mit einem frohen Nachgenuß in den Gemälden der Dichter und der Landschafter wie- der erblickt.
Ein Weinberg kann als eine besondre Gattung von Gärten angesehen werden; und in manchen Landschaften sieht man keine andre, als diese. Seine Lage auf son- nigten Anhöhen oder an hügeligten Abhängen giebt ihm einen Charakter von Heiter- keit, der sich schon bey der Annäherung ankündigt. Man genießt hier eine freye Aussicht, und athmet voll Ruhe in einer reinern Luft. Wird das Auge durch den Anblick eines Sees, der in der Niedrigung dahin wallet, oder eines vorüberfließen- den Flusses, oder eines Gemisches von Wiesen und Landhütten, die unter ihm in der Tiefe ruhen, ergötzt; so hat die Lage einen so frischen und doch so sanften Reiz, der dieser Gattung überaus angemessen ist. Der Charakter eines Weinbergs ist Ein- sachheit. Er verträgt keine fremden Pflanzungen. Allein die Weinstöcke ergötzen nicht nur durch das Liebliche der Ueberschattung und durch die Erwartung der edlen Früchte; sie lassen sich auch zu kühlen Bogengängen bilden, in welchen die reifenden Trauben aus dem dichten Laubdach anlockend sich hervordrängen und herabhangen; an den Seiten können andre Spazierwege bald frey, bald leicht überschattet, dahin laufen, oder kleine Reblauben sich wölben. Das Vergnügen des Spazierganges kann sich hier mit der Ruhe und der sanften Anmuth der Aussichten vereinigen. Auf der Höhe kann ein Tempel, dem wohlthätigen Gott des Weins gewidmet, und mit den Sinnbildern seiner Freuden bezeichnet, oder mit den tanzenden Figuren der Satyren umgeben, leicht und fröhlich erbaut, zwischen den geselligen Umarmun- gen von Epheu und Reben emporsteigen; und unten am Eingange des Weinberges mag eine Hütte, die Wohnung des Winzers, nachläßig ruhen. Der Tempel kann inwendig zur Bewohnung für einige Personen eingerichtet werden, oder die nöthigen Bequemlichkeiten für einen kurzen Aufenthalt des Besitzers enthalten. Ruhe und liebliche Einfalt herrsche durch den ganzen Bezirk. Seine schönern Tage schenkt dem Weinberg der Herbst, in dessen Scenen er selbst ein überaus interessanter Theil seyn kann, indem das mildere Sonnenlicht zwischen den dünnern, falben, sich ma- lerisch ändernden Blättern die blauen und gelben Trauben höher färbt, und mit jedem entwölkten Mittag der Lüsternheit reizender entgegen schwellen läßt.
VI. Dör-
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
mit einem frohen Nachgenuß in den Gemaͤlden der Dichter und der Landſchafter wie- der erblickt.
Ein Weinberg kann als eine beſondre Gattung von Gaͤrten angeſehen werden; und in manchen Landſchaften ſieht man keine andre, als dieſe. Seine Lage auf ſon- nigten Anhoͤhen oder an huͤgeligten Abhaͤngen giebt ihm einen Charakter von Heiter- keit, der ſich ſchon bey der Annaͤherung ankuͤndigt. Man genießt hier eine freye Ausſicht, und athmet voll Ruhe in einer reinern Luft. Wird das Auge durch den Anblick eines Sees, der in der Niedrigung dahin wallet, oder eines voruͤberfließen- den Fluſſes, oder eines Gemiſches von Wieſen und Landhuͤtten, die unter ihm in der Tiefe ruhen, ergoͤtzt; ſo hat die Lage einen ſo friſchen und doch ſo ſanften Reiz, der dieſer Gattung uͤberaus angemeſſen iſt. Der Charakter eines Weinbergs iſt Ein- ſachheit. Er vertraͤgt keine fremden Pflanzungen. Allein die Weinſtoͤcke ergoͤtzen nicht nur durch das Liebliche der Ueberſchattung und durch die Erwartung der edlen Fruͤchte; ſie laſſen ſich auch zu kuͤhlen Bogengaͤngen bilden, in welchen die reifenden Trauben aus dem dichten Laubdach anlockend ſich hervordraͤngen und herabhangen; an den Seiten koͤnnen andre Spazierwege bald frey, bald leicht uͤberſchattet, dahin laufen, oder kleine Reblauben ſich woͤlben. Das Vergnuͤgen des Spazierganges kann ſich hier mit der Ruhe und der ſanften Anmuth der Ausſichten vereinigen. Auf der Hoͤhe kann ein Tempel, dem wohlthaͤtigen Gott des Weins gewidmet, und mit den Sinnbildern ſeiner Freuden bezeichnet, oder mit den tanzenden Figuren der Satyren umgeben, leicht und froͤhlich erbaut, zwiſchen den geſelligen Umarmun- gen von Epheu und Reben emporſteigen; und unten am Eingange des Weinberges mag eine Huͤtte, die Wohnung des Winzers, nachlaͤßig ruhen. Der Tempel kann inwendig zur Bewohnung fuͤr einige Perſonen eingerichtet werden, oder die noͤthigen Bequemlichkeiten fuͤr einen kurzen Aufenthalt des Beſitzers enthalten. Ruhe und liebliche Einfalt herrſche durch den ganzen Bezirk. Seine ſchoͤnern Tage ſchenkt dem Weinberg der Herbſt, in deſſen Scenen er ſelbſt ein uͤberaus intereſſanter Theil ſeyn kann, indem das mildere Sonnenlicht zwiſchen den duͤnnern, falben, ſich ma- leriſch aͤndernden Blaͤttern die blauen und gelben Trauben hoͤher faͤrbt, und mit jedem entwoͤlkten Mittag der Luͤſternheit reizender entgegen ſchwellen laͤßt.
