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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung
II.
Feldspazierwege.
1.

Feldspazierwege, die in ihrer Einrichtung Bequemlichkeit und eine gewisse Schön-
heit vereinigen, sind ein sehr angenehmes Eigenthum eines adelichen Landgutes.
Sie erfreuen das Auge durch die verlängerte Vorstellung von der Ausdehnung eines
anmuthigen Rittersitzes, und kündigen dem Ankommenden, indem er den Boden be-
tritt, sogleich den überall aufmerksamen Geist des Besitzers an. Sie können, indem
sie nach allen Gegenden eines Landguts herumleiten, oft Spaziergänge von einer weit
reichern Mannichfaltigkeit ländlicher Scenen, und einer weit höhern Schönheit der
Aussichten darbieten, als der Park oder Garten selbst, nach ihrem mehr eingeschränk-
ten Umfange, und oft nach ihrer Lage, nicht verstatten.

Schon die gemeine Einrichtung eines Landguts erfordert Wege zur Verbindung
aller Theile; der Besitzer muß bequem in alle Gegenden kommen können, um ihre
verschiedenen Benutzungen und die Arbeiten seiner Leute zu übersehen. Die Bequem-
lichkeit, die Reinlichkeit, die Anmuth, die in seinen Feldwegen herrscht, ist zunächst
ein Vortheil für ihn. Ein sanft unterhaltendes ländliches Vergnügen begleitet ihn
nun auf dem Wege, worauf ihn seine Geschäfte gehen heißen. Er kann mit seiner
Familie, mit seinen Freunden, die ihn besuchen, zur gesunden Bewegung weite Spa-
ziergänge ins Freye vornehmen, sie überall die Anmuth seiner Gegenden genießen las-
sen, und sie leichter mit der Uebersicht seiner ökonomischen Einrichtungen unterhalten.

Bequeme und anmuthige Feldspazierwege sind die geringste Anlage, die man
in einem Landgute machen kann. Ein Rittersitz, der sonst keine Verschönerungen hat,
sollte doch wenigstens in diesem Theil keine Vernachläßigung zeigen. Er kann seine
dichten Wälder, selbst zum bessern Wachsthum ihrer Bäume, mit Spaziergängen
eröffnen, und den zur Bearbeitung des Feldes und zur Einführung der Früchte unent-
behrlichen Wegen eine Umpflanzung geben, worinn das Anmuthige zugleich das Nütz-
liche umarmt. Es würde das Vorurtheil eines platten, gewinnsüchtigen Pachtergei-
stes seyn, wenn man glaubte, daß diese Gattung von Verschönerung, wenn sie von
Ueberlegung begleitet wird, den nützlichen Ertrag der Ländereyen schmälerte.

2.

Die Feldspazierwege, die sich bald für den Fahrenden und Reitenden erweitern,
bald sich in Pfade für die Fußgänger verengen, gewähren auf gewisse Weise die Er-
götzung einer kleinen Landreise. Sie können alle Abwechselungen von Scenen und

Aussichten
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
II.
Feldſpazierwege.
1.

Feldſpazierwege, die in ihrer Einrichtung Bequemlichkeit und eine gewiſſe Schoͤn-
heit vereinigen, ſind ein ſehr angenehmes Eigenthum eines adelichen Landgutes.
Sie erfreuen das Auge durch die verlaͤngerte Vorſtellung von der Ausdehnung eines
anmuthigen Ritterſitzes, und kuͤndigen dem Ankommenden, indem er den Boden be-
tritt, ſogleich den uͤberall aufmerkſamen Geiſt des Beſitzers an. Sie koͤnnen, indem
ſie nach allen Gegenden eines Landguts herumleiten, oft Spaziergaͤnge von einer weit
reichern Mannichfaltigkeit laͤndlicher Scenen, und einer weit hoͤhern Schoͤnheit der
Ausſichten darbieten, als der Park oder Garten ſelbſt, nach ihrem mehr eingeſchraͤnk-
ten Umfange, und oft nach ihrer Lage, nicht verſtatten.

Schon die gemeine Einrichtung eines Landguts erfordert Wege zur Verbindung
aller Theile; der Beſitzer muß bequem in alle Gegenden kommen koͤnnen, um ihre
verſchiedenen Benutzungen und die Arbeiten ſeiner Leute zu uͤberſehen. Die Bequem-
lichkeit, die Reinlichkeit, die Anmuth, die in ſeinen Feldwegen herrſcht, iſt zunaͤchſt
ein Vortheil fuͤr ihn. Ein ſanft unterhaltendes laͤndliches Vergnuͤgen begleitet ihn
nun auf dem Wege, worauf ihn ſeine Geſchaͤfte gehen heißen. Er kann mit ſeiner
Familie, mit ſeinen Freunden, die ihn beſuchen, zur geſunden Bewegung weite Spa-
ziergaͤnge ins Freye vornehmen, ſie uͤberall die Anmuth ſeiner Gegenden genießen laſ-
ſen, und ſie leichter mit der Ueberſicht ſeiner oͤkonomiſchen Einrichtungen unterhalten.

