Bey diesem Pavillon winden sich einige schlängelnde Pfade zwischen schattenrei- chen Gebüschen, die aus mancherley einheimischen Sträuchern bestehen, einen Abhang hinunter, und verlieren sich nach der Fähre hin. Man sieht unten die Häuser von Kappel, an dem schräg gegenüber liegenden Ufer, ganz frey und niedrig vor sich lie- gen, mit einer Sammlung von Schiffen und Fahrzeugen, die sich hier aufzuhalten pflegen. Die Aussicht ist auf diesen Gängen bald ganz geschlossen, bald mit guter Wahl auf die schönsten Gesichtspunkte eröffnet. Man sieht bald die Schley, bald Kappel, bald einen Wald, bald andre Theile der Landschaft. Durch die Richtun- gen der Aussichten aber sind die Gemälde vervielfältigt. Und um sie ganz zu genießen, sind die Plätze für die Sitze mit Geschmack gewählt. Unter diesen befindet sich ein kleines Borkhaus. Ein andres mit Stroh bedecktes Gebäude liegt, von ihm entfernt, in eben diesen Lustgebüschen. Es besteht unten aus einem runden Zimmer, mit Baumrinden ausgeschlagen und mit Bänken umher besetzt. Oben an der Decke er- scheint die Inschrift: Alterna Requie! Man genießt hier die Aussicht auf die Schley und auf einen Theil des Fleckens mit der Kirche; eine Aussicht, die man beym Eintritt im Spiegel sich sanfter malen sieht. Ein höher liegender Gang führt hinten in das obere Kabinet, das gleichsam das zweyte Stockwerk des Gebäudes ausmacht. Die horazische Inschrift: Linquenda tellus et domus et placens Uxor, neque harum, quas colis, arborum Te praeter invisas cupressos Ulla brevem dominum sequetur. ist ganz einem Sitz angemessen, der ernsthaften Gedanken in der Einsamkeit geweihet ward. Das Andenken des vorigen Besitzers kehrt hier zurück, und füllt das Herz mit Verehrung und Wehmuth. Hier saß er oft in Betrachtungen über den Werth eines Lebens, das er als ein Weiser genoß, und länger zu genießen so werth war. Verlassen hat er nun diesen Landsitz, dieses Haus, diese freundlichgefällige Gattinn, *) eine der edlen, weiblichen Seelen, die so gern in den sanften Empfindungen des Guten und des Schönen dahinschmelzen, und keinen süßern Genuß ihres Daseyns kennen. Noch fließt ihre Thräne oft in diesen einsamen Gebüschen nieder; aber ihr Blick erhebt sich wieder mit ruhiger Sehnsucht zu den schönern Gefilden der Unsterblichkeit empor,
worinn
*) Die Frau von Dewitz, geborne von Rumohr.
Anhang. Beſchreibungen
Bey dieſem Pavillon winden ſich einige ſchlaͤngelnde Pfade zwiſchen ſchattenrei- chen Gebuͤſchen, die aus mancherley einheimiſchen Straͤuchern beſtehen, einen Abhang hinunter, und verlieren ſich nach der Faͤhre hin. Man ſieht unten die Haͤuſer von Kappel, an dem ſchraͤg gegenuͤber liegenden Ufer, ganz frey und niedrig vor ſich lie- gen, mit einer Sammlung von Schiffen und Fahrzeugen, die ſich hier aufzuhalten pflegen. Die Ausſicht iſt auf dieſen Gaͤngen bald ganz geſchloſſen, bald mit guter Wahl auf die ſchoͤnſten Geſichtspunkte eroͤffnet. Man ſieht bald die Schley, bald Kappel, bald einen Wald, bald andre Theile der Landſchaft. Durch die Richtun- gen der Ausſichten aber ſind die Gemaͤlde vervielfaͤltigt. Und um ſie ganz zu genießen, ſind die Plaͤtze fuͤr die Sitze mit Geſchmack gewaͤhlt. Unter dieſen befindet ſich ein kleines Borkhaus. Ein andres mit Stroh bedecktes Gebaͤude liegt, von ihm entfernt, in eben dieſen Luſtgebuͤſchen. Es beſteht unten aus einem runden Zimmer, mit Baumrinden ausgeſchlagen und mit Baͤnken umher beſetzt. Oben an der Decke er- ſcheint die Inſchrift: Alterna Requie! Man genießt hier die Ausſicht auf die Schley und auf einen Theil des Fleckens mit der Kirche; eine Ausſicht, die man beym Eintritt im Spiegel ſich ſanfter malen ſieht. Ein hoͤher liegender Gang fuͤhrt hinten in das obere Kabinet, das gleichſam das zweyte Stockwerk des Gebaͤudes ausmacht. Die horaziſche Inſchrift: Linquenda tellus et domus et placens Uxor, neque harum, quas colis, arborum Te praeter inviſas cupreſſos Ulla brevem dominum ſequetur. iſt ganz einem Sitz angemeſſen, der ernſthaften Gedanken in der Einſamkeit geweihet ward. Das Andenken des vorigen Beſitzers kehrt hier zuruͤck, und fuͤllt das Herz mit Verehrung und Wehmuth. Hier ſaß er oft in Betrachtungen uͤber den Werth eines Lebens, das er als ein Weiſer genoß, und laͤnger zu genießen ſo werth war. Verlaſſen hat er nun dieſen Landſitz, dieſes Haus, dieſe freundlichgefaͤllige Gattinn, *) eine der edlen, weiblichen Seelen, die ſo gern in den ſanften Empfindungen des Guten und des Schoͤnen dahinſchmelzen, und keinen ſuͤßern Genuß ihres Daſeyns kennen. Noch fließt ihre Thraͤne oft in dieſen einſamen Gebuͤſchen nieder; aber ihr Blick erhebt ſich wieder mit ruhiger Sehnſucht zu den ſchoͤnern Gefilden der Unſterblichkeit empor,
worinn
*) Die Frau von Dewitz, geborne von Rumohr.
