Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Anhang. Beschreibungen busen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die diesseitigen fruchtbaren undmit schöner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. -- Doch diese Aussichten, die einzigen von dieser Art in Europa, übersteigen alle Beschreibung; man muß sie schauen, um ihre Größe zu fühlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schönheiten, die sonst bezaubern und hier verschwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund, wo umhergrasende Heerden zwischen den grünen Abhängen ein sanftes Landschaftgemäl- de vollenden, die Wiesen und die zerstreueten Gärten und Häuser in der Tiefe, die frohen Lieder der Vögel in den Bäumen, welche die Spitze des Hügels krönen. Das Auge schweift über Meere und Landschaften hinaus, und die Einbildungskraft schwelgt in der unermeßlichen Größe dieser Scenen. Bey aller ihrer Ausdehnung sind sie doch dem Auge nahe, das sie gleich sieht, Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet sich solcher prächti- Von
Anhang. Beſchreibungen buſen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die dieſſeitigen fruchtbaren undmit ſchoͤner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. — Doch dieſe Ausſichten, die einzigen von dieſer Art in Europa, uͤberſteigen alle Beſchreibung; man muß ſie ſchauen, um ihre Groͤße zu fuͤhlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schoͤnheiten, die ſonſt bezaubern und hier verſchwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund, wo umhergraſende Heerden zwiſchen den gruͤnen Abhaͤngen ein ſanftes Landſchaftgemaͤl- de vollenden, die Wieſen und die zerſtreueten Gaͤrten und Haͤuſer in der Tiefe, die frohen Lieder der Voͤgel in den Baͤumen, welche die Spitze des Huͤgels kroͤnen. Das Auge ſchweift uͤber Meere und Landſchaften hinaus, und die Einbildungskraft ſchwelgt in der unermeßlichen Groͤße dieſer Scenen. Bey aller ihrer Ausdehnung ſind ſie doch dem Auge nahe, das ſie gleich ſieht, Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet ſich ſolcher praͤchti- Von
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0223" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anhang. Beſchreibungen</hi></fw><lb/> buſen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die dieſſeitigen fruchtbaren und<lb/> mit ſchoͤner Waldung bekleideten Ufer von <hi rendition="#fr">Seeland.</hi> — Doch dieſe Ausſichten, die<lb/> einzigen von dieſer Art in <hi rendition="#fr">Europa,</hi> uͤberſteigen alle Beſchreibung; man muß ſie<lb/> ſchauen, um ihre Groͤße zu fuͤhlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schoͤnheiten,<lb/> die ſonſt bezaubern und hier verſchwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund,<lb/> wo umhergraſende Heerden zwiſchen den gruͤnen Abhaͤngen ein ſanftes Landſchaftgemaͤl-<lb/> de vollenden, die Wieſen und die zerſtreueten Gaͤrten und Haͤuſer in der Tiefe, die<lb/> frohen Lieder der Voͤgel in den Baͤumen, welche die Spitze des Huͤgels kroͤnen. Das<lb/> Auge ſchweift uͤber Meere und Landſchaften hinaus, und die Einbildungskraft ſchwelgt<lb/> in der unermeßlichen Groͤße dieſer Scenen.</p><lb/> <p>Bey aller ihrer Ausdehnung ſind ſie doch dem Auge nahe, das ſie gleich ſieht,<lb/> ohne ſie muͤhſam in der Ferne ſuchen zu duͤrfen; und auf der Hoͤhe, wovon man ſie<lb/> genießt, erkauft man ſie weder durch Ermuͤdung, noch durch Schwindel. Sie ſind<lb/> groß, ohne ſchrecklich zu ſeyn; praͤchtig, und doch immer unterhaltend. Die wech-<lb/> ſelnden Lichter des Himmels, ſein heiteres Blau oder die abaͤndernden Gemaͤlde der<lb/> Wolken, der Schlaf des Meeres oder ſein brauſendes Erwachen, ſeine aufſchaͤumen-<lb/> den, ſich aufthuͤrmenden, ſich gewaltſam fortſchlagenden Wellen, das Getoͤſe der<lb/> Winde, das Geſchrey der ſich umherwaͤlzenden Seevoͤgel, die unaufhoͤrlichen Bewe-<lb/> gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre ſieben bis achttauſend, und zuweilen an<lb/> einem Tage drey bis vierhundert dieſe Straße durchſegeln — alle dieſe Zufaͤlligkeiten<lb/> geben dieſen Scenen Leben und Abwechſelung, und begleiten ihre Groͤße mit neuen<lb/> Wirkungen.