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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Fünfter Abschnitt. Gärten oder Scenen
Abendsonne vergoldet, verträgt sich ungemein mit dem Auftritt, indem er ihn et-
was belebt, ohne die Ruhe zu unterbrechen, die zu seinem Charakter gehört. Aus
diesem Grunde ist uns des Abends die, süße Schwermuth erregende, Musik der Wald-
hörner so angenehm, wenn wir sie aus der Ferne schwächer herübertönen hören.

Die ganze Einrichtung des Abendgartens ahme den Charakter des Sanften
und Ruhigen nach, womit die Natur diesen Theil des Tages bezeichnet. Daher schi-
cken sich sehr wohl für ihn, wie schon ein großer Kenner bemerkt hat, *) dunkelfarbigte
Gebäude; obgleich die, welche einen lebhaften Anstrich haben, durch eine besondere
Wirkung der untergehenden Sonne nicht selten angenehm ins Auge fallen. Man
kann sich selbst der hellern Farbe oft bedienen, um die Einförmigkeit der Dämmerung
zu unterbrechen. Zwar kann kein Kontrast des Lichts und des Schattens mehr erzeugt
werden. Allein, wenn die Pflanzungen, die durch ihre Dichtheit am ersten anfangen,
die Dämmerung aufzunehmen, zugleich vom dunkelsten Grün sind, wenn die nach der
Abendseite stehenden Gebäude eine lichtere Farbe haben, und wenn die Flur und das
Wasser dieser Absicht gemäß eingerichtet werden: so läßt sich, wenn schon lange die
größern Wirkungen verschwunden sind, noch eine abwechselnde Schattirung gewinnen.

Einzelne, hohe und schattenreiche Waldbäume, worunter bequeme Sitze angelegt
sind, erfreuen, wo die Natur sie schenket, den Freund des Abendgartens. Sie bieten
überaus anmuthige Ruheplätze an, indem ihre Gipfel sich in der Abendröthe schöner
heben, und außerdem über den benachbarten Bezirk verlängerte Schatten ausbreiten.
Tiefe Dickigte verbieten den sanften Wirkungen der untergehenden Sonne den Ein-
gang. Allein zerstreute Gruppen und luftige Hayne nehmen gern zu ihrer Verschöne-
rung die lieblichen Gemälde des Abendlichts auf. Kleine Gebüsche, die in ihre Schat-
ten die Nachtigall locken, um hier ihre zärtlichen Melodien durch die Abendstille freyer
dahin fließen zu lassen, vermehren nicht wenig die Wollust dieser Scene.

Zu den Pflanzungen im Abendgarten sind überhaupt solche blühende Sträucher
und Blumen zu wählen, die vornehmlich des Abends ihre Wohlgerüche reicher zu
verspenden pflegen, als

die Syringen,
das Geißblatt mit seinen verschiedenen Arten,
die Coronilla (Coronilla glauca, L.)
die
*) Whately in Observations on modern Gardening.

Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
Abendſonne vergoldet, vertraͤgt ſich ungemein mit dem Auftritt, indem er ihn et-
was belebt, ohne die Ruhe zu unterbrechen, die zu ſeinem Charakter gehoͤrt. Aus
dieſem Grunde iſt uns des Abends die, ſuͤße Schwermuth erregende, Muſik der Wald-
hoͤrner ſo angenehm, wenn wir ſie aus der Ferne ſchwaͤcher heruͤbertoͤnen hoͤren.

Die ganze Einrichtung des Abendgartens ahme den Charakter des Sanften
und Ruhigen nach, womit die Natur dieſen Theil des Tages bezeichnet. Daher ſchi-
cken ſich ſehr wohl fuͤr ihn, wie ſchon ein großer Kenner bemerkt hat, *) dunkelfarbigte
Gebaͤude; obgleich die, welche einen lebhaften Anſtrich haben, durch eine beſondere
Wirkung der untergehenden Sonne nicht ſelten angenehm ins Auge fallen. Man
kann ſich ſelbſt der hellern Farbe oft bedienen, um die Einfoͤrmigkeit der Daͤmmerung
zu unterbrechen. Zwar kann kein Kontraſt des Lichts und des Schattens mehr erzeugt
werden. Allein, wenn die Pflanzungen, die durch ihre Dichtheit am erſten anfangen,
die Daͤmmerung aufzunehmen, zugleich vom dunkelſten Gruͤn ſind, wenn die nach der
Abendſeite ſtehenden Gebaͤude eine lichtere Farbe haben, und wenn die Flur und das
Waſſer dieſer Abſicht gemaͤß eingerichtet werden: ſo laͤßt ſich, wenn ſchon lange die
groͤßern Wirkungen verſchwunden ſind, noch eine abwechſelnde Schattirung gewinnen.

