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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Erster Abschnitt.
Gärten nach dem Unterschied des Klima.

Schon eine gemeine Beobachtung lehrt uns, bey der Cultur der Gewächse, auf
die Beschaffenheit des Klima, auf seine Milde oder Strenge merken. Jeder
Himmelsstrich hat seine Pflanzen, die er als seine eigene Kinder mit einem glücklichen
Erfolg erzieht, und die, aus ihrer Heimat gerissen, gar zu oft ausarten oder sterben.
Die Natur selbst giebt in Rücksicht auf die Gewächse den Gärten verschiedener Länder
schon einen verschiedenen Charakter, der von dem Klima abhängig ist. Die Fluren
in Indien und in Arabien stellen ganz andere Geschlechter von Bäumen und Sträu-
chern auf, als die Pflanzungen in Nordamerica, und diese sind wieder von den Ge-
wächsen des südlichen Europa unterschieden.

So wie die Pflanzen, so muß sich der Mensch nach der Beschaffenheit des Him-
melsstrichs richten, unter welchem er baut. Er muß nicht allein beobachten, welche
Gewächse unter seinem Klima am besten, welche weniger, welche gar nicht gedeihen;
er muß auch nach dem Charakter eben dieses Klima die Plätze seiner ländlichen Er-
götzungen einzurichten wissen.

Wir dürfen nur einen Garten aus dem untern Italien mit einem niedersäch-
sischen
vergleichen, um nicht blos einen Unterschied zu bemerken, sondern auch einzu-
sehen, daß dieser Unterschied zum Theil von dem verschiedenen Genie des Himmels-
strichs herrührt. Noch auffallender wird dieser Unterschied bey Ländern in einer wei-
tern Entfernung von einander. Es ist demnach keine geringe Unbedachtsamkeit,
wenn wir ausländische Gärten verachten, weil sie nicht seyn können, wie die unsrigen
sind, oder wenn wir die unsrigen als die vollkommensten Muster der Schönheit anse-
hen, wornach wir andere zu beurtheilen uns berechtigt halten. Eben die Abweichung,
die das Klima will, wollen oft eben so sehr Sitte und Gewohnheit, die unter den Ein-
wirkungen des Klima herrschen.

Wenn die Alten uns ihre Gärten beschreiben, so erwähnen sie, mit einem be-
sondern Vergnügen, kühler Grotten, wasserreicher Quellen, Erfrischungen des Meeres,
luftiger Anhöhen, schattenreicher Gänge mit Platanen besetzt und bedeckter Säulen-
lauben. Das Klima lehrte den Griechen und den Römer Schatten und Kühlung,
als Bedürfniß, suchen; und diesem Bedürfniß folgten die Anlagen ihrer Gärten.
Der Platanus ward, seines ehrwürdigen Schattens wegen, so sehr geschätzt, daß
man ihn zur Beförderung seines Wachsthums sogar mit Wein begoß.

Der


Erſter Abſchnitt.
Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima.

Schon eine gemeine Beobachtung lehrt uns, bey der Cultur der Gewaͤchſe, auf
die Beſchaffenheit des Klima, auf ſeine Milde oder Strenge merken. Jeder
Himmelsſtrich hat ſeine Pflanzen, die er als ſeine eigene Kinder mit einem gluͤcklichen
Erfolg erzieht, und die, aus ihrer Heimat geriſſen, gar zu oft ausarten oder ſterben.
Die Natur ſelbſt giebt in Ruͤckſicht auf die Gewaͤchſe den Gaͤrten verſchiedener Laͤnder
ſchon einen verſchiedenen Charakter, der von dem Klima abhaͤngig iſt. Die Fluren
in Indien und in Arabien ſtellen ganz andere Geſchlechter von Baͤumen und Straͤu-
chern auf, als die Pflanzungen in Nordamerica, und dieſe ſind wieder von den Ge-
waͤchſen des ſuͤdlichen Europa unterſchieden.

So wie die Pflanzen, ſo muß ſich der Menſch nach der Beſchaffenheit des Him-
melsſtrichs richten, unter welchem er baut. Er muß nicht allein beobachten, welche
Gewaͤchſe unter ſeinem Klima am beſten, welche weniger, welche gar nicht gedeihen;
er muß auch nach dem Charakter eben dieſes Klima die Plaͤtze ſeiner laͤndlichen Er-
goͤtzungen einzurichten wiſſen.

