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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Von Blumen.
Tropfen des Thaues, die sich im Glanze spiegeln und abträufeln, die muthwilligen Umher-
gaukelungen der erwachten Schmetterlinge und andere liebliche Zufälligkeiten vereinigen
sich, diese Scene zu verschönern. Und hier läßt sich eine Malerey mit den Farben und
Schattirungen der Blumen hervorbringen, die nur ein Werk des verständigen Garten-
künstlers ist. Lange ist man beschäftigt gewesen, die verschiedenen Geschlechter der Blu-
men in eine gewisse Symmetrie zu zwingen; aber nur selten hat man noch wohl daran
gedacht, daß sich durch Mischung nach Höhe, Größe und Farben sowohl der Gewächse,
als auch der Blumen selbst, ein schönes Gemälde gewinnen läßt, das aber ein feines
Auge, genaue Kenntniß des Colorits und Beurtheilung erfordert, ehe es mit einiger
Vollkommenheit erscheinen wird. Hier ist ein neues Feld der Beobachtung und des
Studiums des Gartenkünstlers. Er kann durch das Lebhafte und Frische den Blu-
menmaler weit übertreffen, da ihm die Natur selbst ihre Hand bietet. Allein die be-
ständigen Veränderungen, die täglich auf dem Schauplatze der Blumen vorgehen, ver-
langen auch von ihm eine sehr sorgfältige Achtsamkeit und eine fortdauernde Ueberle-
gung. Er merke vornehmlich auf die Gewächse, die gleichzeitig hervorkommen; und
wenn er frühere oder spätere mit ihnen verbindet, so überlege er vorher, welche Wir-
kung der Unterschied der Staudenstämme, der erst emporkeimenden oder ausschlagenden
Blätter und Knospen und Blühten mit denen, die alsdann im vollen Flor stehen, her-
vorbringen würde. Was rankig wächst, unbedeutende Farben hat, rauh und dürf-
tig an Blättern ist, schickt sich nicht wohl zur Malerey der Blumenflur. Die feinsten
und lieblichsten Farben müssen dem Auge am nächsten seyn; die stärkern und leuchten-
den mehr in der Ferne. Man steige von dem Weißen zum Strohgelben, vom Fleisch-
farbigen zum Rosenrothen, vom Violetten zum dunkeln Blau, vom Goldgelben zum
Purpurrothen, so wie man von ganz niedrigen Stauden von Stufe zu Stufe allmäh-
lig zu den höchsten steigt. Das Graue oder Braune oder Grüne der Stämme, die
Verschiedenheit des Grüns der Blätter, die Formen und Lagen sowohl von diesen, als
auch von den Blumen selbst, alles dieses muß in Betrachtung gezogen werden. Die
Uebergänge gefallen, wenn sie nicht plötzlich, sondern sanft und fortschreitend sind; die
lichtern Farben müssen sich mit den dunkeln freundschaftlich zusammengesellen. -- Eine
Menge von andern kleinen Regeln wird die Prüfung eines geübten Auges und anhal-
tende Beobachtung von selbst an die Hand geben. Und diese Art der Aufmerksamkeit
auf die liebenswürdigen Geschlechter der Blumen, und auf die Verschönerung ihrer
Wirkungen, wird den Umgang mit ihnen, der selbst an Veranlassung zu sittlichen Be-
trachtungen so reich ist, auch unterhaltender und anziehender machen.