</p><lb/> <p>Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet ſich ſolcher praͤchti-<lb/> gen Durchzuͤge von Schiffen, als dieſe nicht ſelten auf einmal hat. Oft verſammeln<lb/> ſich an vierhundert Segel, die auf einen guͤnſtigen Wind zum Durchgang warten,<lb/> und deren ruhende Maſten einen meilenlangen Wald zu bilden ſcheinen. Der Wind<lb/> erhebt ſich, die Segel ſchwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine<lb/> ſchwimmende Stadt naͤhert ſich mit majeſtaͤtiſcher Pracht, die Begruͤßungen ihrer<lb/> Kanonen, die dem Schloſſe <hi rendition="#fr">Kronenburg</hi> huldigen, erſchallen von allen Seiten,<lb/> der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die maͤchtigſten Elemente, das Waſſer<lb/> und das Feuer, ſcheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf ſteigt aus den<lb/> weißſchaͤumenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Maſten den Wol-<lb/> ken zu; das ſtolze Gefuͤhl der <hi rendition="#fr">daͤniſchen</hi> Herrſchaft uͤber den <hi rendition="#fr">Sund</hi> erhebt die Bruſt<lb/> des Patrioten.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0223]
Anhang. Beſchreibungen
buſen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die dieſſeitigen fruchtbaren und
mit ſchoͤner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. — Doch dieſe Ausſichten, die
einzigen von dieſer Art in Europa, uͤberſteigen alle Beſchreibung; man muß ſie
ſchauen, um ihre Groͤße zu fuͤhlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schoͤnheiten,
die ſonſt bezaubern und hier verſchwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund,
wo umhergraſende Heerden zwiſchen den gruͤnen Abhaͤngen ein ſanftes Landſchaftgemaͤl-
de vollenden, die Wieſen und die zerſtreueten Gaͤrten und Haͤuſer in der Tiefe, die
frohen Lieder der Voͤgel in den Baͤumen, welche die Spitze des Huͤgels kroͤnen. Das
Auge ſchweift uͤber Meere und Landſchaften hinaus, und die Einbildungskraft ſchwelgt
in der unermeßlichen Groͤße dieſer Scenen.
Bey aller ihrer Ausdehnung ſind ſie doch dem Auge nahe, das ſie gleich ſieht,
ohne ſie muͤhſam in der Ferne ſuchen zu duͤrfen; und auf der Hoͤhe, wovon man ſie
genießt, erkauft man ſie weder durch Ermuͤdung, noch durch Schwindel. Sie ſind
groß, ohne ſchrecklich zu ſeyn; praͤchtig, und doch immer unterhaltend. Die wech-
ſelnden Lichter des Himmels, ſein heiteres Blau oder die abaͤndernden Gemaͤlde der
Wolken, der Schlaf des Meeres oder ſein brauſendes Erwachen, ſeine aufſchaͤumen-
den, ſich aufthuͤrmenden, ſich gewaltſam fortſchlagenden Wellen, das Getoͤſe der
Winde, das Geſchrey der ſich umherwaͤlzenden Seevoͤgel, die unaufhoͤrlichen Bewe-
gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre ſieben bis achttauſend, und zuweilen an
einem Tage drey bis vierhundert dieſe Straße durchſegeln — alle dieſe Zufaͤlligkeiten
geben dieſen Scenen Leben und Abwechſelung, und begleiten ihre Groͤße mit neuen
Wirkungen.
Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet ſich ſolcher praͤchti-
gen Durchzuͤge von Schiffen, als dieſe nicht ſelten auf einmal hat. Oft verſammeln
ſich an vierhundert Segel, die auf einen guͤnſtigen Wind zum Durchgang warten,
und deren ruhende Maſten einen meilenlangen Wald zu bilden ſcheinen. Der Wind
erhebt ſich, die Segel ſchwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine
ſchwimmende Stadt naͤhert ſich mit majeſtaͤtiſcher Pracht, die Begruͤßungen ihrer
Kanonen, die dem Schloſſe Kronenburg huldigen, erſchallen von allen Seiten,
der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die maͤchtigſten Elemente, das Waſſer
und das Feuer, ſcheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf ſteigt aus den
weißſchaͤumenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Maſten den Wol-
ken zu; das ſtolze Gefuͤhl der daͤniſchen Herrſchaft uͤber den Sund erhebt die Bruſt
des Patrioten.
Von
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |