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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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man sie mit dem Gaßner und Mesmer anfängt.
Die Absicht dieser Geschichte mag seyn, welche
sie will: so scheint sie doch nicht rein zu seyn.
Das Publikum wurde durch Wundergeschichten,
Teufelsbannereien, Geisterseher und Geisterge-
schichten belustiget, und vergaß sich selbst. Ein
Theil staunte ob der neuen Mähr ein anderer
war schon lüstern nach dem Gebrauch der neuen
Kunst zu einem reellern Zweck, ein dritter lach-
te über die Thorheit der Menschen, und ein
vierter schrie -- Wunder, et fama crescit
cundo, caput inter nubila condit.

Ein frommer Seher drückte durch seine
Autorität, die er durch einen Erschleichungs-
fehler über viele Gemüther erhalten hatte,
dem Wunderglauben das Siegel auf. Er selbst
glaubte das, was so gar der untrügliche
Stuhl in Rom für Possen und Aberglauben er-
klärte. Was doch der Mensch nicht alle glau-
ben kann, wenn er will! -- Kinder und Wei-
ber geben am ersten solchen Gaukeleien, wenn sie
nur etwas Wunderbares haben, Beifall, Män-
ner aus Jnteresse und politischen Absichten. --

Man trieb die Teufel depulsive und ex-
pulsive
aus, klaßifieirte die unglücklichen Eigen-
behörigen dieser Unholde -- nach der heiligen

man ſie mit dem Gaßner und Mesmer anfaͤngt.
Die Abſicht dieſer Geſchichte mag ſeyn, welche
ſie will: ſo ſcheint ſie doch nicht rein zu ſeyn.
Das Publikum wurde durch Wundergeſchichten,
Teufelsbannereien, Geiſterſeher und Geiſterge-
ſchichten beluſtiget, und vergaß ſich ſelbſt. Ein
Theil ſtaunte ob der neuen Maͤhr ein anderer
war ſchon luͤſtern nach dem Gebrauch der neuen
Kunſt zu einem reellern Zweck, ein dritter lach-
te uͤber die Thorheit der Menſchen, und ein
vierter ſchrie — Wunder, et fama creſcit
cundo, caput inter nubila condit.

Ein frommer Seher druͤckte durch ſeine
Autoritaͤt, die er durch einen Erſchleichungs-
fehler uͤber viele Gemuͤther erhalten hatte,
dem Wunderglauben das Siegel auf. Er ſelbſt
glaubte das, was ſo gar der untruͤgliche
Stuhl in Rom fuͤr Poſſen und Aberglauben er-
klaͤrte. Was doch der Menſch nicht alle glau-
ben kann, wenn er will! — Kinder und Wei-
ber geben am erſten ſolchen Gaukeleien, wenn ſie
nur etwas Wunderbares haben, Beifall, Maͤn-
ner aus Jntereſſe und politiſchen Abſichten. —

Man trieb die Teufel depulſive und ex-
pulſive
aus, klaßifieirte die ungluͤcklichen Eigen-
behoͤrigen dieſer Unholde — nach der heiligen

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[18/0018] man ſie mit dem Gaßner und Mesmer anfaͤngt. Die Abſicht dieſer Geſchichte mag ſeyn, welche ſie will: ſo ſcheint ſie doch nicht rein zu ſeyn. Das Publikum wurde durch Wundergeſchichten, Teufelsbannereien, Geiſterſeher und Geiſterge- ſchichten beluſtiget, und vergaß ſich ſelbſt. Ein Theil ſtaunte ob der neuen Maͤhr ein anderer war ſchon luͤſtern nach dem Gebrauch der neuen Kunſt zu einem reellern Zweck, ein dritter lach- te uͤber die Thorheit der Menſchen, und ein vierter ſchrie — Wunder, et fama creſcit cundo, caput inter nubila condit. Ein frommer Seher druͤckte durch ſeine Autoritaͤt, die er durch einen Erſchleichungs- fehler uͤber viele Gemuͤther erhalten hatte, dem Wunderglauben das Siegel auf. Er ſelbſt glaubte das, was ſo gar der untruͤgliche Stuhl in Rom fuͤr Poſſen und Aberglauben er- klaͤrte. Was doch der Menſch nicht alle glau- ben kann, wenn er will! — Kinder und Wei- ber geben am erſten ſolchen Gaukeleien, wenn ſie nur etwas Wunderbares haben, Beifall, Maͤn- ner aus Jntereſſe und politiſchen Abſichten. — Man trieb die Teufel depulſive und ex- pulſive aus, klaßifieirte die ungluͤcklichen Eigen- behoͤrigen dieſer Unholde — nach der heiligen

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/18>, abgerufen am 25.11.2024.