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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.

Ich habe versprochen, den zum Reiten und Fahren bestimmten Weg anzu-
zeigen. Hierzu ist der Park der wahre Ort. Die alten Römer, welche so viel
auf Leibesbewegung hielten, und solche theils aus Neigung, theils aus Vorsor-
ge für ihre Gesundheit trieben, hatten einen ausdrücklich dazu bestimmten Ort in
ihren Gärten; und nannten denjenigen für die Leibesübung Xystus, und den zum
Reiten Hippodromus. *) Diese aus dem Griechischen entlehnten Wörter zeigen
an, daß solche auch in diesem Lande üblich waren. Wir haben zwar das Reiten
und Fahren beybehalten, aber bisher nie daran gedacht, es auf eine angenehme Art
anzustellen. Die Engländer, welche diese Bewegung sehr lieben, sind zuerst
darauf gefallen, bey der Anlage ihrer Gärten solche Wege, wobey dieser Endzweck
erreicht wird, anzubringen. Zu Guiscard habe ich mich nach folgenden Grund-
sätzen gerichtet.

Mich dünkt, daß die vornehmste Annehmlichkeit eines solchen Fahrweges
in der Abwechselung der Lagen, der Gemälde, und der Aussichten besteht, die man
auf einer solchen Spazierfahrt antrifft; daß die Auf- und Abfahrten bey Anhöhen
allemal sehr gemach angelegt, und der Boden selbst zu allen Zeiten sowohl zu
Pferde als für die Kutschen brauchbar seyn muß. Wer einen solchen Weg ma-
chen will, muß nie wieder auf dieselbe Stelle, wo er schon einmal gewesen, zu-
rückkommen; er muß auf der einen Seite abfahren, und auf der andern wieder zu-
rückkehren: folglich muß der Weg einen ziemlichen Umfang haben. Weil man
aber nicht allemal Lust hat, eine weite Spazierfahrt zu machen, so habe ich für
nöthig erachtet, ihn so einzurichten, daß man ihn nach Belieben abkürzen kann,
ohne umkehren zu dürfen. Bey aller dieser Vorsicht würde ein solcher Weg
doch langweilig werden, wenn er so eingeschlossen wäre, daß man nirgends von
ihm abgehen könnte; er muß also zwar so deutlich angelegt seyn, daß man sich
nirgends auf demselben verirren kann, aber keinesweges so abgeschnitten, wie
z. B. ein Fußsteig zwischen zwo Hecken, oder eine Heerstraße mit einem Graben
auf jeder Seite. Man muß, zumal in diesem Falle, einem jeden seinen Willen
lassen, und ihm die Freyheit nicht nehmen. Man bemühe sich, den Spaziergänger
durch einen wohlgeebneten und harten Boden, durch die Hoffnung zum Vergnü-
gen, durch die Reizungen der schönen Wirkungen der Natur, durch allerley unter-

weges
*) [Spaltenumbruch] Man sehe den 6 Brief des 5 Buchs,
und den 17 Brief des 2 Buchs vom jün-
gern Plinius, darin er die Gärten seines
[Spaltenumbruch] Tusculanischen und Laurentinischen Land-
gutes beschreibt.
Beſchreibungen von Gaͤrten.

Ich habe verſprochen, den zum Reiten und Fahren beſtimmten Weg anzu-
zeigen. Hierzu iſt der Park der wahre Ort. Die alten Roͤmer, welche ſo viel
auf Leibesbewegung hielten, und ſolche theils aus Neigung, theils aus Vorſor-
ge fuͤr ihre Geſundheit trieben, hatten einen ausdruͤcklich dazu beſtimmten Ort in
ihren Gaͤrten; und nannten denjenigen fuͤr die Leibesuͤbung Xyſtus, und den zum
Reiten Hippodromus. *) Dieſe aus dem Griechiſchen entlehnten Woͤrter zeigen
an, daß ſolche auch in dieſem Lande uͤblich waren. Wir haben zwar das Reiten
und Fahren beybehalten, aber bisher nie daran gedacht, es auf eine angenehme Art
anzuſtellen. Die Englaͤnder, welche dieſe Bewegung ſehr lieben, ſind zuerſt
darauf gefallen, bey der Anlage ihrer Gaͤrten ſolche Wege, wobey dieſer Endzweck
erreicht wird, anzubringen. Zu Guiſcard habe ich mich nach folgenden Grund-
ſaͤtzen gerichtet.

