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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Anhang. Beschreibungen

Mit Vergnügen bemerkt man in den Anlagen die Anpflanzungen von schönen
Obstbäumen, die in manchen Gärten dieser Art aus einem seltsamen Vorurtheil ver-
drängt werden. Schon deswegen, weil sie durch die Blätter die Mannigfaltigkeit
vermehren helfen, verdienen sie mit Recht ihre Stelle, und sie machen sich fast unent-
behrlich durch die Schönheit der Blüte und durch die angenehmen Erwartungen ihrer
Früchte, die mit der allmähligen Reifung so lange den Baum zieren, bis er als ein
geliebter Wohlthäter seine Geschenke giebt.

Auf verschiedenen Grasplätzen trifft man ländliche Spiele an, womit sich der
Liebhaber belustigen kann, als Caroussel, Schaukel, Wurfspiel, Wippen; sie veran-
lassen Leibesübungen, die schon die Römer in ihren Gärten liebten. Außerdem hat
man Belustigungen mit Wasserfahrten, mit Fischen und mit Jagen in der umliegen-
den Landschaft, die eine Menge von mancherley Wild nährt.

Indessen, wer an Ergötzungen dieser Art keinen Geschmack findet, der hat noch
außer der eigentlichen Gränze des Gartens eine Menge von weiten Spaziergängen,
auf welchen er zur Bewegung und zum Genuß eines mannigfaltigen Vergnügens um-
herschweifen kann. Schon sind die umliegenden ausgedehnten Gegenden auf der süd-
lichen Seite des Gartens mit ihm durch Spaziergänge verbunden, die eine Folge von
anmuthigen immer abwechselnden Naturscenen, mit bescheidenem Geschmack unter-
stützt, erscheinen lassen; und die Verschönerungslinie wird sich noch durch manches un-
gebahnte Revier erstrecken. Wir wollen aus der Menge dieser Spaziergänge nur ei-
nige verfolgen.

Geht man vom herrschaftlichen Wohnhause weg queer durch die dunkle Tannen-
allee, so kommt man über eine Brücke in eine gerade sehr lange Allee von Linden, die
durch die Wegnehmung eines Rasens, der in der Mitte hinauflief, ein viel größeres
Ansehen gewonnen hat, und sich mit Quitschern endigt. Zu beyden Seiten erblickt
man abwechselnd Feld und Wiesen, die von Waldungen begränzt werden. Bald zur
Rechten wird man von einer unerwarteten Durchsicht auf ein sehr langes schmales
Wiesenstück, das sich zwischen Ellern und Birken hinstrecket, und wo oft Rehe wei-
den, überrascht. Auf dieser Seite folgen noch zwo andre solcher anmuthigen Oeffnun-
gen von Wildbahnen. Man wandelt nachher unter dem Schatten, womit zu beyden
Seiten anstoßende hohe und dichte Gehölze den Lindengang überdämmern. Die Län-
ge dieser Allee verursacht, daß die Aussicht nach beyden Enden zu in eine tiefe Dun-
kelheit dahin sinkt. Sie läuft über den Fahrweg von Dannenberg, der sich links
zwischen Eichen nach Brese schlängelt. Indem man den Fahrweg überschreitet,
kommt man über eine Brücke in einen Gang zwischen Quitschern; zur Linken eine rei-

zende
Anhang. Beſchreibungen

Mit Vergnuͤgen bemerkt man in den Anlagen die Anpflanzungen von ſchoͤnen
Obſtbaͤumen, die in manchen Gaͤrten dieſer Art aus einem ſeltſamen Vorurtheil ver-
draͤngt werden. Schon deswegen, weil ſie durch die Blaͤtter die Mannigfaltigkeit
vermehren helfen, verdienen ſie mit Recht ihre Stelle, und ſie machen ſich faſt unent-
behrlich durch die Schoͤnheit der Bluͤte und durch die angenehmen Erwartungen ihrer
Fruͤchte, die mit der allmaͤhligen Reifung ſo lange den Baum zieren, bis er als ein
geliebter Wohlthaͤter ſeine Geſchenke giebt.

Auf verſchiedenen Grasplaͤtzen trifft man laͤndliche Spiele an, womit ſich der
Liebhaber beluſtigen kann, als Carouſſel, Schaukel, Wurfſpiel, Wippen; ſie veran-
laſſen Leibesuͤbungen, die ſchon die Roͤmer in ihren Gaͤrten liebten. Außerdem hat
man Beluſtigungen mit Waſſerfahrten, mit Fiſchen und mit Jagen in der umliegen-
den Landſchaft, die eine Menge von mancherley Wild naͤhrt.

Indeſſen, wer an Ergoͤtzungen dieſer Art keinen Geſchmack findet, der hat noch
außer der eigentlichen Graͤnze des Gartens eine Menge von weiten Spaziergaͤngen,
auf welchen er zur Bewegung und zum Genuß eines mannigfaltigen Vergnuͤgens um-
herſchweifen kann. Schon ſind die umliegenden ausgedehnten Gegenden auf der ſuͤd-
lichen Seite des Gartens mit ihm durch Spaziergaͤnge verbunden, die eine Folge von
anmuthigen immer abwechſelnden Naturſcenen, mit beſcheidenem Geſchmack unter-
ſtuͤtzt, erſcheinen laſſen; und die Verſchoͤnerungslinie wird ſich noch durch manches un-
gebahnte Revier erſtrecken. Wir wollen aus der Menge dieſer Spaziergaͤnge nur ei-
nige verfolgen.

Geht man vom herrſchaftlichen Wohnhauſe weg queer durch die dunkle Tannen-
allee, ſo kommt man uͤber eine Bruͤcke in eine gerade ſehr lange Allee von Linden, die
durch die Wegnehmung eines Raſens, der in der Mitte hinauflief, ein viel groͤßeres
Anſehen gewonnen hat, und ſich mit Quitſchern endigt. Zu beyden Seiten erblickt
man abwechſelnd Feld und Wieſen, die von Waldungen begraͤnzt werden. Bald zur
Rechten wird man von einer unerwarteten Durchſicht auf ein ſehr langes ſchmales
Wieſenſtuͤck, das ſich zwiſchen Ellern und Birken hinſtrecket, und wo oft Rehe wei-
den, uͤberraſcht. Auf dieſer Seite folgen noch zwo andre ſolcher anmuthigen Oeffnun-
gen von Wildbahnen. Man wandelt nachher unter dem Schatten, womit zu beyden
Seiten anſtoßende hohe und dichte Gehoͤlze den Lindengang uͤberdaͤmmern. Die Laͤn-
ge dieſer Allee verurſacht, daß die Ausſicht nach beyden Enden zu in eine tiefe Dun-
kelheit dahin ſinkt. Sie laͤuft uͤber den Fahrweg von Dannenberg, der ſich links
zwiſchen Eichen nach Breſe ſchlaͤngelt. Indem man den Fahrweg uͤberſchreitet,
kommt man uͤber eine Bruͤcke in einen Gang zwiſchen Quitſchern; zur Linken eine rei-

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[242/0253] Anhang. Beſchreibungen Mit Vergnuͤgen bemerkt man in den Anlagen die Anpflanzungen von ſchoͤnen Obſtbaͤumen, die in manchen Gaͤrten dieſer Art aus einem ſeltſamen Vorurtheil ver- draͤngt werden. Schon deswegen, weil ſie durch die Blaͤtter die Mannigfaltigkeit vermehren helfen, verdienen ſie mit Recht ihre Stelle, und ſie machen ſich faſt unent- behrlich durch die Schoͤnheit der Bluͤte und durch die angenehmen Erwartungen ihrer Fruͤchte, die mit der allmaͤhligen Reifung ſo lange den Baum zieren, bis er als ein geliebter Wohlthaͤter ſeine Geſchenke giebt. Auf verſchiedenen Grasplaͤtzen trifft man laͤndliche Spiele an, womit ſich der Liebhaber beluſtigen kann, als Carouſſel, Schaukel, Wurfſpiel, Wippen; ſie veran- laſſen Leibesuͤbungen, die ſchon die Roͤmer in ihren Gaͤrten liebten. Außerdem hat man Beluſtigungen mit Waſſerfahrten, mit Fiſchen und mit Jagen in der umliegen- den Landſchaft, die eine Menge von mancherley Wild naͤhrt. Indeſſen, wer an Ergoͤtzungen dieſer Art keinen Geſchmack findet, der hat noch außer der eigentlichen Graͤnze des Gartens eine Menge von weiten Spaziergaͤngen, auf welchen er zur Bewegung und zum Genuß eines mannigfaltigen Vergnuͤgens um- herſchweifen kann. Schon ſind die umliegenden ausgedehnten Gegenden auf der ſuͤd- lichen Seite des Gartens mit ihm durch Spaziergaͤnge verbunden, die eine Folge von anmuthigen immer abwechſelnden Naturſcenen, mit beſcheidenem Geſchmack unter- ſtuͤtzt, erſcheinen laſſen; und die Verſchoͤnerungslinie wird ſich noch durch manches un- gebahnte Revier erſtrecken. Wir wollen aus der Menge dieſer Spaziergaͤnge nur ei- nige verfolgen. Geht man vom herrſchaftlichen Wohnhauſe weg queer durch die dunkle Tannen- allee, ſo kommt man uͤber eine Bruͤcke in eine gerade ſehr lange Allee von Linden, die durch die Wegnehmung eines Raſens, der in der Mitte hinauflief, ein viel groͤßeres Anſehen gewonnen hat, und ſich mit Quitſchern endigt. Zu beyden Seiten erblickt man abwechſelnd Feld und Wieſen, die von Waldungen begraͤnzt werden. Bald zur Rechten wird man von einer unerwarteten Durchſicht auf ein ſehr langes ſchmales Wieſenſtuͤck, das ſich zwiſchen Ellern und Birken hinſtrecket, und wo oft Rehe wei- den, uͤberraſcht. Auf dieſer Seite folgen noch zwo andre ſolcher anmuthigen Oeffnun- gen von Wildbahnen. Man wandelt nachher unter dem Schatten, womit zu beyden Seiten anſtoßende hohe und dichte Gehoͤlze den Lindengang uͤberdaͤmmern. Die Laͤn- ge dieſer Allee verurſacht, daß die Ausſicht nach beyden Enden zu in eine tiefe Dun- kelheit dahin ſinkt. Sie laͤuft uͤber den Fahrweg von Dannenberg, der ſich links zwiſchen Eichen nach Breſe ſchlaͤngelt. Indem man den Fahrweg uͤberſchreitet, kommt man uͤber eine Bruͤcke in einen Gang zwiſchen Quitſchern; zur Linken eine rei- zende

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/253>, abgerufen am 25.11.2024.