Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.von Lustschlössern. Welche Schauspiele! Allmächtige Natur! Sie erhebt sich, deine Königinn, und einvorlaufender Schimmer, der ihre Annäherung verkündigt, erheitert den östlichen Himmel und die um ihn wallenden Wellen, die ihn zu bespülen scheinen. Flim- mernde Lichter zünden sich immer mehr und immer heller am Horizont an, und wer- fen über die weißen Flächen hin lange Streifen. Die wechselnden Gemälde, die das steigende Licht in den kleinen Gewölken bildet, die hin und wieder noch am Himmel zu schlummern scheinen, spiegeln sich in der klaren Fluth; und allmählig sich erhebende Lüfte fangen an, ihren Stand und ihre Gestalten zu verändern. Und nun steigt sie empor, die Sonne, in der ganzen Herrlichkeit ihres Lichts. Ein blendendes Feuer schießt über das Meer herüber; die Wellen dieses Bezirks fangen an zu glühen; Glanz und Schimmer zerstreuen sich seitwärts über die ungeheuern Flächen dahin; überall empfangen die weißen Segel die Begrüßungen des Lichts; und in der Ferne am Horizont werden ungesehene Masten wieder sichtbar. Von der erleuchteten Höhe der umliegenden Ufer erschallt das Gebrüll der Heerden, und in ihrer Tiefe erneuern sich wieder die Geschäfte zufriedener Fischer. Man wird gereizt, nicht blos die erha- bene Schönheit, sondern auch die Glückseligkeit zu empfinden, die dem Auge in diesen Aussichten begegnet. Tutus bos etenim rura perambulat; Das Lustschloß ist **) in einem sehr edlen Geschmack gebauet, und hat ein Die Vorderseite des Schlosses hat drey Thüren, wovon die mittlere, als der von *) Hora#. Lib. IV. Od. V. **) Im Jahr 1744. Eine Abbildung davon ist im 2ten B. dieses Werks S. 11.
von Luſtſchloͤſſern. Welche Schauſpiele! Allmaͤchtige Natur! Sie erhebt ſich, deine Koͤniginn, und einvorlaufender Schimmer, der ihre Annaͤherung verkuͤndigt, erheitert den oͤſtlichen Himmel und die um ihn wallenden Wellen, die ihn zu beſpuͤlen ſcheinen. Flim- mernde Lichter zuͤnden ſich immer mehr und immer heller am Horizont an, und wer- fen uͤber die weißen Flaͤchen hin lange Streifen. Die wechſelnden Gemaͤlde, die das ſteigende Licht in den kleinen Gewoͤlken bildet, die hin und wieder noch am Himmel zu ſchlummern ſcheinen, ſpiegeln ſich in der klaren Fluth; und allmaͤhlig ſich erhebende Luͤfte fangen an, ihren Stand und ihre Geſtalten zu veraͤndern. Und nun ſteigt ſie empor, die Sonne, in der ganzen Herrlichkeit ihres Lichts. Ein blendendes Feuer ſchießt uͤber das Meer heruͤber; die Wellen dieſes Bezirks fangen an zu gluͤhen; Glanz und Schimmer zerſtreuen ſich ſeitwaͤrts uͤber die ungeheuern Flaͤchen dahin; uͤberall empfangen die weißen Segel die Begruͤßungen des Lichts; und in der Ferne am Horizont werden ungeſehene Maſten wieder ſichtbar. Von der erleuchteten Hoͤhe der umliegenden Ufer erſchallt das Gebruͤll der Heerden, und in ihrer Tiefe erneuern ſich wieder die Geſchaͤfte zufriedener Fiſcher. Man wird gereizt, nicht blos die erha- bene Schoͤnheit, ſondern auch die Gluͤckſeligkeit zu empfinden, die dem Auge in dieſen Ausſichten begegnet. Tutus bos etenim rura perambulat; Das Luſtſchloß iſt **) in einem ſehr edlen Geſchmack gebauet, und hat ein Die Vorderſeite des Schloſſes hat drey Thuͤren, wovon die mittlere, als der von *) Hora#. Lib. IV. Od. V. **) Im Jahr 1744. Eine Abbildung davon iſt im 2ten B. dieſes Werks S. 11.
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von Luſtſchloͤſſern.
Welche Schauſpiele! Allmaͤchtige Natur! Sie erhebt ſich, deine Koͤniginn, und ein
vorlaufender Schimmer, der ihre Annaͤherung verkuͤndigt, erheitert den oͤſtlichen
Himmel und die um ihn wallenden Wellen, die ihn zu beſpuͤlen ſcheinen. Flim-
mernde Lichter zuͤnden ſich immer mehr und immer heller am Horizont an, und wer-
fen uͤber die weißen Flaͤchen hin lange Streifen. Die wechſelnden Gemaͤlde, die das
ſteigende Licht in den kleinen Gewoͤlken bildet, die hin und wieder noch am Himmel
zu ſchlummern ſcheinen, ſpiegeln ſich in der klaren Fluth; und allmaͤhlig ſich erhebende
Luͤfte fangen an, ihren Stand und ihre Geſtalten zu veraͤndern. Und nun ſteigt ſie
empor, die Sonne, in der ganzen Herrlichkeit ihres Lichts. Ein blendendes Feuer
ſchießt uͤber das Meer heruͤber; die Wellen dieſes Bezirks fangen an zu gluͤhen;
Glanz und Schimmer zerſtreuen ſich ſeitwaͤrts uͤber die ungeheuern Flaͤchen dahin;
uͤberall empfangen die weißen Segel die Begruͤßungen des Lichts; und in der Ferne
am Horizont werden ungeſehene Maſten wieder ſichtbar. Von der erleuchteten Hoͤhe
der umliegenden Ufer erſchallt das Gebruͤll der Heerden, und in ihrer Tiefe erneuern
ſich wieder die Geſchaͤfte zufriedener Fiſcher. Man wird gereizt, nicht blos die erha-
bene Schoͤnheit, ſondern auch die Gluͤckſeligkeit zu empfinden, die dem Auge in dieſen
Ausſichten begegnet.
Tutus bos etenim rura perambulat;
Nutrit rura Ceres, almaque Fauſtitas;
Pacatum volitant per mare navitae;
Culpari metuit fides. *)
Das Luſtſchloß iſt **) in einem ſehr edlen Geſchmack gebauet, und hat ein
großes und praͤchtiges Anſehen. Es macht ein laͤngliches Viereck von zwey Stock-
werken und mit zwey Fluͤgeln; das mittlere Hauptgebaͤude iſt mit einer Kupel ge-
kroͤnt. Der weiße Anwurf des Gebaͤudes und das blaue Dach machen es nicht we-
niger, wie die Lage, zu einem vortrefflichen Gegenſtande im Proſpect, beſonders fuͤr
das Auge der Voruͤberſegelnden.
Die Vorderſeite des Schloſſes hat drey Thuͤren, wovon die mittlere, als der
Haupteingang, in einen ſchoͤnen Saal fuͤhrt. Ueber ihm, in der Mitte des obern
Stockwerks, liegt ein anderer praͤchtiger Saal, mit Blumenmalereyen geſchmuͤckt,
vorne mit der freyen Ausſicht auf das Meer und hinten auf den Garten, den angraͤn-
zenden Luſtwald und die benachbarten Waldungen, aus welchen das weiße Landhaus
von
*) Hora#. Lib. IV. Od. V.
**) Im Jahr 1744. Eine Abbildung davon iſt im 2ten B. dieſes Werks S. 11.
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