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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Einleitung.
Geschmack an der reizenden Einfalt der Natur. Sowohl die nach und nach zuneh-
mende Ueppigkeit und Prachtliebe, als auch der allmählig sich verfeinernde Geschmack
selbst, haben fast gleichen Antheil an der Einführung der Kunst in die Gärten. Da-
her die Mischung des Falschen mit dem Wahren, des Unschicklichen mit dem Schick-
lichen. Daher hat man mit künstlichen Gegenständen einen Gartenplatz eben so oft
dem einfach reizenden Gepräge der Natur entrissen, eben so oft ihn verunstaltet, als
ihm eine Verschönerung mitgetheilt, die seine Wirkung hebt.

Ein Theil dieser Gegenstände war schon in den Gärten der Alten, besonders
der Römer, zu sehen, welche Baukunst und Bildhauerey so gerne zur Befriedigung
ihrer Prachtliebe brauchten. Andere sind von den Franzosen, andere von den Brit-
ten
eingeführt, und zur allgemeinen Nachahmung gekommen. Sowohl die alte,
als auch die neue Manier bedient sich der Werke der Kunst, nur mit dem Unterschiede,
daß überhaupt betrachtet jene mehr Verschwendung und Unschicklichkeit, diese zwar
im Ganzen mehr Sparsamkeit und Auswahl, aber auch doch manche seltsame Ver-
irrungen zeigt.

Es ist Pflicht, bey diesen Untersuchungen sich zuvörderst vor allem Vorurtheil
zu verwahren, und sowohl auf der einen Seite die mancherley bisherigen Abweichun-
gen von dem Pfade des guten Geschmacks, die hier sichtbar werden, zu bemerken, als
auch auf der andern Seite den richtigen Gebrauch der Werke der Architektur und der
Bildhauerkunst bey ihrer Einführung in die Gärten zu bestimmen, zu entwickeln, ob
und in wie weit sie Mittel der Verschönerung und der Verstärkung der Eindrücke der
Naturscenen seyn können, ihre Lage, Einrichtung und Wirkungen zu zeigen, und neue
Aussichten von ihrer Anwendung zu eröffnen. Untersuchungen dieser Art hat man
bisher unterlassen, indem man es bequemer fand, blos der Mode, bald jener, bald
dieser, zu folgen. Es ist Zeit, die Werke der Kunst in den Gärten vor den Richter-
stuhl der Vernunft zu einer genauen Prüfung vorzuladen. Und da wir hier von man-
nigfaltigen Arten von Gebäuden, die man in den Gärten theils zu errichten pflegt,
theils noch erfinden kann, zu reden haben, so wird diese Untersuchung sich vornehmlich
auf ihre Verhältnisse gegen die Gartenkunst und auf einige Erfordernisse der Schön-

heit

Einleitung.
Geſchmack an der reizenden Einfalt der Natur. Sowohl die nach und nach zuneh-
mende Ueppigkeit und Prachtliebe, als auch der allmaͤhlig ſich verfeinernde Geſchmack
ſelbſt, haben faſt gleichen Antheil an der Einfuͤhrung der Kunſt in die Gaͤrten. Da-
her die Miſchung des Falſchen mit dem Wahren, des Unſchicklichen mit dem Schick-
lichen. Daher hat man mit kuͤnſtlichen Gegenſtaͤnden einen Gartenplatz eben ſo oft
dem einfach reizenden Gepraͤge der Natur entriſſen, eben ſo oft ihn verunſtaltet, als
ihm eine Verſchoͤnerung mitgetheilt, die ſeine Wirkung hebt.

Ein Theil dieſer Gegenſtaͤnde war ſchon in den Gaͤrten der Alten, beſonders
der Roͤmer, zu ſehen, welche Baukunſt und Bildhauerey ſo gerne zur Befriedigung
ihrer Prachtliebe brauchten. Andere ſind von den Franzoſen, andere von den Brit-
ten
eingefuͤhrt, und zur allgemeinen Nachahmung gekommen. Sowohl die alte,
als auch die neue Manier bedient ſich der Werke der Kunſt, nur mit dem Unterſchiede,
daß uͤberhaupt betrachtet jene mehr Verſchwendung und Unſchicklichkeit, dieſe zwar
im Ganzen mehr Sparſamkeit und Auswahl, aber auch doch manche ſeltſame Ver-
irrungen zeigt.

