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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung
sind wegzunehmen. Farben, die zu stark abstechen, müssen gemindert werden. Ein
Gebäude, das eine zu starke Leuchtung hat, ist so lange durch einen Baum oder ein
Gebüsch zu verdecken, bis die zu sehr blendende Weiße seiner Wände sich mindert,
oder das harte Gelbe seines Strohdachs erbleicht, mehr in den Ton des Ganzen
stimmt und sich damit verbindet. Wo auch ein unbeweglicher natürlicher Gegenstand
der Harmonie des Ganzen Eintrag thut, da ist er durch eine Vorpflanzung zu ver-
decken. Ein kleines Gebüsch kann zuweilen, in einem bestimmten Abstand gepflanz,
das misfällige Ansehen eines fernen dürren Sandhügels ganz verhüllen.

Eine weite Ebene, die ins Unendliche fortläuft, ermüdet das Auge, ohne es zu
erfrischen. Ihre Einförmigkeit muß durch Anpflanzung von Baumgruppen, die sich
durch Größe und Abstände unterscheiden, und ein in die Ferne sich verlängerndes Per-
spectiv geben, oder durch einige Gebäude oder Landhütten unterbrochen werden. Eine
Heerde, die sich nahe auf der Flur umher zerstreut, kann schon einigen Begriff von
Leben über den Anblick einer weiten leeren Landschaft verbreiten.

Der nahe Strand des Meeres ist hie und da durch Gruppen von Bäumen zu
bepflanzen, die seine flache Einförmigkeit mindern. Man wähle Bäume, die im
Sande fortkommen, als Birken und Fuhren oder gemeine Kiefern (Pinus sylve-
stris, L.
), und hinter ihnen auf einem bessern Boden Eschen und Ahorne, welche die
von den Winden herbey geführte Feuchtigkeit aufhalten.

Liegt hinter einem Gehölz eine Windmühle, ein Kirchthurm, ein Dorf oder eine
Stadt, so läßt sich durch ausgehauene Oeffnungen auf diese Prospecte die todte Stille
in dem landschaftlichen Gemälde vermindern. Die Vorstellung von Leben und Ge-
schäftigkeit bricht hervor. Die Entdeckung reicher Hintergründe kann oft eine Land-
schaft erfrischen, und schon der bloße Anblick blauer Berge am Horizont erhebt die
Seele.

Weite, offene, bebauete Felder mit Dörfern untermischt, geben ein lachendes
Gemälde von Wohlstand und Freude; ein sich vordrängender dunkler Wald gewährt
den Begriff von Ruhe und Einsamkeit; ein hell hervorbrechender See erregt das Ge-
fühl von Heiterkeit und Freyheit.

Lauter Kornfelder, obgleich ihre Abtheilungen sichtbar, ihre Farben verschieden
sind, geben doch nur eine einförmige Aussicht; unterbrochen mit Wiesen, mit Wald,
mit Dörfern, gewinnen sie mehr Abwechselung und Reiz.

Die lebhaftesten Aussichten liefern ein Fluß und ein See; nur muß jener in
einer beträchtlichen Länge erscheinen, und dieser nicht zu sehr in der Tiefe liegen, die
ihn halb dem Auge entzieht.

Hügel,

Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
ſind wegzunehmen. Farben, die zu ſtark abſtechen, muͤſſen gemindert werden. Ein
Gebaͤude, das eine zu ſtarke Leuchtung hat, iſt ſo lange durch einen Baum oder ein
Gebuͤſch zu verdecken, bis die zu ſehr blendende Weiße ſeiner Waͤnde ſich mindert,
oder das harte Gelbe ſeines Strohdachs erbleicht, mehr in den Ton des Ganzen
ſtimmt und ſich damit verbindet. Wo auch ein unbeweglicher natuͤrlicher Gegenſtand
der Harmonie des Ganzen Eintrag thut, da iſt er durch eine Vorpflanzung zu ver-
decken. Ein kleines Gebuͤſch kann zuweilen, in einem beſtimmten Abſtand gepflanz,
das misfaͤllige Anſehen eines fernen duͤrren Sandhuͤgels ganz verhuͤllen.

Eine weite Ebene, die ins Unendliche fortlaͤuft, ermuͤdet das Auge, ohne es zu
erfriſchen. Ihre Einfoͤrmigkeit muß durch Anpflanzung von Baumgruppen, die ſich
durch Groͤße und Abſtaͤnde unterſcheiden, und ein in die Ferne ſich verlaͤngerndes Per-
ſpectiv geben, oder durch einige Gebaͤude oder Landhuͤtten unterbrochen werden. Eine
Heerde, die ſich nahe auf der Flur umher zerſtreut, kann ſchon einigen Begriff von
Leben uͤber den Anblick einer weiten leeren Landſchaft verbreiten.

Der nahe Strand des Meeres iſt hie und da durch Gruppen von Baͤumen zu
bepflanzen, die ſeine flache Einfoͤrmigkeit mindern. Man waͤhle Baͤume, die im
Sande fortkommen, als Birken und Fuhren oder gemeine Kiefern (Pinus ſylve-
ſtris, L.
), und hinter ihnen auf einem beſſern Boden Eſchen und Ahorne, welche die
von den Winden herbey gefuͤhrte Feuchtigkeit aufhalten.

