Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Abschnitt. Gärten
dungen, übersieht man nunmehr eine weit ausgebreitete Landschaft. Die Stadt
Ripon liegt mit ihrem Thurm mitten in einem stark angebaueten und mit Dörfern
und einzelnen Häusern gezierten Thale. Studley muß jedem, der es besucht, ge-
fallen. Die schönen Wasserfälle des Stroms, die Waldung, die als ein Amphi-
theater umherliegt, die malerischen Prospecte der Abtey, die Aussicht von dem gothi-
schen
Thurm, das Thal bey dem Hügel mit dem Zelte, das dabey fließende Wasser,
bieten so viel Schönheiten dar, daß der Zuschauer bald gereizt wird, sie zu
bewundern.

c.
Worksop.
*)

Wenn das Wohngebäude nach dem bestimmten Plan ausgeführt wird, so
möchte es wohl das größte in England werden. Die Vorderseite ist dreyhundert
und achtzehn Fuß lang, und hat in der Mitte eine Halle mit sechs prächtigen korinthi-
schen Säulen. Das Werk zeigt eine edle Architectur mit großer Simplicität; und
die Zimmer sind schön.

Nicht weit von dem Wohnhause ist ein Stück Landes zum Vergnügen mit
großem Geschmack angelegt. Man sieht hier einen durch Kunst ausgegrabenen See
und Fluß, welche die Natur sehr glücklich nachahmen, und deren Ufer natürlich schön
verziert sind. Gleich beym Anfang erblickt man an einem buschigten einsamen Ort
eine im gothischen Geschmack angelegte Bank, wovon man einen Prospect nach einer
Bucht des Sees hat. Das Ufer ist ungleich und felsicht, und die Bäume hängen
wild über das Wasser; in mehrerer Entfernung wird das Wasser breiter, und hinten
in dem dicksten Wald ist eine Brücke darüber geschlagen, die, wenn die Sonne darauf
scheint, die herrlichste Wirkung thut, indem sie mit dem umliegenden Gebüsch einen
vortrefflichen Contrast macht. **)

Von hier führt der Weg links durch den Wald nach einem offenen Rasenplatz,
an dessen Ende man rechter Hand das Wasser zu Gesichte bekommt und auch behält,
wenn man diesen Platz hinabgeht. Linker Hand liegt ein toscanischer Tempel, von
dem man eine angenehme Aussicht über einen Theil des Sees hat. Andre geschlän-
gelte Gänge führen nach verschiedenen Gegenden des ganzen Platzes, einer zur Mena-
gerie, der andre zur Brücke, die leicht und artig gebaut ist. Geht man über sie hin,

so
*) [Spaltenumbruch] In Yorkshire, dem Herzog von
Norfolk zugehörig.
**) [Spaltenumbruch] Von dieser malerischen Partie fin-
det sich im Original von Youngs Reisebe-
schreibung ein Kupferstich.

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
dungen, uͤberſieht man nunmehr eine weit ausgebreitete Landſchaft. Die Stadt
Ripon liegt mit ihrem Thurm mitten in einem ſtark angebaueten und mit Doͤrfern
und einzelnen Haͤuſern gezierten Thale. Studley muß jedem, der es beſucht, ge-
fallen. Die ſchoͤnen Waſſerfaͤlle des Stroms, die Waldung, die als ein Amphi-
theater umherliegt, die maleriſchen Proſpecte der Abtey, die Ausſicht von dem gothi-
ſchen
Thurm, das Thal bey dem Huͤgel mit dem Zelte, das dabey fließende Waſſer,
bieten ſo viel Schoͤnheiten dar, daß der Zuſchauer bald gereizt wird, ſie zu
bewundern.

c.
Workſop.
*)

Wenn das Wohngebaͤude nach dem beſtimmten Plan ausgefuͤhrt wird, ſo
moͤchte es wohl das groͤßte in England werden. Die Vorderſeite iſt dreyhundert
und achtzehn Fuß lang, und hat in der Mitte eine Halle mit ſechs praͤchtigen korinthi-
ſchen Saͤulen. Das Werk zeigt eine edle Architectur mit großer Simplicitaͤt; und
die Zimmer ſind ſchoͤn.

