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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.

Außer dem, was schon über diesen Gegenstand bemerkt ist, *) bieten sich uns
hier noch verschiedene einzelne Betrachtungen an. Zwar ist es schwer, über Verschöne-
rungen dieser Art allgemeine Grundsätze fesizusetzen, wornach man in jedem Fall sicher
verfahren könnte. Fast eine jede Gegend hat ihren eigenen Charakter und ihre beson-
dern Eigenthümlichkeiten der Lage und der Aussichten, worauf die Kunst bey ihren
Verzierungen immer den Blick zu richten hat. Auch der besondere Himmelsstrich,
die Winde und mancherley andere örtliche Umstände, der Charakter des Gebäudes,
und selbst der Geschmack seines Besitzers können merkliche Abweichungen veranlassen.
Indessen giebt es doch einige Regeln der Schönheit und des Geschmacks, die in den
meisten Fällen eine Beobachtung zu fordern scheinen.

Lustschlösser verlangen, ihres höhern Charakters wegen, den sie von der Würde
sowohl des Bewohners als der Architektur erhalten, einen größern, freyern und rei-
cher verzierten Vorplatz, als ein Landhaus, die Wohnung des Adels oder des Man-
nes vom Stande. Je ansehnlicher und prächtiger das Gebäude ist, desto mehr muß
sich sein naher Vorplatz durch Größe und Kunst der Verschönerung übereinstimmend
heben. Auch ist es schicklich, vor dem Auge der Lusischlösser Aussichten von Weite
und Pracht zu eröffnen.

Die Verschönerung der Vorplätze gehört zum Theil der Kunst zu, die hier
Statuen und Gruppen von Bildern bald für sich bestehend, bald als Verzierung der
Zugänge, oder der Springwasser, Vasen und andere Werke der Bildhauerey aufzu-
stellen pflegt. Allein diese Werke schicken sich doch mehr für Lustschlösser und edle
Landhäuser, als für Landsitze von einem mittlern Charakter. Sie müssen sich aus-
serdem nicht blos durch das Verdienst der Kunstbearbeitung auszeichnen, zumal da
ihre freye Stellung sie der schärfern Beurtheilung aussetzt, sondern auch Vorstellun-
gen aus den Scenen der schönen Natur und des Landlebens enthalten, wodurch sie der
Bestimmung der Gebäude zuwinken; sie müssen ferner mit weiser Sparsamkeit und
Wahl angebracht werden. Der glänzende Marmor oder der weiße Anstrich macht
eine treffliche Wirkung, wenn sie auf grünen Rasen erscheinen.

Diese Rasen sind die angenehmste Bekleidung der Vorplätze. Ein sandigter
Boden ermüdet und schwächt das Auge; Muscheln, Porzellanstücke, gefärbte Steine
u. s. w. sind die elendesten Spielwerke der alten kindischen Manier; aber ein grüner
Rasen ist liebliche Natur und Erfrischung für den Anblick. Und diese Rasen können
bey allen Arten der Landgebäude von dem königlichen Lustschloß bis zu der bescheidenen

Hütte
*) S. 3ten B. S. 9-14.
V Band. Q
einzelner Theile eines Landſitzes.

Außer dem, was ſchon uͤber dieſen Gegenſtand bemerkt iſt, *) bieten ſich uns
hier noch verſchiedene einzelne Betrachtungen an. Zwar iſt es ſchwer, uͤber Verſchoͤne-
rungen dieſer Art allgemeine Grundſaͤtze feſizuſetzen, wornach man in jedem Fall ſicher
verfahren koͤnnte. Faſt eine jede Gegend hat ihren eigenen Charakter und ihre beſon-
dern Eigenthuͤmlichkeiten der Lage und der Ausſichten, worauf die Kunſt bey ihren
Verzierungen immer den Blick zu richten hat. Auch der beſondere Himmelsſtrich,
die Winde und mancherley andere oͤrtliche Umſtaͤnde, der Charakter des Gebaͤudes,
und ſelbſt der Geſchmack ſeines Beſitzers koͤnnen merkliche Abweichungen veranlaſſen.
Indeſſen giebt es doch einige Regeln der Schoͤnheit und des Geſchmacks, die in den
meiſten Faͤllen eine Beobachtung zu fordern ſcheinen.

Luſtſchloͤſſer verlangen, ihres hoͤhern Charakters wegen, den ſie von der Wuͤrde
ſowohl des Bewohners als der Architektur erhalten, einen groͤßern, freyern und rei-
cher verzierten Vorplatz, als ein Landhaus, die Wohnung des Adels oder des Man-
nes vom Stande. Je anſehnlicher und praͤchtiger das Gebaͤude iſt, deſto mehr muß
ſich ſein naher Vorplatz durch Groͤße und Kunſt der Verſchoͤnerung uͤbereinſtimmend
heben. Auch iſt es ſchicklich, vor dem Auge der Luſiſchloͤſſer Ausſichten von Weite
und Pracht zu eroͤffnen.

Die Verſchoͤnerung der Vorplaͤtze gehoͤrt zum Theil der Kunſt zu, die hier
Statuen und Gruppen von Bildern bald fuͤr ſich beſtehend, bald als Verzierung der
Zugaͤnge, oder der Springwaſſer, Vaſen und andere Werke der Bildhauerey aufzu-
ſtellen pflegt. Allein dieſe Werke ſchicken ſich doch mehr fuͤr Luſtſchloͤſſer und edle
Landhaͤuſer, als fuͤr Landſitze von einem mittlern Charakter. Sie muͤſſen ſich auſ-
ſerdem nicht blos durch das Verdienſt der Kunſtbearbeitung auszeichnen, zumal da
ihre freye Stellung ſie der ſchaͤrfern Beurtheilung ausſetzt, ſondern auch Vorſtellun-
gen aus den Scenen der ſchoͤnen Natur und des Landlebens enthalten, wodurch ſie der
Beſtimmung der Gebaͤude zuwinken; ſie muͤſſen ferner mit weiſer Sparſamkeit und
Wahl angebracht werden. Der glaͤnzende Marmor oder der weiße Anſtrich macht
eine treffliche Wirkung, wenn ſie auf gruͤnen Raſen erſcheinen.

Dieſe Raſen ſind die angenehmſte Bekleidung der Vorplaͤtze. Ein ſandigter
Boden ermuͤdet und ſchwaͤcht das Auge; Muſcheln, Porzellanſtuͤcke, gefaͤrbte Steine
u. ſ. w. ſind die elendeſten Spielwerke der alten kindiſchen Manier; aber ein gruͤner
Raſen iſt liebliche Natur und Erfriſchung fuͤr den Anblick. Und dieſe Raſen koͤnnen
bey allen Arten der Landgebaͤude von dem koͤniglichen Luſtſchloß bis zu der beſcheidenen

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*) S. 3ten B. S. 9-14.
V Band. Q
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[121/0129] einzelner Theile eines Landſitzes. Außer dem, was ſchon uͤber dieſen Gegenſtand bemerkt iſt, *) bieten ſich uns hier noch verſchiedene einzelne Betrachtungen an. Zwar iſt es ſchwer, uͤber Verſchoͤne- rungen dieſer Art allgemeine Grundſaͤtze feſizuſetzen, wornach man in jedem Fall ſicher verfahren koͤnnte. Faſt eine jede Gegend hat ihren eigenen Charakter und ihre beſon- dern Eigenthuͤmlichkeiten der Lage und der Ausſichten, worauf die Kunſt bey ihren Verzierungen immer den Blick zu richten hat. Auch der beſondere Himmelsſtrich, die Winde und mancherley andere oͤrtliche Umſtaͤnde, der Charakter des Gebaͤudes, und ſelbſt der Geſchmack ſeines Beſitzers koͤnnen merkliche Abweichungen veranlaſſen. Indeſſen giebt es doch einige Regeln der Schoͤnheit und des Geſchmacks, die in den meiſten Faͤllen eine Beobachtung zu fordern ſcheinen. Luſtſchloͤſſer verlangen, ihres hoͤhern Charakters wegen, den ſie von der Wuͤrde ſowohl des Bewohners als der Architektur erhalten, einen groͤßern, freyern und rei- cher verzierten Vorplatz, als ein Landhaus, die Wohnung des Adels oder des Man- nes vom Stande. Je anſehnlicher und praͤchtiger das Gebaͤude iſt, deſto mehr muß ſich ſein naher Vorplatz durch Groͤße und Kunſt der Verſchoͤnerung uͤbereinſtimmend heben. Auch iſt es ſchicklich, vor dem Auge der Luſiſchloͤſſer Ausſichten von Weite und Pracht zu eroͤffnen. Die Verſchoͤnerung der Vorplaͤtze gehoͤrt zum Theil der Kunſt zu, die hier Statuen und Gruppen von Bildern bald fuͤr ſich beſtehend, bald als Verzierung der Zugaͤnge, oder der Springwaſſer, Vaſen und andere Werke der Bildhauerey aufzu- ſtellen pflegt. Allein dieſe Werke ſchicken ſich doch mehr fuͤr Luſtſchloͤſſer und edle Landhaͤuſer, als fuͤr Landſitze von einem mittlern Charakter. Sie muͤſſen ſich auſ- ſerdem nicht blos durch das Verdienſt der Kunſtbearbeitung auszeichnen, zumal da ihre freye Stellung ſie der ſchaͤrfern Beurtheilung ausſetzt, ſondern auch Vorſtellun- gen aus den Scenen der ſchoͤnen Natur und des Landlebens enthalten, wodurch ſie der Beſtimmung der Gebaͤude zuwinken; ſie muͤſſen ferner mit weiſer Sparſamkeit und Wahl angebracht werden. Der glaͤnzende Marmor oder der weiße Anſtrich macht eine treffliche Wirkung, wenn ſie auf gruͤnen Raſen erſcheinen. Dieſe Raſen ſind die angenehmſte Bekleidung der Vorplaͤtze. Ein ſandigter Boden ermuͤdet und ſchwaͤcht das Auge; Muſcheln, Porzellanſtuͤcke, gefaͤrbte Steine u. ſ. w. ſind die elendeſten Spielwerke der alten kindiſchen Manier; aber ein gruͤner Raſen iſt liebliche Natur und Erfriſchung fuͤr den Anblick. Und dieſe Raſen koͤnnen bey allen Arten der Landgebaͤude von dem koͤniglichen Luſtſchloß bis zu der beſcheidenen Huͤtte *) S. 3ten B. S. 9-14. V Band. Q

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/129>, abgerufen am 21.11.2024.