Liegt hinter einem Gehoͤlz eine Windmuͤhle, ein Kirchthurm, ein Dorf oder eine
Stadt, ſo laͤßt ſich durch ausgehauene Oeffnungen auf dieſe Proſpecte die todte Stille
in dem landſchaftlichen Gemaͤlde vermindern. Die Vorſtellung von Leben und Ge-
ſchaͤftigkeit bricht hervor. Die Entdeckung reicher Hintergruͤnde kann oft eine Land-
ſchaft erfriſchen, und ſchon der bloße Anblick blauer Berge am Horizont erhebt die
Seele.

Weite, offene, bebauete Felder mit Doͤrfern untermiſcht, geben ein lachendes
Gemaͤlde von Wohlſtand und Freude; ein ſich vordraͤngender dunkler Wald gewaͤhrt
den Begriff von Ruhe und Einſamkeit; ein hell hervorbrechender See erregt das Ge-
fuͤhl von Heiterkeit und Freyheit.

Lauter Kornfelder, obgleich ihre Abtheilungen ſichtbar, ihre Farben verſchieden
ſind, geben doch nur eine einfoͤrmige Ausſicht; unterbrochen mit Wieſen, mit Wald,
mit Doͤrfern, gewinnen ſie mehr Abwechſelung und Reiz.

Die lebhafteſten Ausſichten liefern ein Fluß und ein See; nur muß jener in
einer betraͤchtlichen Laͤnge erſcheinen, und dieſer nicht zu ſehr in der Tiefe liegen, die
ihn halb dem Auge entzieht.

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[124/0132] Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung ſind wegzunehmen. Farben, die zu ſtark abſtechen, muͤſſen gemindert werden. Ein Gebaͤude, das eine zu ſtarke Leuchtung hat, iſt ſo lange durch einen Baum oder ein Gebuͤſch zu verdecken, bis die zu ſehr blendende Weiße ſeiner Waͤnde ſich mindert, oder das harte Gelbe ſeines Strohdachs erbleicht, mehr in den Ton des Ganzen ſtimmt und ſich damit verbindet. Wo auch ein unbeweglicher natuͤrlicher Gegenſtand der Harmonie des Ganzen Eintrag thut, da iſt er durch eine Vorpflanzung zu ver- decken. Ein kleines Gebuͤſch kann zuweilen, in einem beſtimmten Abſtand gepflanz, das misfaͤllige Anſehen eines fernen duͤrren Sandhuͤgels ganz verhuͤllen. Eine weite Ebene, die ins Unendliche fortlaͤuft, ermuͤdet das Auge, ohne es zu erfriſchen. Ihre Einfoͤrmigkeit muß durch Anpflanzung von Baumgruppen, die ſich durch Groͤße und Abſtaͤnde unterſcheiden, und ein in die Ferne ſich verlaͤngerndes Per- ſpectiv geben, oder durch einige Gebaͤude oder Landhuͤtten unterbrochen werden. Eine Heerde, die ſich nahe auf der Flur umher zerſtreut, kann ſchon einigen Begriff von Leben uͤber den Anblick einer weiten leeren Landſchaft verbreiten. Der nahe Strand des Meeres iſt hie und da durch Gruppen von Baͤumen zu bepflanzen, die ſeine flache Einfoͤrmigkeit mindern. Man waͤhle Baͤume, die im Sande fortkommen, als Birken und Fuhren oder gemeine Kiefern (Pinus ſylve- ſtris, L.), und hinter ihnen auf einem beſſern Boden Eſchen und Ahorne, welche die von den Winden herbey gefuͤhrte Feuchtigkeit aufhalten. Liegt hinter einem Gehoͤlz eine Windmuͤhle, ein Kirchthurm, ein Dorf oder eine Stadt, ſo laͤßt ſich durch ausgehauene Oeffnungen auf dieſe Proſpecte die todte Stille in dem landſchaftlichen Gemaͤlde vermindern. Die Vorſtellung von Leben und Ge- ſchaͤftigkeit bricht hervor. Die Entdeckung reicher Hintergruͤnde kann oft eine Land- ſchaft erfriſchen, und ſchon der bloße Anblick blauer Berge am Horizont erhebt die Seele. Weite, offene, bebauete Felder mit Doͤrfern untermiſcht, geben ein lachendes Gemaͤlde von Wohlſtand und Freude; ein ſich vordraͤngender dunkler Wald gewaͤhrt den Begriff von Ruhe und Einſamkeit; ein hell hervorbrechender See erregt das Ge- fuͤhl von Heiterkeit und Freyheit. Lauter Kornfelder, obgleich ihre Abtheilungen ſichtbar, ihre Farben verſchieden ſind, geben doch nur eine einfoͤrmige Ausſicht; unterbrochen mit Wieſen, mit Wald, mit Doͤrfern, gewinnen ſie mehr Abwechſelung und Reiz. Die lebhafteſten Ausſichten liefern ein Fluß und ein See; nur muß jener in einer betraͤchtlichen Laͤnge erſcheinen, und dieſer nicht zu ſehr in der Tiefe liegen, die ihn halb dem Auge entzieht. Huͤgel,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/132>, abgerufen am 28.04.2024.