Bequeme und anmuthige Feldſpazierwege ſind die geringſte Anlage, die man
in einem Landgute machen kann. Ein Ritterſitz, der ſonſt keine Verſchoͤnerungen hat,
ſollte doch wenigſtens in dieſem Theil keine Vernachlaͤßigung zeigen. Er kann ſeine
dichten Waͤlder, ſelbſt zum beſſern Wachsthum ihrer Baͤume, mit Spaziergaͤngen
eroͤffnen, und den zur Bearbeitung des Feldes und zur Einfuͤhrung der Fruͤchte unent-
behrlichen Wegen eine Umpflanzung geben, worinn das Anmuthige zugleich das Nuͤtz-
liche umarmt. Es wuͤrde das Vorurtheil eines platten, gewinnſuͤchtigen Pachtergei-
ſtes ſeyn, wenn man glaubte, daß dieſe Gattung von Verſchoͤnerung, wenn ſie von
Ueberlegung begleitet wird, den nuͤtzlichen Ertrag der Laͤndereyen ſchmaͤlerte.

2.

Die Feldſpazierwege, die ſich bald fuͤr den Fahrenden und Reitenden erweitern,
bald ſich in Pfade fuͤr die Fußgaͤnger verengen, gewaͤhren auf gewiſſe Weiſe die Er-
goͤtzung einer kleinen Landreiſe. Sie koͤnnen alle Abwechſelungen von Scenen und

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[126/0134] Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung II. Feldſpazierwege. 1. Feldſpazierwege, die in ihrer Einrichtung Bequemlichkeit und eine gewiſſe Schoͤn- heit vereinigen, ſind ein ſehr angenehmes Eigenthum eines adelichen Landgutes. Sie erfreuen das Auge durch die verlaͤngerte Vorſtellung von der Ausdehnung eines anmuthigen Ritterſitzes, und kuͤndigen dem Ankommenden, indem er den Boden be- tritt, ſogleich den uͤberall aufmerkſamen Geiſt des Beſitzers an. Sie koͤnnen, indem ſie nach allen Gegenden eines Landguts herumleiten, oft Spaziergaͤnge von einer weit reichern Mannichfaltigkeit laͤndlicher Scenen, und einer weit hoͤhern Schoͤnheit der Ausſichten darbieten, als der Park oder Garten ſelbſt, nach ihrem mehr eingeſchraͤnk- ten Umfange, und oft nach ihrer Lage, nicht verſtatten. Schon die gemeine Einrichtung eines Landguts erfordert Wege zur Verbindung aller Theile; der Beſitzer muß bequem in alle Gegenden kommen koͤnnen, um ihre verſchiedenen Benutzungen und die Arbeiten ſeiner Leute zu uͤberſehen. Die Bequem- lichkeit, die Reinlichkeit, die Anmuth, die in ſeinen Feldwegen herrſcht, iſt zunaͤchſt ein Vortheil fuͤr ihn. Ein ſanft unterhaltendes laͤndliches Vergnuͤgen begleitet ihn nun auf dem Wege, worauf ihn ſeine Geſchaͤfte gehen heißen. Er kann mit ſeiner Familie, mit ſeinen Freunden, die ihn beſuchen, zur geſunden Bewegung weite Spa- ziergaͤnge ins Freye vornehmen, ſie uͤberall die Anmuth ſeiner Gegenden genießen laſ- ſen, und ſie leichter mit der Ueberſicht ſeiner oͤkonomiſchen Einrichtungen unterhalten. Bequeme und anmuthige Feldſpazierwege ſind die geringſte Anlage, die man in einem Landgute machen kann. Ein Ritterſitz, der ſonſt keine Verſchoͤnerungen hat, ſollte doch wenigſtens in dieſem Theil keine Vernachlaͤßigung zeigen. Er kann ſeine dichten Waͤlder, ſelbſt zum beſſern Wachsthum ihrer Baͤume, mit Spaziergaͤngen eroͤffnen, und den zur Bearbeitung des Feldes und zur Einfuͤhrung der Fruͤchte unent- behrlichen Wegen eine Umpflanzung geben, worinn das Anmuthige zugleich das Nuͤtz- liche umarmt. Es wuͤrde das Vorurtheil eines platten, gewinnſuͤchtigen Pachtergei- ſtes ſeyn, wenn man glaubte, daß dieſe Gattung von Verſchoͤnerung, wenn ſie von Ueberlegung begleitet wird, den nuͤtzlichen Ertrag der Laͤndereyen ſchmaͤlerte. 2. Die Feldſpazierwege, die ſich bald fuͤr den Fahrenden und Reitenden erweitern, bald ſich in Pfade fuͤr die Fußgaͤnger verengen, gewaͤhren auf gewiſſe Weiſe die Er- goͤtzung einer kleinen Landreiſe. Sie koͤnnen alle Abwechſelungen von Scenen und Ausſichten

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/134>, abgerufen am 24.11.2024.