Wir duͤrfen nur einen Garten aus dem untern Italien mit einem niederſaͤch-
ſiſchen
vergleichen, um nicht blos einen Unterſchied zu bemerken, ſondern auch einzu-
ſehen, daß dieſer Unterſchied zum Theil von dem verſchiedenen Genie des Himmels-
ſtrichs herruͤhrt. Noch auffallender wird dieſer Unterſchied bey Laͤndern in einer wei-
tern Entfernung von einander. Es iſt demnach keine geringe Unbedachtſamkeit,
wenn wir auslaͤndiſche Gaͤrten verachten, weil ſie nicht ſeyn koͤnnen, wie die unſrigen
ſind, oder wenn wir die unſrigen als die vollkommenſten Muſter der Schoͤnheit anſe-
hen, wornach wir andere zu beurtheilen uns berechtigt halten. Eben die Abweichung,
die das Klima will, wollen oft eben ſo ſehr Sitte und Gewohnheit, die unter den Ein-
wirkungen des Klima herrſchen.

Wenn die Alten uns ihre Gaͤrten beſchreiben, ſo erwaͤhnen ſie, mit einem be-
ſondern Vergnuͤgen, kuͤhler Grotten, waſſerreicher Quellen, Erfriſchungen des Meeres,
luftiger Anhoͤhen, ſchattenreicher Gaͤnge mit Platanen beſetzt und bedeckter Saͤulen-
lauben. Das Klima lehrte den Griechen und den Roͤmer Schatten und Kuͤhlung,
als Beduͤrfniß, ſuchen; und dieſem Beduͤrfniß folgten die Anlagen ihrer Gaͤrten.
Der Platanus ward, ſeines ehrwuͤrdigen Schattens wegen, ſo ſehr geſchaͤtzt, daß
man ihn zur Befoͤrderung ſeines Wachsthums ſogar mit Wein begoß.

Der
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[31/0035] Erſter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima. Schon eine gemeine Beobachtung lehrt uns, bey der Cultur der Gewaͤchſe, auf die Beſchaffenheit des Klima, auf ſeine Milde oder Strenge merken. Jeder Himmelsſtrich hat ſeine Pflanzen, die er als ſeine eigene Kinder mit einem gluͤcklichen Erfolg erzieht, und die, aus ihrer Heimat geriſſen, gar zu oft ausarten oder ſterben. Die Natur ſelbſt giebt in Ruͤckſicht auf die Gewaͤchſe den Gaͤrten verſchiedener Laͤnder ſchon einen verſchiedenen Charakter, der von dem Klima abhaͤngig iſt. Die Fluren in Indien und in Arabien ſtellen ganz andere Geſchlechter von Baͤumen und Straͤu- chern auf, als die Pflanzungen in Nordamerica, und dieſe ſind wieder von den Ge- waͤchſen des ſuͤdlichen Europa unterſchieden. So wie die Pflanzen, ſo muß ſich der Menſch nach der Beſchaffenheit des Him- melsſtrichs richten, unter welchem er baut. Er muß nicht allein beobachten, welche Gewaͤchſe unter ſeinem Klima am beſten, welche weniger, welche gar nicht gedeihen; er muß auch nach dem Charakter eben dieſes Klima die Plaͤtze ſeiner laͤndlichen Er- goͤtzungen einzurichten wiſſen. Wir duͤrfen nur einen Garten aus dem untern Italien mit einem niederſaͤch- ſiſchen vergleichen, um nicht blos einen Unterſchied zu bemerken, ſondern auch einzu- ſehen, daß dieſer Unterſchied zum Theil von dem verſchiedenen Genie des Himmels- ſtrichs herruͤhrt. Noch auffallender wird dieſer Unterſchied bey Laͤndern in einer wei- tern Entfernung von einander. Es iſt demnach keine geringe Unbedachtſamkeit, wenn wir auslaͤndiſche Gaͤrten verachten, weil ſie nicht ſeyn koͤnnen, wie die unſrigen ſind, oder wenn wir die unſrigen als die vollkommenſten Muſter der Schoͤnheit anſe- hen, wornach wir andere zu beurtheilen uns berechtigt halten. Eben die Abweichung, die das Klima will, wollen oft eben ſo ſehr Sitte und Gewohnheit, die unter den Ein- wirkungen des Klima herrſchen. Wenn die Alten uns ihre Gaͤrten beſchreiben, ſo erwaͤhnen ſie, mit einem be- ſondern Vergnuͤgen, kuͤhler Grotten, waſſerreicher Quellen, Erfriſchungen des Meeres, luftiger Anhoͤhen, ſchattenreicher Gaͤnge mit Platanen beſetzt und bedeckter Saͤulen- lauben. Das Klima lehrte den Griechen und den Roͤmer Schatten und Kuͤhlung, als Beduͤrfniß, ſuchen; und dieſem Beduͤrfniß folgten die Anlagen ihrer Gaͤrten. Der Platanus ward, ſeines ehrwuͤrdigen Schattens wegen, ſo ſehr geſchaͤtzt, daß man ihn zur Befoͤrderung ſeines Wachsthums ſogar mit Wein begoß. Der

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/35>, abgerufen am 24.11.2024.