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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.
Lande leben, sondern auch noch den umliegenden Städten davon mittheilen. Die
Einrichtung der Lage dieser Dörfer scheint fast zu einer Erquickung für das Auge
gemacht zu seyn. Der ganze Boden ist dem Ansehen nach voll tiefer Furchen von
den Bächen und Wassern, die von der Höhe des Berges herabkommen, und von
dem, das sich durch den Regen sammelt. Die Bäume scheinen sich in die Vertie-
sungen geflüchtet zu haben, die Häuser hingegen liegen an den höchsten Oertern.
Jedes dieser Häuser hat seinen kleinen Garten neben sich, und zuweilen seinen
Baumgarten, der mit Pfählen eingeschlossen ist. Die Dörfer sind an die Oerter
hin gebauet, wo das meiste Wasser ist, und auch stehen da die größten Bäume;
zwischen diesen Bäumen erblickt man die Strohdächer oder zuweilen blos die Kirch-
thürme. In der Entfernung, wo wir waren, konnte das Auge alles zusammen
auf einmal fassen; und die Oberfläche des Sees, der eben war, wie ein Spiegel,
warf dieses Gemälde so deutlich und klar zurück, daß man in Versuchung gewesen
seyn würde zu zweifeln, daß das eine nur ein Wiederschein sey, wenn es nicht
Stück vor Stück das andere enthalten hätte, und dann dabey auf dem Kopfe
stand. Bald kamen wir in ein Thal hinab, und erfreuten uns an der Schönheit
der Obstgärten, an dem vorzüglichen Ansehen der Erdfrüchte, an der Nettigkeit
der Häuser, und vornehmlich an der glücklichen Sicherheit der Einwohner, die gar
keine Gefahr dabey fürchten, einen großen Theil ihrer Erndten unter dem Schutz
bloßer Dächer um ihre Wohnungen her zu bewahren. -- Je näher man gegen
Zürch kommt, bemerkt Sulzer*), desto lebhafter wird die Straße. Auf der
letzten Stunde des Weges ist sie zu beyden Seiten fast durchaus mit Häusern be-
setzt, deren schöne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr,
als Wohnungen des Landmanns, anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlstand,
sondern Reichthum an vielen dieser Häuser. Eben so sind auch die Dörfer, die
längst an beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte habe ich Landvolk ange-
troffen, dem man den Wohlstand und sogar den Ueberfluß deutlicher angesehen
hätte, als diesem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zürch herum,
wenigstens auf eine Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu einer der
herrlichsten, die man sich in der Einbildungskraft vorstellen kann. -- Das ganze
Land von Appenzell, erzählt Coxe**), ist, die nackten Felsen ausgenommen,
in der That ein einziges zusammenhängendes Dorf, ein schöner Hof dicht an
dem andern; und dieß stellt den allerliebsten Anblick dar, den man sich nur er-
sinnen kann. Jeder Hof hat sein kleines Gebiete, das gemeiniglich aus einem

oder
*) Tagebuch seiner Reise nach den mittäglichen Ländern von Europa S. 390.
**) Briefe über die Schweiz. Aus dem Engl. S. 28 u. f.
X 2

einzelner Theile eines Landſitzes.
Lande leben, ſondern auch noch den umliegenden Staͤdten davon mittheilen. Die
Einrichtung der Lage dieſer Doͤrfer ſcheint faſt zu einer Erquickung fuͤr das Auge
gemacht zu ſeyn. Der ganze Boden iſt dem Anſehen nach voll tiefer Furchen von
den Baͤchen und Waſſern, die von der Hoͤhe des Berges herabkommen, und von
dem, das ſich durch den Regen ſammelt. Die Baͤume ſcheinen ſich in die Vertie-
ſungen gefluͤchtet zu haben, die Haͤuſer hingegen liegen an den hoͤchſten Oertern.
Jedes dieſer Haͤuſer hat ſeinen kleinen Garten neben ſich, und zuweilen ſeinen
Baumgarten, der mit Pfaͤhlen eingeſchloſſen iſt. Die Doͤrfer ſind an die Oerter
hin gebauet, wo das meiſte Waſſer iſt, und auch ſtehen da die groͤßten Baͤume;
zwiſchen dieſen Baͤumen erblickt man die Strohdaͤcher oder zuweilen blos die Kirch-
thuͤrme. In der Entfernung, wo wir waren, konnte das Auge alles zuſammen
auf einmal faſſen; und die Oberflaͤche des Sees, der eben war, wie ein Spiegel,
warf dieſes Gemaͤlde ſo deutlich und klar zuruͤck, daß man in Verſuchung geweſen
ſeyn wuͤrde zu zweifeln, daß das eine nur ein Wiederſchein ſey, wenn es nicht
Stuͤck vor Stuͤck das andere enthalten haͤtte, und dann dabey auf dem Kopfe
ſtand. Bald kamen wir in ein Thal hinab, und erfreuten uns an der Schoͤnheit
der Obſtgaͤrten, an dem vorzuͤglichen Anſehen der Erdfruͤchte, an der Nettigkeit
der Haͤuſer, und vornehmlich an der gluͤcklichen Sicherheit der Einwohner, die gar
keine Gefahr dabey fuͤrchten, einen großen Theil ihrer Erndten unter dem Schutz
bloßer Daͤcher um ihre Wohnungen her zu bewahren. — Je naͤher man gegen
Zuͤrch kommt, bemerkt Sulzer*), deſto lebhafter wird die Straße. Auf der
letzten Stunde des Weges iſt ſie zu beyden Seiten faſt durchaus mit Haͤuſern be-
ſetzt, deren ſchoͤne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr,
als Wohnungen des Landmanns, anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlſtand,
ſondern Reichthum an vielen dieſer Haͤuſer. Eben ſo ſind auch die Doͤrfer, die
laͤngſt an beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte habe ich Landvolk ange-
troffen, dem man den Wohlſtand und ſogar den Ueberfluß deutlicher angeſehen
haͤtte, als dieſem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zuͤrch herum,
wenigſtens auf eine Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu einer der
herrlichſten, die man ſich in der Einbildungskraft vorſtellen kann. — Das ganze
Land von Appenzell, erzaͤhlt Coxe**), iſt, die nackten Felſen ausgenommen,
in der That ein einziges zuſammenhaͤngendes Dorf, ein ſchoͤner Hof dicht an
dem andern; und dieß ſtellt den allerliebſten Anblick dar, den man ſich nur er-
ſinnen kann. Jeder Hof hat ſein kleines Gebiete, das gemeiniglich aus einem