Es iſt Pflicht, bey dieſen Unterſuchungen ſich zuvoͤrderſt vor allem Vorurtheil
zu verwahren, und ſowohl auf der einen Seite die mancherley bisherigen Abweichun-
gen von dem Pfade des guten Geſchmacks, die hier ſichtbar werden, zu bemerken, als
auch auf der andern Seite den richtigen Gebrauch der Werke der Architektur und der
Bildhauerkunſt bey ihrer Einfuͤhrung in die Gaͤrten zu beſtimmen, zu entwickeln, ob
und in wie weit ſie Mittel der Verſchoͤnerung und der Verſtaͤrkung der Eindruͤcke der
Naturſcenen ſeyn koͤnnen, ihre Lage, Einrichtung und Wirkungen zu zeigen, und neue
Ausſichten von ihrer Anwendung zu eroͤffnen. Unterſuchungen dieſer Art hat man
bisher unterlaſſen, indem man es bequemer fand, blos der Mode, bald jener, bald
dieſer, zu folgen. Es iſt Zeit, die Werke der Kunſt in den Gaͤrten vor den Richter-
ſtuhl der Vernunft zu einer genauen Pruͤfung vorzuladen. Und da wir hier von man-
nigfaltigen Arten von Gebaͤuden, die man in den Gaͤrten theils zu errichten pflegt,
theils noch erfinden kann, zu reden haben, ſo wird dieſe Unterſuchung ſich vornehmlich
auf ihre Verhaͤltniſſe gegen die Gartenkunſt und auf einige Erforderniſſe der Schoͤn-

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[4/0008] Einleitung. Geſchmack an der reizenden Einfalt der Natur. Sowohl die nach und nach zuneh- mende Ueppigkeit und Prachtliebe, als auch der allmaͤhlig ſich verfeinernde Geſchmack ſelbſt, haben faſt gleichen Antheil an der Einfuͤhrung der Kunſt in die Gaͤrten. Da- her die Miſchung des Falſchen mit dem Wahren, des Unſchicklichen mit dem Schick- lichen. Daher hat man mit kuͤnſtlichen Gegenſtaͤnden einen Gartenplatz eben ſo oft dem einfach reizenden Gepraͤge der Natur entriſſen, eben ſo oft ihn verunſtaltet, als ihm eine Verſchoͤnerung mitgetheilt, die ſeine Wirkung hebt. Ein Theil dieſer Gegenſtaͤnde war ſchon in den Gaͤrten der Alten, beſonders der Roͤmer, zu ſehen, welche Baukunſt und Bildhauerey ſo gerne zur Befriedigung ihrer Prachtliebe brauchten. Andere ſind von den Franzoſen, andere von den Brit- ten eingefuͤhrt, und zur allgemeinen Nachahmung gekommen. Sowohl die alte, als auch die neue Manier bedient ſich der Werke der Kunſt, nur mit dem Unterſchiede, daß uͤberhaupt betrachtet jene mehr Verſchwendung und Unſchicklichkeit, dieſe zwar im Ganzen mehr Sparſamkeit und Auswahl, aber auch doch manche ſeltſame Ver- irrungen zeigt. Es iſt Pflicht, bey dieſen Unterſuchungen ſich zuvoͤrderſt vor allem Vorurtheil zu verwahren, und ſowohl auf der einen Seite die mancherley bisherigen Abweichun- gen von dem Pfade des guten Geſchmacks, die hier ſichtbar werden, zu bemerken, als auch auf der andern Seite den richtigen Gebrauch der Werke der Architektur und der Bildhauerkunſt bey ihrer Einfuͤhrung in die Gaͤrten zu beſtimmen, zu entwickeln, ob und in wie weit ſie Mittel der Verſchoͤnerung und der Verſtaͤrkung der Eindruͤcke der Naturſcenen ſeyn koͤnnen, ihre Lage, Einrichtung und Wirkungen zu zeigen, und neue Ausſichten von ihrer Anwendung zu eroͤffnen. Unterſuchungen dieſer Art hat man bisher unterlaſſen, indem man es bequemer fand, blos der Mode, bald jener, bald dieſer, zu folgen. Es iſt Zeit, die Werke der Kunſt in den Gaͤrten vor den Richter- ſtuhl der Vernunft zu einer genauen Pruͤfung vorzuladen. Und da wir hier von man- nigfaltigen Arten von Gebaͤuden, die man in den Gaͤrten theils zu errichten pflegt, theils noch erfinden kann, zu reden haben, ſo wird dieſe Unterſuchung ſich vornehmlich auf ihre Verhaͤltniſſe gegen die Gartenkunſt und auf einige Erforderniſſe der Schoͤn- heit

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/8>, abgerufen am 24.11.2024.