VI. Doͤr-
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Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
mit einem frohen Nachgenuß in den Gemaͤlden der Dichter und der Landſchafter wie-
der erblickt.
Ein Weinberg kann als eine beſondre Gattung von Gaͤrten angeſehen werden;
und in manchen Landſchaften ſieht man keine andre, als dieſe. Seine Lage auf ſon-
nigten Anhoͤhen oder an huͤgeligten Abhaͤngen giebt ihm einen Charakter von Heiter-
keit, der ſich ſchon bey der Annaͤherung ankuͤndigt. Man genießt hier eine freye
Ausſicht, und athmet voll Ruhe in einer reinern Luft. Wird das Auge durch den
Anblick eines Sees, der in der Niedrigung dahin wallet, oder eines voruͤberfließen-
den Fluſſes, oder eines Gemiſches von Wieſen und Landhuͤtten, die unter ihm in der
Tiefe ruhen, ergoͤtzt; ſo hat die Lage einen ſo friſchen und doch ſo ſanften Reiz, der
dieſer Gattung uͤberaus angemeſſen iſt. Der Charakter eines Weinbergs iſt Ein-
ſachheit. Er vertraͤgt keine fremden Pflanzungen. Allein die Weinſtoͤcke ergoͤtzen
nicht nur durch das Liebliche der Ueberſchattung und durch die Erwartung der edlen
Fruͤchte; ſie laſſen ſich auch zu kuͤhlen Bogengaͤngen bilden, in welchen die reifenden
Trauben aus dem dichten Laubdach anlockend ſich hervordraͤngen und herabhangen;
an den Seiten koͤnnen andre Spazierwege bald frey, bald leicht uͤberſchattet, dahin
laufen, oder kleine Reblauben ſich woͤlben. Das Vergnuͤgen des Spazierganges
kann ſich hier mit der Ruhe und der ſanften Anmuth der Ausſichten vereinigen.
Auf der Hoͤhe kann ein Tempel, dem wohlthaͤtigen Gott des Weins gewidmet,
und mit den Sinnbildern ſeiner Freuden bezeichnet, oder mit den tanzenden Figuren
der Satyren umgeben, leicht und froͤhlich erbaut, zwiſchen den geſelligen Umarmun-
gen von Epheu und Reben emporſteigen; und unten am Eingange des Weinberges
mag eine Huͤtte, die Wohnung des Winzers, nachlaͤßig ruhen. Der Tempel kann
inwendig zur Bewohnung fuͤr einige Perſonen eingerichtet werden, oder die noͤthigen
Bequemlichkeiten fuͤr einen kurzen Aufenthalt des Beſitzers enthalten. Ruhe und
liebliche Einfalt herrſche durch den ganzen Bezirk. Seine ſchoͤnern Tage ſchenkt
dem Weinberg der Herbſt, in deſſen Scenen er ſelbſt ein uͤberaus intereſſanter Theil
ſeyn kann, indem das mildere Sonnenlicht zwiſchen den duͤnnern, falben, ſich ma-
leriſch aͤndernden Blaͤttern die blauen und gelben Trauben hoͤher faͤrbt, und mit jedem
entwoͤlkten Mittag der Luͤſternheit reizender entgegen ſchwellen laͤßt.
VI. Doͤr-
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/166>, abgerufen am 19.07.2024.
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