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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt. Von Statüen,
Diese verschwenderische Zusammenhäufung der Statüen ward nicht blos in Frank-
reich
Mode, sondern auch in andern Ländern nachgeahmt. Italien folgte desto
williger, da es nicht blos so viele Reste der alten Bildhauerkunst aus seinem Schoos
hervorzog, sondern auch zuerst sich mit den Werken der neuern Künstler bereichert sah.
In einem Lande, wo Kirchen und Paläste mit den Meisterwerken der Künste ange-
füllt sind, wo der Marmor unter einem heitern Himmel länger sich unbeschädigt in
seiner Schönheit erhält, mußten die Gärten bald öffentliche Sammelplätze von Sta-
tüen und Büsten werden. Unter den übrigen Nationen, die gute Kunstwerke dieser
Art mit vielen Kosten aufkauften, besaßen die Engländer den größten Vorrath; und
doch hat sich keine weniger bemühet, sie in den Gärten auszustellen. Mäßig war
der Holländer, weil er, bey dem Reichthum seiner Gemälde, weniger auf Statüen
rechnete, sie weder holen zu lassen Enthusiasmus oder Stolz hatte, noch sie von eigenen
Künstlern erschaffen sah. In Deutschland und Norden suchte man die Gärten
mit Statüen, wie mit Taxusbäumen, zu bepflanzen; man hatte, einige Ausnahmen
in fürstlichen Gärten jetzt nicht gerechnet, weder antike noch neue Werke im guten Ge-
schmack; und verschwendete für gemeine Klötze beträchtliche Summen. Von dem
reichsten Landbesitzer bis auf den kleinsten Krämer in den Flecken, herrschte unter uns
der Wahn, daß Klumpen, die man mit dem Namen Statüen beehrte, erfordert
würden, um einen Garten recht schön nennen zu können. Daher so viele unerträgliche
Puppenspiele und unförmliche Klötze, ein Herkules einen halben Fuß hoch niedlich
aus Bley gebogen, ein Bacchus aus einem Eichenstamm wie ein baumhoher und
betrunkener Landknecht gebildet, und andere ekelhafte Vorstellungen mehr, die man
zuweilen wider Vermuthen in den Gärten des Adels antraf. Wenn man bedenkt,
wie wenig erhebliche Werke des Meißels Deutschland von eigenen Künstlern selbst an
seinen vornehmsten Höfen aufzuweisen hat, wie weit wir, in der Verewigung unserer
einheimischen Verdienste durch trefliche Statüen von der Hand der Nation gearbeitet,
gegen Italien und Frankreich noch zurückstehen; so darf man sich eben nicht wun-
dern, daß von den so genannten Statüen, die man in unsern Gärten für unentbehrlich
hielt, die meisten nur gemeine aus Stein oder Holz grob gehauene Klötze waren, ohne
Schönheit, ohne Ausdruck und selbst oft ohne die geringste Zeichnung. Der Ken-
ner würde vielleicht der Verschwendung verziehen haben, wenn er nur Werke gefunden
hätte, die der Kunst Ehre machten; denn Statüen von dieser Classe lassen sich ohne
einen beträchtlichen Aufwand nicht aufstellen.

Vornehmlich aber verstieß der ältere Geschmack mit seinen Statüen sowohl ge-
gen die Einfalt, als auch gegen den Charakter der Gärten. Es gab Gärten, worinn
man es für eine vorzügliche Schönheit zu halten schien, daß eine Statüe die andere

berühre,

Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Dieſe verſchwenderiſche Zuſammenhaͤufung der Statuͤen ward nicht blos in Frank-
reich
Mode, ſondern auch in andern Laͤndern nachgeahmt. Italien folgte deſto
williger, da es nicht blos ſo viele Reſte der alten Bildhauerkunſt aus ſeinem Schoos
hervorzog, ſondern auch zuerſt ſich mit den Werken der neuern Kuͤnſtler bereichert ſah.
In einem Lande, wo Kirchen und Palaͤſte mit den Meiſterwerken der Kuͤnſte ange-
fuͤllt ſind, wo der Marmor unter einem heitern Himmel laͤnger ſich unbeſchaͤdigt in
ſeiner Schoͤnheit erhaͤlt, mußten die Gaͤrten bald oͤffentliche Sammelplaͤtze von Sta-
tuͤen und Buͤſten werden. Unter den uͤbrigen Nationen, die gute Kunſtwerke dieſer
Art mit vielen Koſten aufkauften, beſaßen die Englaͤnder den groͤßten Vorrath; und
doch hat ſich keine weniger bemuͤhet, ſie in den Gaͤrten auszuſtellen. Maͤßig war
der Hollaͤnder, weil er, bey dem Reichthum ſeiner Gemaͤlde, weniger auf Statuͤen
rechnete, ſie weder holen zu laſſen Enthuſiaſmus oder Stolz hatte, noch ſie von eigenen
Kuͤnſtlern erſchaffen ſah. In Deutſchland und Norden ſuchte man die Gaͤrten
mit Statuͤen, wie mit Taxusbaͤumen, zu bepflanzen; man hatte, einige Ausnahmen
in fuͤrſtlichen Gaͤrten jetzt nicht gerechnet, weder antike noch neue Werke im guten Ge-
ſchmack; und verſchwendete fuͤr gemeine Kloͤtze betraͤchtliche Summen. Von dem
reichſten Landbeſitzer bis auf den kleinſten Kraͤmer in den Flecken, herrſchte unter uns
der Wahn, daß Klumpen, die man mit dem Namen Statuͤen beehrte, erfordert
wuͤrden, um einen Garten recht ſchoͤn nennen zu koͤnnen. Daher ſo viele unertraͤgliche
Puppenſpiele und unfoͤrmliche Kloͤtze, ein Herkules einen halben Fuß hoch niedlich
aus Bley gebogen, ein Bacchus aus einem Eichenſtamm wie ein baumhoher und
betrunkener Landknecht gebildet, und andere ekelhafte Vorſtellungen mehr, die man
zuweilen wider Vermuthen in den Gaͤrten des Adels antraf. Wenn man bedenkt,
wie wenig erhebliche Werke des Meißels Deutſchland von eigenen Kuͤnſtlern ſelbſt an
ſeinen vornehmſten Hoͤfen aufzuweiſen hat, wie weit wir, in der Verewigung unſerer
einheimiſchen Verdienſte durch trefliche Statuͤen von der Hand der Nation gearbeitet,
gegen Italien und Frankreich noch zuruͤckſtehen; ſo darf man ſich eben nicht wun-
dern, daß von den ſo genannten Statuͤen, die man in unſern Gaͤrten fuͤr unentbehrlich
hielt, die meiſten nur gemeine aus Stein oder Holz grob gehauene Kloͤtze waren, ohne
Schoͤnheit, ohne Ausdruck und ſelbſt oft ohne die geringſte Zeichnung. Der Ken-
ner wuͤrde vielleicht der Verſchwendung verziehen haben, wenn er nur Werke gefunden
haͤtte, die der Kunſt Ehre machten; denn Statuͤen von dieſer Claſſe laſſen ſich ohne
einen betraͤchtlichen Aufwand nicht aufſtellen.