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Anhang. Beſchreibungen
Bey dieſem Pavillon winden ſich einige ſchlaͤngelnde Pfade zwiſchen ſchattenrei-
chen Gebuͤſchen, die aus mancherley einheimiſchen Straͤuchern beſtehen, einen Abhang
hinunter, und verlieren ſich nach der Faͤhre hin. Man ſieht unten die Haͤuſer von
Kappel, an dem ſchraͤg gegenuͤber liegenden Ufer, ganz frey und niedrig vor ſich lie-
gen, mit einer Sammlung von Schiffen und Fahrzeugen, die ſich hier aufzuhalten
pflegen. Die Ausſicht iſt auf dieſen Gaͤngen bald ganz geſchloſſen, bald mit guter
Wahl auf die ſchoͤnſten Geſichtspunkte eroͤffnet. Man ſieht bald die Schley, bald
Kappel, bald einen Wald, bald andre Theile der Landſchaft. Durch die Richtun-
gen der Ausſichten aber ſind die Gemaͤlde vervielfaͤltigt. Und um ſie ganz zu genießen,
ſind die Plaͤtze fuͤr die Sitze mit Geſchmack gewaͤhlt. Unter dieſen befindet ſich ein
kleines Borkhaus. Ein andres mit Stroh bedecktes Gebaͤude liegt, von ihm entfernt,
in eben dieſen Luſtgebuͤſchen. Es beſteht unten aus einem runden Zimmer, mit
Baumrinden ausgeſchlagen und mit Baͤnken umher beſetzt. Oben an der Decke er-
ſcheint die Inſchrift:
Alterna
Requie!
Man genießt hier die Ausſicht auf die Schley und auf einen Theil des Fleckens mit
der Kirche; eine Ausſicht, die man beym Eintritt im Spiegel ſich ſanfter malen ſieht.
Ein hoͤher liegender Gang fuͤhrt hinten in das obere Kabinet, das gleichſam das zweyte
Stockwerk des Gebaͤudes ausmacht. Die horaziſche Inſchrift:
Linquenda tellus et domus et placens
Uxor, neque harum, quas colis, arborum
Te praeter inviſas cupreſſos
Ulla brevem dominum ſequetur.
iſt ganz einem Sitz angemeſſen, der ernſthaften Gedanken in der Einſamkeit geweihet
ward. Das Andenken des vorigen Beſitzers kehrt hier zuruͤck, und fuͤllt das Herz
mit Verehrung und Wehmuth. Hier ſaß er oft in Betrachtungen uͤber den Werth
eines Lebens, das er als ein Weiſer genoß, und laͤnger zu genießen ſo werth war.
Verlaſſen hat er nun dieſen Landſitz, dieſes Haus, dieſe freundlichgefaͤllige Gattinn, *)
eine der edlen, weiblichen Seelen, die ſo gern in den ſanften Empfindungen des Guten
und des Schoͤnen dahinſchmelzen, und keinen ſuͤßern Genuß ihres Daſeyns kennen.
Noch fließt ihre Thraͤne oft in dieſen einſamen Gebuͤſchen nieder; aber ihr Blick erhebt
ſich wieder mit ruhiger Sehnſucht zu den ſchoͤnern Gefilden der Unſterblichkeit empor,
worinn
*) Die Frau von Dewitz, geborne von Rumohr.
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/206>, abgerufen am 27.07.2024.
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