Da endlich die Natur von den ersten Tagen des Frühlings an bis spät in den
Herbst eine so reiche Mannichfaltigkeit von Blumen hervorbringt, daß immer jeder Mo-

nat

Von Blumen.
Tropfen des Thaues, die ſich im Glanze ſpiegeln und abtraͤufeln, die muthwilligen Umher-
gaukelungen der erwachten Schmetterlinge und andere liebliche Zufaͤlligkeiten vereinigen
ſich, dieſe Scene zu verſchoͤnern. Und hier laͤßt ſich eine Malerey mit den Farben und
Schattirungen der Blumen hervorbringen, die nur ein Werk des verſtaͤndigen Garten-
kuͤnſtlers iſt. Lange iſt man beſchaͤftigt geweſen, die verſchiedenen Geſchlechter der Blu-
men in eine gewiſſe Symmetrie zu zwingen; aber nur ſelten hat man noch wohl daran
gedacht, daß ſich durch Miſchung nach Hoͤhe, Groͤße und Farben ſowohl der Gewaͤchſe,
als auch der Blumen ſelbſt, ein ſchoͤnes Gemaͤlde gewinnen laͤßt, das aber ein feines
Auge, genaue Kenntniß des Colorits und Beurtheilung erfordert, ehe es mit einiger
Vollkommenheit erſcheinen wird. Hier iſt ein neues Feld der Beobachtung und des
Studiums des Gartenkuͤnſtlers. Er kann durch das Lebhafte und Friſche den Blu-
menmaler weit uͤbertreffen, da ihm die Natur ſelbſt ihre Hand bietet. Allein die be-
ſtaͤndigen Veraͤnderungen, die taͤglich auf dem Schauplatze der Blumen vorgehen, ver-
langen auch von ihm eine ſehr ſorgfaͤltige Achtſamkeit und eine fortdauernde Ueberle-
gung. Er merke vornehmlich auf die Gewaͤchſe, die gleichzeitig hervorkommen; und
wenn er fruͤhere oder ſpaͤtere mit ihnen verbindet, ſo uͤberlege er vorher, welche Wir-
kung der Unterſchied der Staudenſtaͤmme, der erſt emporkeimenden oder ausſchlagenden
Blaͤtter und Knoſpen und Bluͤhten mit denen, die alsdann im vollen Flor ſtehen, her-
vorbringen wuͤrde. Was rankig waͤchſt, unbedeutende Farben hat, rauh und duͤrf-
tig an Blaͤttern iſt, ſchickt ſich nicht wohl zur Malerey der Blumenflur. Die feinſten
und lieblichſten Farben muͤſſen dem Auge am naͤchſten ſeyn; die ſtaͤrkern und leuchten-
den mehr in der Ferne. Man ſteige von dem Weißen zum Strohgelben, vom Fleiſch-
farbigen zum Roſenrothen, vom Violetten zum dunkeln Blau, vom Goldgelben zum
Purpurrothen, ſo wie man von ganz niedrigen Stauden von Stufe zu Stufe allmaͤh-
lig zu den hoͤchſten ſteigt. Das Graue oder Braune oder Gruͤne der Staͤmme, die
Verſchiedenheit des Gruͤns der Blaͤtter, die Formen und Lagen ſowohl von dieſen, als
auch von den Blumen ſelbſt, alles dieſes muß in Betrachtung gezogen werden. Die
Uebergaͤnge gefallen, wenn ſie nicht ploͤtzlich, ſondern ſanft und fortſchreitend ſind; die
lichtern Farben muͤſſen ſich mit den dunkeln freundſchaftlich zuſammengeſellen. — Eine
Menge von andern kleinen Regeln wird die Pruͤfung eines geuͤbten Auges und anhal-
tende Beobachtung von ſelbſt an die Hand geben. Und dieſe Art der Aufmerkſamkeit
auf die liebenswuͤrdigen Geſchlechter der Blumen, und auf die Verſchoͤnerung ihrer
Wirkungen, wird den Umgang mit ihnen, der ſelbſt an Veranlaſſung zu ſittlichen Be-
trachtungen ſo reich iſt, auch unterhaltender und anziehender machen.