Vornehmlich aber verſtieß der aͤltere Geſchmack mit ſeinen Statuͤen ſowohl ge-
gen die Einfalt, als auch gegen den Charakter der Gaͤrten. Es gab Gaͤrten, worinn
man es fuͤr eine vorzuͤgliche Schoͤnheit zu halten ſchien, daß eine Statuͤe die andere

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[128/0132] Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, Dieſe verſchwenderiſche Zuſammenhaͤufung der Statuͤen ward nicht blos in Frank- reich Mode, ſondern auch in andern Laͤndern nachgeahmt. Italien folgte deſto williger, da es nicht blos ſo viele Reſte der alten Bildhauerkunſt aus ſeinem Schoos hervorzog, ſondern auch zuerſt ſich mit den Werken der neuern Kuͤnſtler bereichert ſah. In einem Lande, wo Kirchen und Palaͤſte mit den Meiſterwerken der Kuͤnſte ange- fuͤllt ſind, wo der Marmor unter einem heitern Himmel laͤnger ſich unbeſchaͤdigt in ſeiner Schoͤnheit erhaͤlt, mußten die Gaͤrten bald oͤffentliche Sammelplaͤtze von Sta- tuͤen und Buͤſten werden. Unter den uͤbrigen Nationen, die gute Kunſtwerke dieſer Art mit vielen Koſten aufkauften, beſaßen die Englaͤnder den groͤßten Vorrath; und doch hat ſich keine weniger bemuͤhet, ſie in den Gaͤrten auszuſtellen. Maͤßig war der Hollaͤnder, weil er, bey dem Reichthum ſeiner Gemaͤlde, weniger auf Statuͤen rechnete, ſie weder holen zu laſſen Enthuſiaſmus oder Stolz hatte, noch ſie von eigenen Kuͤnſtlern erſchaffen ſah. In Deutſchland und Norden ſuchte man die Gaͤrten mit Statuͤen, wie mit Taxusbaͤumen, zu bepflanzen; man hatte, einige Ausnahmen in fuͤrſtlichen Gaͤrten jetzt nicht gerechnet, weder antike noch neue Werke im guten Ge- ſchmack; und verſchwendete fuͤr gemeine Kloͤtze betraͤchtliche Summen. Von dem reichſten Landbeſitzer bis auf den kleinſten Kraͤmer in den Flecken, herrſchte unter uns der Wahn, daß Klumpen, die man mit dem Namen Statuͤen beehrte, erfordert wuͤrden, um einen Garten recht ſchoͤn nennen zu koͤnnen. Daher ſo viele unertraͤgliche Puppenſpiele und unfoͤrmliche Kloͤtze, ein Herkules einen halben Fuß hoch niedlich aus Bley gebogen, ein Bacchus aus einem Eichenſtamm wie ein baumhoher und betrunkener Landknecht gebildet, und andere ekelhafte Vorſtellungen mehr, die man zuweilen wider Vermuthen in den Gaͤrten des Adels antraf. Wenn man bedenkt, wie wenig erhebliche Werke des Meißels Deutſchland von eigenen Kuͤnſtlern ſelbſt an ſeinen vornehmſten Hoͤfen aufzuweiſen hat, wie weit wir, in der Verewigung unſerer einheimiſchen Verdienſte durch trefliche Statuͤen von der Hand der Nation gearbeitet, gegen Italien und Frankreich noch zuruͤckſtehen; ſo darf man ſich eben nicht wun- dern, daß von den ſo genannten Statuͤen, die man in unſern Gaͤrten fuͤr unentbehrlich hielt, die meiſten nur gemeine aus Stein oder Holz grob gehauene Kloͤtze waren, ohne Schoͤnheit, ohne Ausdruck und ſelbſt oft ohne die geringſte Zeichnung. Der Ken- ner wuͤrde vielleicht der Verſchwendung verziehen haben, wenn er nur Werke gefunden haͤtte, die der Kunſt Ehre machten; denn Statuͤen von dieſer Claſſe laſſen ſich ohne einen betraͤchtlichen Aufwand nicht aufſtellen. Vornehmlich aber verſtieß der aͤltere Geſchmack mit ſeinen Statuͤen ſowohl ge- gen die Einfalt, als auch gegen den Charakter der Gaͤrten. Es gab Gaͤrten, worinn man es fuͤr eine vorzuͤgliche Schoͤnheit zu halten ſchien, daß eine Statuͤe die andere beruͤhre,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/132>, abgerufen am 21.11.2024.