Mich duͤnkt, daß die vornehmſte Annehmlichkeit eines ſolchen Fahrweges
in der Abwechſelung der Lagen, der Gemaͤlde, und der Ausſichten beſteht, die man
auf einer ſolchen Spazierfahrt antrifft; daß die Auf- und Abfahrten bey Anhoͤhen
allemal ſehr gemach angelegt, und der Boden ſelbſt zu allen Zeiten ſowohl zu
Pferde als fuͤr die Kutſchen brauchbar ſeyn muß. Wer einen ſolchen Weg ma-
chen will, muß nie wieder auf dieſelbe Stelle, wo er ſchon einmal geweſen, zu-
ruͤckkommen; er muß auf der einen Seite abfahren, und auf der andern wieder zu-
ruͤckkehren: folglich muß der Weg einen ziemlichen Umfang haben. Weil man
aber nicht allemal Luſt hat, eine weite Spazierfahrt zu machen, ſo habe ich fuͤr
noͤthig erachtet, ihn ſo einzurichten, daß man ihn nach Belieben abkuͤrzen kann,
ohne umkehren zu duͤrfen. Bey aller dieſer Vorſicht wuͤrde ein ſolcher Weg
doch langweilig werden, wenn er ſo eingeſchloſſen waͤre, daß man nirgends von
ihm abgehen koͤnnte; er muß alſo zwar ſo deutlich angelegt ſeyn, daß man ſich
nirgends auf demſelben verirren kann, aber keinesweges ſo abgeſchnitten, wie
z. B. ein Fußſteig zwiſchen zwo Hecken, oder eine Heerſtraße mit einem Graben
auf jeder Seite. Man muß, zumal in dieſem Falle, einem jeden ſeinen Willen
laſſen, und ihm die Freyheit nicht nehmen. Man bemuͤhe ſich, den Spaziergaͤnger
durch einen wohlgeebneten und harten Boden, durch die Hoffnung zum Vergnuͤ-
gen, durch die Reizungen der ſchoͤnen Wirkungen der Natur, durch allerley unter-

weges
*) [Spaltenumbruch] Man ſehe den 6 Brief des 5 Buchs,
und den 17 Brief des 2 Buchs vom juͤn-
gern Plinius, darin er die Gaͤrten ſeines
[Spaltenumbruch] Tuſculaniſchen und Laurentiniſchen Land-
gutes beſchreibt.
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[197/0201] Beſchreibungen von Gaͤrten. Ich habe verſprochen, den zum Reiten und Fahren beſtimmten Weg anzu- zeigen. Hierzu iſt der Park der wahre Ort. Die alten Roͤmer, welche ſo viel auf Leibesbewegung hielten, und ſolche theils aus Neigung, theils aus Vorſor- ge fuͤr ihre Geſundheit trieben, hatten einen ausdruͤcklich dazu beſtimmten Ort in ihren Gaͤrten; und nannten denjenigen fuͤr die Leibesuͤbung Xyſtus, und den zum Reiten Hippodromus. *) Dieſe aus dem Griechiſchen entlehnten Woͤrter zeigen an, daß ſolche auch in dieſem Lande uͤblich waren. Wir haben zwar das Reiten und Fahren beybehalten, aber bisher nie daran gedacht, es auf eine angenehme Art anzuſtellen. Die Englaͤnder, welche dieſe Bewegung ſehr lieben, ſind zuerſt darauf gefallen, bey der Anlage ihrer Gaͤrten ſolche Wege, wobey dieſer Endzweck erreicht wird, anzubringen. Zu Guiſcard habe ich mich nach folgenden Grund- ſaͤtzen gerichtet. Mich duͤnkt, daß die vornehmſte Annehmlichkeit eines ſolchen Fahrweges in der Abwechſelung der Lagen, der Gemaͤlde, und der Ausſichten beſteht, die man auf einer ſolchen Spazierfahrt antrifft; daß die Auf- und Abfahrten bey Anhoͤhen allemal ſehr gemach angelegt, und der Boden ſelbſt zu allen Zeiten ſowohl zu Pferde als fuͤr die Kutſchen brauchbar ſeyn muß. Wer einen ſolchen Weg ma- chen will, muß nie wieder auf dieſelbe Stelle, wo er ſchon einmal geweſen, zu- ruͤckkommen; er muß auf der einen Seite abfahren, und auf der andern wieder zu- ruͤckkehren: folglich muß der Weg einen ziemlichen Umfang haben. Weil man aber nicht allemal Luſt hat, eine weite Spazierfahrt zu machen, ſo habe ich fuͤr noͤthig erachtet, ihn ſo einzurichten, daß man ihn nach Belieben abkuͤrzen kann, ohne umkehren zu duͤrfen. Bey aller dieſer Vorſicht wuͤrde ein ſolcher Weg doch langweilig werden, wenn er ſo eingeſchloſſen waͤre, daß man nirgends von ihm abgehen koͤnnte; er muß alſo zwar ſo deutlich angelegt ſeyn, daß man ſich nirgends auf demſelben verirren kann, aber keinesweges ſo abgeſchnitten, wie z. B. ein Fußſteig zwiſchen zwo Hecken, oder eine Heerſtraße mit einem Graben auf jeder Seite. Man muß, zumal in dieſem Falle, einem jeden ſeinen Willen laſſen, und ihm die Freyheit nicht nehmen. Man bemuͤhe ſich, den Spaziergaͤnger durch einen wohlgeebneten und harten Boden, durch die Hoffnung zum Vergnuͤ- gen, durch die Reizungen der ſchoͤnen Wirkungen der Natur, durch allerley unter- weges *) Man ſehe den 6 Brief des 5 Buchs, und den 17 Brief des 2 Buchs vom juͤn- gern Plinius, darin er die Gaͤrten ſeines Tuſculaniſchen und Laurentiniſchen Land- gutes beſchreibt.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/201>, abgerufen am 13.05.2024.