Einzelne, hohe und ſchattenreiche Waldbaͤume, worunter bequeme Sitze angelegt
ſind, erfreuen, wo die Natur ſie ſchenket, den Freund des Abendgartens. Sie bieten
uͤberaus anmuthige Ruheplaͤtze an, indem ihre Gipfel ſich in der Abendroͤthe ſchoͤner
heben, und außerdem uͤber den benachbarten Bezirk verlaͤngerte Schatten ausbreiten.
Tiefe Dickigte verbieten den ſanften Wirkungen der untergehenden Sonne den Ein-
gang. Allein zerſtreute Gruppen und luftige Hayne nehmen gern zu ihrer Verſchoͤne-
rung die lieblichen Gemaͤlde des Abendlichts auf. Kleine Gebuͤſche, die in ihre Schat-
ten die Nachtigall locken, um hier ihre zaͤrtlichen Melodien durch die Abendſtille freyer
dahin fließen zu laſſen, vermehren nicht wenig die Wolluſt dieſer Scene.

Zu den Pflanzungen im Abendgarten ſind uͤberhaupt ſolche bluͤhende Straͤucher
und Blumen zu waͤhlen, die vornehmlich des Abends ihre Wohlgeruͤche reicher zu
verſpenden pflegen, als

die Syringen,
das Geißblatt mit ſeinen verſchiedenen Arten,
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*) Whately in Obſervations on modern Gardening.
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[18/0026] Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen Abendſonne vergoldet, vertraͤgt ſich ungemein mit dem Auftritt, indem er ihn et- was belebt, ohne die Ruhe zu unterbrechen, die zu ſeinem Charakter gehoͤrt. Aus dieſem Grunde iſt uns des Abends die, ſuͤße Schwermuth erregende, Muſik der Wald- hoͤrner ſo angenehm, wenn wir ſie aus der Ferne ſchwaͤcher heruͤbertoͤnen hoͤren. Die ganze Einrichtung des Abendgartens ahme den Charakter des Sanften und Ruhigen nach, womit die Natur dieſen Theil des Tages bezeichnet. Daher ſchi- cken ſich ſehr wohl fuͤr ihn, wie ſchon ein großer Kenner bemerkt hat, *) dunkelfarbigte Gebaͤude; obgleich die, welche einen lebhaften Anſtrich haben, durch eine beſondere Wirkung der untergehenden Sonne nicht ſelten angenehm ins Auge fallen. Man kann ſich ſelbſt der hellern Farbe oft bedienen, um die Einfoͤrmigkeit der Daͤmmerung zu unterbrechen. Zwar kann kein Kontraſt des Lichts und des Schattens mehr erzeugt werden. Allein, wenn die Pflanzungen, die durch ihre Dichtheit am erſten anfangen, die Daͤmmerung aufzunehmen, zugleich vom dunkelſten Gruͤn ſind, wenn die nach der Abendſeite ſtehenden Gebaͤude eine lichtere Farbe haben, und wenn die Flur und das Waſſer dieſer Abſicht gemaͤß eingerichtet werden: ſo laͤßt ſich, wenn ſchon lange die groͤßern Wirkungen verſchwunden ſind, noch eine abwechſelnde Schattirung gewinnen. Einzelne, hohe und ſchattenreiche Waldbaͤume, worunter bequeme Sitze angelegt ſind, erfreuen, wo die Natur ſie ſchenket, den Freund des Abendgartens. Sie bieten uͤberaus anmuthige Ruheplaͤtze an, indem ihre Gipfel ſich in der Abendroͤthe ſchoͤner heben, und außerdem uͤber den benachbarten Bezirk verlaͤngerte Schatten ausbreiten. Tiefe Dickigte verbieten den ſanften Wirkungen der untergehenden Sonne den Ein- gang. Allein zerſtreute Gruppen und luftige Hayne nehmen gern zu ihrer Verſchoͤne- rung die lieblichen Gemaͤlde des Abendlichts auf. Kleine Gebuͤſche, die in ihre Schat- ten die Nachtigall locken, um hier ihre zaͤrtlichen Melodien durch die Abendſtille freyer dahin fließen zu laſſen, vermehren nicht wenig die Wolluſt dieſer Scene. Zu den Pflanzungen im Abendgarten ſind uͤberhaupt ſolche bluͤhende Straͤucher und Blumen zu waͤhlen, die vornehmlich des Abends ihre Wohlgeruͤche reicher zu verſpenden pflegen, als die Syringen, das Geißblatt mit ſeinen verſchiedenen Arten, die Coronilla (Coronilla glauca, L.) die *) Whately in Obſervations on modern Gardening.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/26>, abgerufen am 18.12.2024.