Nicht weit von dem Wohnhauſe iſt ein Stuͤck Landes zum Vergnuͤgen mit
großem Geſchmack angelegt. Man ſieht hier einen durch Kunſt ausgegrabenen See
und Fluß, welche die Natur ſehr gluͤcklich nachahmen, und deren Ufer natuͤrlich ſchoͤn
verziert ſind. Gleich beym Anfang erblickt man an einem buſchigten einſamen Ort
eine im gothiſchen Geſchmack angelegte Bank, wovon man einen Proſpect nach einer
Bucht des Sees hat. Das Ufer iſt ungleich und felſicht, und die Baͤume haͤngen
wild uͤber das Waſſer; in mehrerer Entfernung wird das Waſſer breiter, und hinten
in dem dickſten Wald iſt eine Bruͤcke daruͤber geſchlagen, die, wenn die Sonne darauf
ſcheint, die herrlichſte Wirkung thut, indem ſie mit dem umliegenden Gebuͤſch einen
vortrefflichen Contraſt macht. **)

Von hier fuͤhrt der Weg links durch den Wald nach einem offenen Raſenplatz,
an deſſen Ende man rechter Hand das Waſſer zu Geſichte bekommt und auch behaͤlt,
wenn man dieſen Platz hinabgeht. Linker Hand liegt ein toſcaniſcher Tempel, von
dem man eine angenehme Ausſicht uͤber einen Theil des Sees hat. Andre geſchlaͤn-
gelte Gaͤnge fuͤhren nach verſchiedenen Gegenden des ganzen Platzes, einer zur Mena-
gerie, der andre zur Bruͤcke, die leicht und artig gebaut iſt. Geht man uͤber ſie hin,

ſo
*) [Spaltenumbruch] In Yorkſhire, dem Herzog von
Norfolk zugehoͤrig.
**) [Spaltenumbruch] Von dieſer maleriſchen Partie fin-
det ſich im Original von Youngs Reiſebe-
ſchreibung ein Kupferſtich.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0074" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Dritter Ab&#x017F;chnitt. Ga&#x0364;rten</hi></fw><lb/>
dungen, u&#x0364;ber&#x017F;ieht man nunmehr eine weit ausgebreitete Land&#x017F;chaft. Die Stadt<lb/><hi rendition="#fr">Ripon</hi> liegt mit ihrem Thurm mitten in einem &#x017F;tark angebaueten und mit Do&#x0364;rfern<lb/>
und einzelnen Ha&#x0364;u&#x017F;ern gezierten Thale. <hi rendition="#fr">Studley</hi> muß jedem, der es be&#x017F;ucht, ge-<lb/>
fallen. Die &#x017F;cho&#x0364;nen Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;lle des Stroms, die Waldung, die als ein Amphi-<lb/>
theater umherliegt, die maleri&#x017F;chen Pro&#x017F;pecte der Abtey, die Aus&#x017F;icht von dem <hi rendition="#fr">gothi-<lb/>
&#x017F;chen</hi> Thurm, das Thal bey dem Hu&#x0364;gel mit dem Zelte, das dabey fließende Wa&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
bieten &#x017F;o viel Scho&#x0364;nheiten dar, daß der Zu&#x017F;chauer bald gereizt wird, &#x017F;ie zu<lb/>
bewundern.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">c.</hi><lb/><hi rendition="#g">Work&#x017F;op</hi>.</hi> <note place="foot" n="*)"><cb/>
In York&#x017F;hire, dem Herzog von<lb/>
Norfolk zugeho&#x0364;rig.</note>
              </head><lb/>
              <p>Wenn das Wohngeba&#x0364;ude nach dem be&#x017F;timmten Plan ausgefu&#x0364;hrt wird, &#x017F;o<lb/>
mo&#x0364;chte es wohl das gro&#x0364;ßte in <hi rendition="#fr">England</hi> werden. Die Vorder&#x017F;eite i&#x017F;t dreyhundert<lb/>
und achtzehn Fuß lang, und hat in der Mitte eine Halle mit &#x017F;echs pra&#x0364;chtigen korinthi-<lb/>
&#x017F;chen Sa&#x0364;ulen. Das Werk zeigt eine edle Architectur mit großer Simplicita&#x0364;t; und<lb/>
die Zimmer &#x017F;ind &#x017F;cho&#x0364;n.</p><lb/>
              <p>Nicht weit von dem Wohnhau&#x017F;e i&#x017F;t ein Stu&#x0364;ck Landes zum Vergnu&#x0364;gen mit<lb/>
großem Ge&#x017F;chmack angelegt. Man &#x017F;ieht hier einen durch Kun&#x017F;t ausgegrabenen See<lb/>
und Fluß, welche die Natur &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich nachahmen, und deren Ufer natu&#x0364;rlich &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
verziert &#x017F;ind. Gleich beym Anfang erblickt man an einem bu&#x017F;chigten ein&#x017F;amen Ort<lb/>
eine im <hi rendition="#fr">gothi&#x017F;chen</hi> Ge&#x017F;chmack angelegte Bank, wovon man einen Pro&#x017F;pect nach einer<lb/>
Bucht des Sees hat. Das Ufer i&#x017F;t ungleich und fel&#x017F;icht, und die Ba&#x0364;ume ha&#x0364;ngen<lb/>
wild u&#x0364;ber das Wa&#x017F;&#x017F;er; in mehrerer Entfernung wird das Wa&#x017F;&#x017F;er breiter, und hinten<lb/>
in dem dick&#x017F;ten Wald i&#x017F;t eine Bru&#x0364;cke daru&#x0364;ber ge&#x017F;chlagen, die, wenn die Sonne darauf<lb/>
&#x017F;cheint, die herrlich&#x017F;te Wirkung thut, indem &#x017F;ie mit dem umliegenden Gebu&#x0364;&#x017F;ch einen<lb/>
vortrefflichen Contra&#x017F;t macht. <note place="foot" n="**)"><cb/>
Von die&#x017F;er maleri&#x017F;chen Partie fin-<lb/>
det &#x017F;ich im Original von Youngs Rei&#x017F;ebe-<lb/>
&#x017F;chreibung ein Kupfer&#x017F;tich.</note></p><lb/>
              <p>Von hier fu&#x0364;hrt der Weg links durch den Wald nach einem offenen Ra&#x017F;enplatz,<lb/>
an de&#x017F;&#x017F;en Ende man rechter Hand das Wa&#x017F;&#x017F;er zu Ge&#x017F;ichte bekommt und auch beha&#x0364;lt,<lb/>
wenn man die&#x017F;en Platz hinabgeht. Linker Hand liegt ein to&#x017F;cani&#x017F;cher Tempel, von<lb/>
dem man eine angenehme Aus&#x017F;icht u&#x0364;ber einen Theil des Sees hat. Andre ge&#x017F;chla&#x0364;n-<lb/>
gelte Ga&#x0364;nge fu&#x0364;hren nach ver&#x017F;chiedenen Gegenden des ganzen Platzes, einer zur Mena-<lb/>
gerie, der andre zur Bru&#x0364;cke, die leicht und artig gebaut i&#x017F;t. Geht man u&#x0364;ber &#x017F;ie hin,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0074] Dritter Abſchnitt. Gaͤrten dungen, uͤberſieht man nunmehr eine weit ausgebreitete Landſchaft. Die Stadt Ripon liegt mit ihrem Thurm mitten in einem ſtark angebaueten und mit Doͤrfern und einzelnen Haͤuſern gezierten Thale. Studley muß jedem, der es beſucht, ge- fallen. Die ſchoͤnen Waſſerfaͤlle des Stroms, die Waldung, die als ein Amphi- theater umherliegt, die maleriſchen Proſpecte der Abtey, die Ausſicht von dem gothi- ſchen Thurm, das Thal bey dem Huͤgel mit dem Zelte, das dabey fließende Waſſer, bieten ſo viel Schoͤnheiten dar, daß der Zuſchauer bald gereizt wird, ſie zu bewundern. c. Workſop. *) Wenn das Wohngebaͤude nach dem beſtimmten Plan ausgefuͤhrt wird, ſo moͤchte es wohl das groͤßte in England werden. Die Vorderſeite iſt dreyhundert und achtzehn Fuß lang, und hat in der Mitte eine Halle mit ſechs praͤchtigen korinthi- ſchen Saͤulen. Das Werk zeigt eine edle Architectur mit großer Simplicitaͤt; und die Zimmer ſind ſchoͤn. Nicht weit von dem Wohnhauſe iſt ein Stuͤck Landes zum Vergnuͤgen mit großem Geſchmack angelegt. Man ſieht hier einen durch Kunſt ausgegrabenen See und Fluß, welche die Natur ſehr gluͤcklich nachahmen, und deren Ufer natuͤrlich ſchoͤn verziert ſind. Gleich beym Anfang erblickt man an einem buſchigten einſamen Ort eine im gothiſchen Geſchmack angelegte Bank, wovon man einen Proſpect nach einer Bucht des Sees hat. Das Ufer iſt ungleich und felſicht, und die Baͤume haͤngen wild uͤber das Waſſer; in mehrerer Entfernung wird das Waſſer breiter, und hinten in dem dickſten Wald iſt eine Bruͤcke daruͤber geſchlagen, die, wenn die Sonne darauf ſcheint, die herrlichſte Wirkung thut, indem ſie mit dem umliegenden Gebuͤſch einen vortrefflichen Contraſt macht. **) Von hier fuͤhrt der Weg links durch den Wald nach einem offenen Raſenplatz, an deſſen Ende man rechter Hand das Waſſer zu Geſichte bekommt und auch behaͤlt, wenn man dieſen Platz hinabgeht. Linker Hand liegt ein toſcaniſcher Tempel, von dem man eine angenehme Ausſicht uͤber einen Theil des Sees hat. Andre geſchlaͤn- gelte Gaͤnge fuͤhren nach verſchiedenen Gegenden des ganzen Platzes, einer zur Mena- gerie, der andre zur Bruͤcke, die leicht und artig gebaut iſt. Geht man uͤber ſie hin, ſo *) In Yorkſhire, dem Herzog von Norfolk zugehoͤrig. **) Von dieſer maleriſchen Partie fin- det ſich im Original von Youngs Reiſebe- ſchreibung ein Kupferſtich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/74
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/74>, abgerufen am 03.12.2024.