Da endlich die Natur von den erſten Tagen des Fruͤhlings an bis ſpaͤt in den
Herbſt eine ſo reiche Mannichfaltigkeit von Blumen hervorbringt, daß immer jeder Mo-

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[79/0083] Von Blumen. Tropfen des Thaues, die ſich im Glanze ſpiegeln und abtraͤufeln, die muthwilligen Umher- gaukelungen der erwachten Schmetterlinge und andere liebliche Zufaͤlligkeiten vereinigen ſich, dieſe Scene zu verſchoͤnern. Und hier laͤßt ſich eine Malerey mit den Farben und Schattirungen der Blumen hervorbringen, die nur ein Werk des verſtaͤndigen Garten- kuͤnſtlers iſt. Lange iſt man beſchaͤftigt geweſen, die verſchiedenen Geſchlechter der Blu- men in eine gewiſſe Symmetrie zu zwingen; aber nur ſelten hat man noch wohl daran gedacht, daß ſich durch Miſchung nach Hoͤhe, Groͤße und Farben ſowohl der Gewaͤchſe, als auch der Blumen ſelbſt, ein ſchoͤnes Gemaͤlde gewinnen laͤßt, das aber ein feines Auge, genaue Kenntniß des Colorits und Beurtheilung erfordert, ehe es mit einiger Vollkommenheit erſcheinen wird. Hier iſt ein neues Feld der Beobachtung und des Studiums des Gartenkuͤnſtlers. Er kann durch das Lebhafte und Friſche den Blu- menmaler weit uͤbertreffen, da ihm die Natur ſelbſt ihre Hand bietet. Allein die be- ſtaͤndigen Veraͤnderungen, die taͤglich auf dem Schauplatze der Blumen vorgehen, ver- langen auch von ihm eine ſehr ſorgfaͤltige Achtſamkeit und eine fortdauernde Ueberle- gung. Er merke vornehmlich auf die Gewaͤchſe, die gleichzeitig hervorkommen; und wenn er fruͤhere oder ſpaͤtere mit ihnen verbindet, ſo uͤberlege er vorher, welche Wir- kung der Unterſchied der Staudenſtaͤmme, der erſt emporkeimenden oder ausſchlagenden Blaͤtter und Knoſpen und Bluͤhten mit denen, die alsdann im vollen Flor ſtehen, her- vorbringen wuͤrde. Was rankig waͤchſt, unbedeutende Farben hat, rauh und duͤrf- tig an Blaͤttern iſt, ſchickt ſich nicht wohl zur Malerey der Blumenflur. Die feinſten und lieblichſten Farben muͤſſen dem Auge am naͤchſten ſeyn; die ſtaͤrkern und leuchten- den mehr in der Ferne. Man ſteige von dem Weißen zum Strohgelben, vom Fleiſch- farbigen zum Roſenrothen, vom Violetten zum dunkeln Blau, vom Goldgelben zum Purpurrothen, ſo wie man von ganz niedrigen Stauden von Stufe zu Stufe allmaͤh- lig zu den hoͤchſten ſteigt. Das Graue oder Braune oder Gruͤne der Staͤmme, die Verſchiedenheit des Gruͤns der Blaͤtter, die Formen und Lagen ſowohl von dieſen, als auch von den Blumen ſelbſt, alles dieſes muß in Betrachtung gezogen werden. Die Uebergaͤnge gefallen, wenn ſie nicht ploͤtzlich, ſondern ſanft und fortſchreitend ſind; die lichtern Farben muͤſſen ſich mit den dunkeln freundſchaftlich zuſammengeſellen. — Eine Menge von andern kleinen Regeln wird die Pruͤfung eines geuͤbten Auges und anhal- tende Beobachtung von ſelbſt an die Hand geben. Und dieſe Art der Aufmerkſamkeit auf die liebenswuͤrdigen Geſchlechter der Blumen, und auf die Verſchoͤnerung ihrer Wirkungen, wird den Umgang mit ihnen, der ſelbſt an Veranlaſſung zu ſittlichen Be- trachtungen ſo reich iſt, auch unterhaltender und anziehender machen. Da endlich die Natur von den erſten Tagen des Fruͤhlings an bis ſpaͤt in den Herbſt eine ſo reiche Mannichfaltigkeit von Blumen hervorbringt, daß immer jeder Mo- nat

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/83>, abgerufen am 04.12.2024.