Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc. zwischen den gedrängten Gebirgen lagerten sich starke Massen von Schatten; dannfolgten wieder Ueberströmungen von Licht und Glanz, und wir jagten auf blinkenden Wellen dahin. Wir gelangten zu dem Wirbel bey St. Goar. Als wir über ihn hunveg- Doch währen diese Scenen nicht lange. Fast jede Viertelstunde erscheint eine Bey Boppart sieht man auf einmal drey verschiedene Nönnenklöster, die ein- Gegen Abend überschleyerte ein sanfter Nebel die Gegenden. Die Verge schwebten U u 2
Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. zwiſchen den gedraͤngten Gebirgen lagerten ſich ſtarke Maſſen von Schatten; dannfolgten wieder Ueberſtroͤmungen von Licht und Glanz, und wir jagten auf blinkenden Wellen dahin. Wir gelangten zu dem Wirbel bey St. Goar. Als wir uͤber ihn hunveg- Doch waͤhren dieſe Scenen nicht lange. Faſt jede Viertelſtunde erſcheint eine Bey Boppart ſieht man auf einmal drey verſchiedene Noͤnnenkloͤſter, die ein- Gegen Abend uͤberſchleyerte ein ſanfter Nebel die Gegenden. Die Verge ſchwebten U u 2
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Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
zwiſchen den gedraͤngten Gebirgen lagerten ſich ſtarke Maſſen von Schatten; dann
folgten wieder Ueberſtroͤmungen von Licht und Glanz, und wir jagten auf blinkenden
Wellen dahin.
Wir gelangten zu dem Wirbel bey St. Goar. Als wir uͤber ihn hunveg-
geflogen waren, ſprudelte und tobete der Strom, als wenn ihm ein wichtiger Raub
entgangen waͤre. In dieſer Gegend iſt er ſchnell und reißend; ſein Beet ſchmal.
Zuweilen erſcheinen ganz oͤde, von Wein und Geſtraͤuch entbloͤßte, nackte, rauhe und
abgebrochene Felsberge, die keine Spur der Bewohnung zeigen; dann wieder dunkle
hangende Waͤlder; verlaſſene Hoͤhen, wo zerbroͤckelte Reſte von Bergſchloͤſſern trauern;
ausgehoͤhlte Striche, welche den Abſturz wilder Regenguͤſſe bezeichnen. Hier thuͤr-
men ſich Berge auf Berge, Felſen auf Felſen empor. Dieß ſind, mit dem Getoͤſe
des Stroms und dem Geheul der durchziehenden Winde verbunden, die feyerlichen
Gegenden, die Ehrfurcht und eine Art von Erſtaunen einfloͤßen, da die vorhergehen-
den bloß Anſtarren und Verwunderung erregten.
Doch waͤhren dieſe Scenen nicht lange. Faſt jede Viertelſtunde erſcheint eine
Gegend von einem andern Charakter, oder doch von einer andern Verbindung ver-
ſchiedener Charaktere. Oft tritt in einigen Minuten der Fahrt ein Dorſ, ein Klo-
ſter, ein Thurm, eine Ruine hervor; ſie winken ſich von einem Ufer zum andern
hinuͤber freundſchaftlich zu, und nicht ſelten erſcheinen an einer kurzen Kruͤmmung des
Stroms drey bis vier bewohnte lebhafte Oerter. Hier in dieſen engen Kluͤften con-
traſtiet beſonders das lebhafte Anſehen der weißen Haͤuſer gegen die Dunkelheit der
zuſammengedraͤngten Gebirge.
Bey Boppart ſieht man auf einmal drey verſchiedene Noͤnnenkloͤſter, die ein-
ander gegenuͤber liegen; in eben dieſem Bezirk und in eben der Ueberſicht erſcheinen
Kloͤſter von Kapucinern, Franciskanern, Carmelitern. Kleine Kapellen
zeigen ſich bald hie, bald da. Die Gebirge, die ſich dreyſach uͤber einander auf-
thuͤrmen, werfen einen ernſten und feyerlichen Schatten uͤber diefe ſtillen Wohnun-
gen der Abgezogenheit von der Welt. Vielleicht laͤßt ſich keine Gegend vom melan-
choliſchen Charakter ſtaͤrker malen.
Gegen Abend uͤberſchleyerte ein ſanfter Nebel die Gegenden. Die Verge
ſchienen in der Daͤmmerung ſich mit der ruhigen Flut des Rheins zu vereinigen;
ihre Trennungslinien verſchwanden immer mehr in der Entfernung, und alles zerfloß
allmaͤhlich in eine ſanft uͤbereinſtimmende Verbindung. Nur die nahen Ufer und
Berge blieben noch unverhuͤllt; und die magiſche Taͤuſchung der Ferne verlor ſich,
indem wir uns ihr naͤherten, in Erheiterung und ruhende Wiederſcheine, die gleich-
ſam aus dem Waſſer emporſtiegen. Von der ſuͤßen Stille des Abends eingewiegt,
ſchwebten
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