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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Zweyter Abschnitt.
im Ganzen, ein Fehler seyn. Das Uebermaaß des Schattens giebt ein zu einförmi-
ges und trauriges Ansehen. Allein mäßige Beschattung befördert Ergötzung, nicht
blos für das Auge, sondern auch für das Ohr, indem sie einen geliebten Aufenthalt
den Vögeln anbietet, deren Gesellschaft und Lieder so viel Aufheiterndes haben, daß
es nicht zu begreifen ist, wie manche Eigenthümer der Gärten sich dieses Vortheils
durch die Entfernung alles Schattigten berauben können. Die Grade der Beschat-
tung aber, das Mehr und Mindre, lassen sich nur aus dem Charakter eines jeden
Gartens und seiner verschiedenen Reviere bestimmen. Und demnächst muß das Auge
nicht blos bey dem Gegenwärtigen der Anlage ruhen, sondern auch auf den künftigen
Anwachs hinaus schauen, und die Wirkungen berechnen, die in der Folge entstehen.

Allein die Malerey des Laubwerks ist ein höheres Erforderniß der Gartenkunst,
als bloße Anlage der Schattenwerke; sie ist ein Erforderniß der Schönheit, da jene
mehr ein Bedürfniß der Bequemlichkeit ist.

Schon durch die bloße Aufstellung mehrerer Arten von Bäumen kann der Gar-
tenkünstler ohne Mühe Mannichfaltigkeit hervorbringen. Allein durch eine Verbin-
dung mit Geschmack entspringt erst eine Mannichfaltigkeit, die mehr sein Werk ist.
Wenn demnach verschiedene Arten von Bäumen und Sträuchern auf eine solche Weise
vereinigt werden, daß dadurch für das Auge eine erhöhete Ergötzung über die Ver-
hältnisse der Gestalten und Farben bewirkt wird: so thut der Künstler einen Schritt
weiter, als die bloße rohe Natur; so handelt er als ein Mann von Geschmack.

Nach diesem Beruf soll der Gartenkünstler überall, wo er Baumwerk anpflanzt,
oder wo er es ausbildet, mit dem Landschaftmaler die mancherley Vortheile des Lichts
und des Schattens der Natur ablauschen; nicht blos auf einzelne Gegenstände und auf
einzelne Prospecte, sondern auf die Zusammenstimmung aller Theile, auf den Aus-
schlag des Ganzen achten; sowohl die Wirkungen der Farben und Schattirungen in
der Nähe bey einzelnen Scenen berechnen, als auch in Gesichtspuncten, wo aus der
Ferne ganze Massen auf einmal wahrgenommen werden.

Wir sehen, daß die Natur weder die Flächen des Bodens, noch den Umfang
der Wälder mit einerley Grün, ohne Abänderung und ohne Brechung, bekleidet.
Wie schwach würde nicht durch das Gegentheil ihr Eindruck auf das Auge des Men-
schen seyn! Nun aber ergötzt sie, und hört nicht auf zu ergötzen, sowohl durch har-
monische Verbindungen als auch durch den Contrast des Grüns.

In Ansehung einer malerischen Verbindung muß das mit Weiß und Gelb ver-
mischte Grün sich zunächst dem Auge zeigen. Sodann das Lichtgrün, hierauf das
Braungrün, und endlich das Dunkelgrün und Schwärzliche folgen. Das Dunkel-
grün muß also in der Ferne sich verbreiten, und das Hellgrün sich am meisten in der

Nähe

Zweyter Abſchnitt.
im Ganzen, ein Fehler ſeyn. Das Uebermaaß des Schattens giebt ein zu einfoͤrmi-
ges und trauriges Anſehen. Allein maͤßige Beſchattung befoͤrdert Ergoͤtzung, nicht
blos fuͤr das Auge, ſondern auch fuͤr das Ohr, indem ſie einen geliebten Aufenthalt
den Voͤgeln anbietet, deren Geſellſchaft und Lieder ſo viel Aufheiterndes haben, daß
es nicht zu begreifen iſt, wie manche Eigenthuͤmer der Gaͤrten ſich dieſes Vortheils
durch die Entfernung alles Schattigten berauben koͤnnen. Die Grade der Beſchat-
tung aber, das Mehr und Mindre, laſſen ſich nur aus dem Charakter eines jeden
Gartens und ſeiner verſchiedenen Reviere beſtimmen. Und demnaͤchſt muß das Auge
nicht blos bey dem Gegenwaͤrtigen der Anlage ruhen, ſondern auch auf den kuͤnftigen
Anwachs hinaus ſchauen, und die Wirkungen berechnen, die in der Folge entſtehen.

Allein die Malerey des Laubwerks iſt ein hoͤheres Erforderniß der Gartenkunſt,
als bloße Anlage der Schattenwerke; ſie iſt ein Erforderniß der Schoͤnheit, da jene
mehr ein Beduͤrfniß der Bequemlichkeit iſt.

Schon durch die bloße Aufſtellung mehrerer Arten von Baͤumen kann der Gar-
tenkuͤnſtler ohne Muͤhe Mannichfaltigkeit hervorbringen. Allein durch eine Verbin-
dung mit Geſchmack entſpringt erſt eine Mannichfaltigkeit, die mehr ſein Werk iſt.
Wenn demnach verſchiedene Arten von Baͤumen und Straͤuchern auf eine ſolche Weiſe
vereinigt werden, daß dadurch fuͤr das Auge eine erhoͤhete Ergoͤtzung uͤber die Ver-
haͤltniſſe der Geſtalten und Farben bewirkt wird: ſo thut der Kuͤnſtler einen Schritt
weiter, als die bloße rohe Natur; ſo handelt er als ein Mann von Geſchmack.