oder
*) Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa S. 390.
**) Briefe uͤber die Schweiz. Aus dem Engl. S. 28 u. f.
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[163/0171] einzelner Theile eines Landſitzes. Lande leben, ſondern auch noch den umliegenden Staͤdten davon mittheilen. Die Einrichtung der Lage dieſer Doͤrfer ſcheint faſt zu einer Erquickung fuͤr das Auge gemacht zu ſeyn. Der ganze Boden iſt dem Anſehen nach voll tiefer Furchen von den Baͤchen und Waſſern, die von der Hoͤhe des Berges herabkommen, und von dem, das ſich durch den Regen ſammelt. Die Baͤume ſcheinen ſich in die Vertie- ſungen gefluͤchtet zu haben, die Haͤuſer hingegen liegen an den hoͤchſten Oertern. Jedes dieſer Haͤuſer hat ſeinen kleinen Garten neben ſich, und zuweilen ſeinen Baumgarten, der mit Pfaͤhlen eingeſchloſſen iſt. Die Doͤrfer ſind an die Oerter hin gebauet, wo das meiſte Waſſer iſt, und auch ſtehen da die groͤßten Baͤume; zwiſchen dieſen Baͤumen erblickt man die Strohdaͤcher oder zuweilen blos die Kirch- thuͤrme. In der Entfernung, wo wir waren, konnte das Auge alles zuſammen auf einmal faſſen; und die Oberflaͤche des Sees, der eben war, wie ein Spiegel, warf dieſes Gemaͤlde ſo deutlich und klar zuruͤck, daß man in Verſuchung geweſen ſeyn wuͤrde zu zweifeln, daß das eine nur ein Wiederſchein ſey, wenn es nicht Stuͤck vor Stuͤck das andere enthalten haͤtte, und dann dabey auf dem Kopfe ſtand. Bald kamen wir in ein Thal hinab, und erfreuten uns an der Schoͤnheit der Obſtgaͤrten, an dem vorzuͤglichen Anſehen der Erdfruͤchte, an der Nettigkeit der Haͤuſer, und vornehmlich an der gluͤcklichen Sicherheit der Einwohner, die gar keine Gefahr dabey fuͤrchten, einen großen Theil ihrer Erndten unter dem Schutz bloßer Daͤcher um ihre Wohnungen her zu bewahren. — Je naͤher man gegen Zuͤrch kommt, bemerkt Sulzer *), deſto lebhafter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des Weges iſt ſie zu beyden Seiten faſt durchaus mit Haͤuſern be- ſetzt, deren ſchoͤne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr, als Wohnungen des Landmanns, anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlſtand, ſondern Reichthum an vielen dieſer Haͤuſer. Eben ſo ſind auch die Doͤrfer, die laͤngſt an beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte habe ich Landvolk ange- troffen, dem man den Wohlſtand und ſogar den Ueberfluß deutlicher angeſehen haͤtte, als dieſem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zuͤrch herum, wenigſtens auf eine Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu einer der herrlichſten, die man ſich in der Einbildungskraft vorſtellen kann. — Das ganze Land von Appenzell, erzaͤhlt Coxe **), iſt, die nackten Felſen ausgenommen, in der That ein einziges zuſammenhaͤngendes Dorf, ein ſchoͤner Hof dicht an dem andern; und dieß ſtellt den allerliebſten Anblick dar, den man ſich nur er- ſinnen kann. Jeder Hof hat ſein kleines Gebiete, das gemeiniglich aus einem oder *) Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa S. 390. **) Briefe uͤber die Schweiz. Aus dem Engl. S. 28 u. f. X 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/171>, abgerufen am 25.11.2024.