was fuͤr ein Jammer
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