Nach dieſem Beruf ſoll der Gartenkuͤnſtler uͤberall, wo er Baumwerk anpflanzt,
oder wo er es ausbildet, mit dem Landſchaftmaler die mancherley Vortheile des Lichts
und des Schattens der Natur ablauſchen; nicht blos auf einzelne Gegenſtaͤnde und auf
einzelne Proſpecte, ſondern auf die Zuſammenſtimmung aller Theile, auf den Aus-
ſchlag des Ganzen achten; ſowohl die Wirkungen der Farben und Schattirungen in
der Naͤhe bey einzelnen Scenen berechnen, als auch in Geſichtspuncten, wo aus der
Ferne ganze Maſſen auf einmal wahrgenommen werden.

Wir ſehen, daß die Natur weder die Flaͤchen des Bodens, noch den Umfang
der Waͤlder mit einerley Gruͤn, ohne Abaͤnderung und ohne Brechung, bekleidet.
Wie ſchwach wuͤrde nicht durch das Gegentheil ihr Eindruck auf das Auge des Men-
ſchen ſeyn! Nun aber ergoͤtzt ſie, und hoͤrt nicht auf zu ergoͤtzen, ſowohl durch har-
moniſche Verbindungen als auch durch den Contraſt des Gruͤns.

In Anſehung einer maleriſchen Verbindung muß das mit Weiß und Gelb ver-
miſchte Gruͤn ſich zunaͤchſt dem Auge zeigen. Sodann das Lichtgruͤn, hierauf das
Braungruͤn, und endlich das Dunkelgruͤn und Schwaͤrzliche folgen. Das Dunkel-
gruͤn muß alſo in der Ferne ſich verbreiten, und das Hellgruͤn ſich am meiſten in der

Naͤhe
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[50/0054] Zweyter Abſchnitt. im Ganzen, ein Fehler ſeyn. Das Uebermaaß des Schattens giebt ein zu einfoͤrmi- ges und trauriges Anſehen. Allein maͤßige Beſchattung befoͤrdert Ergoͤtzung, nicht blos fuͤr das Auge, ſondern auch fuͤr das Ohr, indem ſie einen geliebten Aufenthalt den Voͤgeln anbietet, deren Geſellſchaft und Lieder ſo viel Aufheiterndes haben, daß es nicht zu begreifen iſt, wie manche Eigenthuͤmer der Gaͤrten ſich dieſes Vortheils durch die Entfernung alles Schattigten berauben koͤnnen. Die Grade der Beſchat- tung aber, das Mehr und Mindre, laſſen ſich nur aus dem Charakter eines jeden Gartens und ſeiner verſchiedenen Reviere beſtimmen. Und demnaͤchſt muß das Auge nicht blos bey dem Gegenwaͤrtigen der Anlage ruhen, ſondern auch auf den kuͤnftigen Anwachs hinaus ſchauen, und die Wirkungen berechnen, die in der Folge entſtehen. Allein die Malerey des Laubwerks iſt ein hoͤheres Erforderniß der Gartenkunſt, als bloße Anlage der Schattenwerke; ſie iſt ein Erforderniß der Schoͤnheit, da jene mehr ein Beduͤrfniß der Bequemlichkeit iſt. Schon durch die bloße Aufſtellung mehrerer Arten von Baͤumen kann der Gar- tenkuͤnſtler ohne Muͤhe Mannichfaltigkeit hervorbringen. Allein durch eine Verbin- dung mit Geſchmack entſpringt erſt eine Mannichfaltigkeit, die mehr ſein Werk iſt. Wenn demnach verſchiedene Arten von Baͤumen und Straͤuchern auf eine ſolche Weiſe vereinigt werden, daß dadurch fuͤr das Auge eine erhoͤhete Ergoͤtzung uͤber die Ver- haͤltniſſe der Geſtalten und Farben bewirkt wird: ſo thut der Kuͤnſtler einen Schritt weiter, als die bloße rohe Natur; ſo handelt er als ein Mann von Geſchmack. Nach dieſem Beruf ſoll der Gartenkuͤnſtler uͤberall, wo er Baumwerk anpflanzt, oder wo er es ausbildet, mit dem Landſchaftmaler die mancherley Vortheile des Lichts und des Schattens der Natur ablauſchen; nicht blos auf einzelne Gegenſtaͤnde und auf einzelne Proſpecte, ſondern auf die Zuſammenſtimmung aller Theile, auf den Aus- ſchlag des Ganzen achten; ſowohl die Wirkungen der Farben und Schattirungen in der Naͤhe bey einzelnen Scenen berechnen, als auch in Geſichtspuncten, wo aus der Ferne ganze Maſſen auf einmal wahrgenommen werden. Wir ſehen, daß die Natur weder die Flaͤchen des Bodens, noch den Umfang der Waͤlder mit einerley Gruͤn, ohne Abaͤnderung und ohne Brechung, bekleidet. Wie ſchwach wuͤrde nicht durch das Gegentheil ihr Eindruck auf das Auge des Men- ſchen ſeyn! Nun aber ergoͤtzt ſie, und hoͤrt nicht auf zu ergoͤtzen, ſowohl durch har- moniſche Verbindungen als auch durch den Contraſt des Gruͤns. In Anſehung einer maleriſchen Verbindung muß das mit Weiß und Gelb ver- miſchte Gruͤn ſich zunaͤchſt dem Auge zeigen. Sodann das Lichtgruͤn, hierauf das Braungruͤn, und endlich das Dunkelgruͤn und Schwaͤrzliche folgen. Das Dunkel- gruͤn muß alſo in der Ferne ſich verbreiten, und das Hellgruͤn ſich am meiſten in der Naͤhe

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/54>, abgerufen am 28.11.2024.