Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

ist also keines Tadels werth, wol aber der Miß-
brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann.
Es erweckt indeß eben kein günstiges Vorurtheil
für die Frauenzimmer, wenn sie sich alles in
Kalendern auftischen lassen, und diesen magern
Tisch mit einigen Schaugerichten besetzt, noch
obendrein theuer bezahlen. Der Geschmack ist
verschieden; der jedesmal herrschende wird Ge-
setz, und diesem fügt sich auch ein weiser Mann,
daher sich verdienstvolle Gelehrte darnach beque-
men und unter den Schaugerichten etwas nütz-
liches aussetzen. Wenn ich kurz meine Meinung
sagen soll: so ist dieser Theil der Modelektüre
nicht nur der unschädlichste sondern auch der nüz-
lichste, und kann bei immer zweckmäßigerer Ein-
richtung sehr nüzlich werden. Sollte der für das
neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage
schon längst projektirte neue Kalender mit einem
zu wünschenden Conklusum von Einführung ei-
nes allgemeinen deutschen Maaßes, Gewichts
und Münzen zu Stande kommen, und mit ei-
nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Bü-
chelchen ins Publikum treten: so kaufe ich mir
selbst alle Jahre zwei. Auch die Almanachs sind
ganz gut, besonders die historischen; es muß ja
nun einmal alles überzuckert werden, damit es
den Frauenzimmer schmecke. Ueberdem erschei-

iſt alſo keines Tadels werth, wol aber der Miß-
brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann.
Es erweckt indeß eben kein guͤnſtiges Vorurtheil
fuͤr die Frauenzimmer, wenn ſie ſich alles in
Kalendern auftiſchen laſſen, und dieſen magern
Tiſch mit einigen Schaugerichten beſetzt, noch
obendrein theuer bezahlen. Der Geſchmack iſt
verſchieden; der jedesmal herrſchende wird Ge-
ſetz, und dieſem fuͤgt ſich auch ein weiſer Mann,
daher ſich verdienſtvolle Gelehrte darnach beque-
men und unter den Schaugerichten etwas nuͤtz-
liches auſſetzen. Wenn ich kurz meine Meinung
ſagen ſoll: ſo iſt dieſer Theil der Modelektuͤre
nicht nur der unſchaͤdlichſte ſondern auch der nuͤz-
lichſte, und kann bei immer zweckmaͤßigerer Ein-
richtung ſehr nuͤzlich werden. Sollte der fuͤr das
neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage
ſchon laͤngſt projektirte neue Kalender mit einem
zu wuͤnſchenden Conkluſum von Einfuͤhrung ei-
nes allgemeinen deutſchen Maaßes, Gewichts
und Muͤnzen zu Stande kommen, und mit ei-
nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Buͤ-
chelchen ins Publikum treten: ſo kaufe ich mir
ſelbſt alle Jahre zwei. Auch die Almanachs ſind
ganz gut, beſonders die hiſtoriſchen; es muß ja
nun einmal alles uͤberzuckert werden, damit es
den Frauenzimmer ſchmecke. Ueberdem erſchei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="63"/>
i&#x017F;t al&#x017F;o keines Tadels werth, wol aber der Miß-<lb/>
brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann.<lb/>
Es erweckt indeß eben kein gu&#x0364;n&#x017F;tiges Vorurtheil<lb/>
fu&#x0364;r die Frauenzimmer, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich <hi rendition="#fr">alles</hi> in<lb/>
Kalendern aufti&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en, und die&#x017F;en <hi rendition="#fr">magern</hi><lb/>
Ti&#x017F;ch mit einigen Schaugerichten be&#x017F;etzt, noch<lb/>
obendrein <hi rendition="#fr">theuer</hi> bezahlen. Der Ge&#x017F;chmack i&#x017F;t<lb/>
ver&#x017F;chieden; der jedesmal herr&#x017F;chende wird Ge-<lb/>
&#x017F;etz, und die&#x017F;em fu&#x0364;gt &#x017F;ich auch ein wei&#x017F;er Mann,<lb/>
daher &#x017F;ich verdien&#x017F;tvolle Gelehrte darnach beque-<lb/>
men und unter den Schaugerichten etwas nu&#x0364;tz-<lb/>
liches au&#x017F;&#x017F;etzen. Wenn ich kurz meine Meinung<lb/>
&#x017F;agen &#x017F;oll: &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;er Theil der Modelektu&#x0364;re<lb/>
nicht nur der un&#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;te &#x017F;ondern auch der nu&#x0364;z-<lb/>
lich&#x017F;te, und kann bei immer zweckma&#x0364;ßigerer Ein-<lb/>
richtung &#x017F;ehr nu&#x0364;zlich werden. Sollte der fu&#x0364;r das<lb/>
neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage<lb/>
&#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t projektirte neue Kalender mit einem<lb/>
zu wu&#x0364;n&#x017F;chenden Conklu&#x017F;um von Einfu&#x0364;hrung ei-<lb/>
nes allgemeinen deut&#x017F;chen Maaßes, Gewichts<lb/>
und Mu&#x0364;nzen zu Stande kommen, und mit ei-<lb/>
nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Bu&#x0364;-<lb/>
chelchen ins Publikum treten: &#x017F;o kaufe ich mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t alle Jahre zwei. Auch die Almanachs &#x017F;ind<lb/>
ganz gut, be&#x017F;onders die hi&#x017F;tori&#x017F;chen; es muß ja<lb/>
nun einmal alles u&#x0364;berzuckert werden, damit es<lb/>
den Frauenzimmer &#x017F;chmecke. Ueberdem er&#x017F;chei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0063] iſt alſo keines Tadels werth, wol aber der Miß- brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann. Es erweckt indeß eben kein guͤnſtiges Vorurtheil fuͤr die Frauenzimmer, wenn ſie ſich alles in Kalendern auftiſchen laſſen, und dieſen magern Tiſch mit einigen Schaugerichten beſetzt, noch obendrein theuer bezahlen. Der Geſchmack iſt verſchieden; der jedesmal herrſchende wird Ge- ſetz, und dieſem fuͤgt ſich auch ein weiſer Mann, daher ſich verdienſtvolle Gelehrte darnach beque- men und unter den Schaugerichten etwas nuͤtz- liches auſſetzen. Wenn ich kurz meine Meinung ſagen ſoll: ſo iſt dieſer Theil der Modelektuͤre nicht nur der unſchaͤdlichſte ſondern auch der nuͤz- lichſte, und kann bei immer zweckmaͤßigerer Ein- richtung ſehr nuͤzlich werden. Sollte der fuͤr das neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage ſchon laͤngſt projektirte neue Kalender mit einem zu wuͤnſchenden Conkluſum von Einfuͤhrung ei- nes allgemeinen deutſchen Maaßes, Gewichts und Muͤnzen zu Stande kommen, und mit ei- nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Buͤ- chelchen ins Publikum treten: ſo kaufe ich mir ſelbſt alle Jahre zwei. Auch die Almanachs ſind ganz gut, beſonders die hiſtoriſchen; es muß ja nun einmal alles uͤberzuckert werden, damit es den Frauenzimmer ſchmecke. Ueberdem erſchei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/63
Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/63>, abgerufen am 01.05.2024.