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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Erster Abschnitt.
birgt sich ein Theil seines schönen Anblicks hinter den Anhöhen; die Abhänge
leiten auf Wiesen, auf Waldungen, auf Seen. Alle diese Veränderungen giebt
allein die natürliche Beschaffenheit des Bodens, wodurch die Mannichfaltigkeit
der Gegenstände und der Aussichten selbst noch vermehrt wird. Von den Un-
gleichheiten des Bodens hängt ein großer Theil des Lebens in der Natur ab:
ohne sie würde das Wasser nur in Seen und Teichen ruhen; wir würden nicht
die muthwilligen Spiele des Bachs sehen, nicht den schnellen Wasserfall rau-
schen hören.

Unendlich abwechselnd ist die Natur in der Manier, die verschiedenen
Beschaffenheiten des Bodens zu verbinden; in dieser immer neuen Zusammense-
tzung liegt eine unerkannte Quelle ihres unerschöpflichen Reizes. Der Garten-
künstler sehe immer auf diese Lehrerinn; und wo er den Boden zu theilen, zu
erhöhen, zu vertiefen, wo er neue Verbindungen der Theile zu machen hat, da wa-
ge er nie einen Schritt, ohne vorher die Natur genau beobachtet zu haben.

[Abbildung]
5.

Man untersuche vornehmlich den natürlichen Charakter einer Gegend, die man
zu einem Garten bearbeiten will, um sich nach diesem Charakter zu bequemen und
von ihm allen Gebrauch zu machen, der nur verstattet wird. Diese Regel ist nur
selten beobachtet. So viele gemeine Gärtner sind gleich mit Planen und Rissen fer-
tig, ehe sie noch wissen, wo ein Garten angelegt werden soll. So viele Architektur-
lehrer zeichnen Gärten vor, ohne die geringste Rücksicht auf die Verschiedenheiten des
Bodens, die man gesehen, die man beurtheilt haben muß, ehe die Hand sich an eine

Zeichnung

Erſter Abſchnitt.
birgt ſich ein Theil ſeines ſchoͤnen Anblicks hinter den Anhoͤhen; die Abhaͤnge
leiten auf Wieſen, auf Waldungen, auf Seen. Alle dieſe Veraͤnderungen giebt
allein die natuͤrliche Beſchaffenheit des Bodens, wodurch die Mannichfaltigkeit
der Gegenſtaͤnde und der Ausſichten ſelbſt noch vermehrt wird. Von den Un-
gleichheiten des Bodens haͤngt ein großer Theil des Lebens in der Natur ab:
ohne ſie wuͤrde das Waſſer nur in Seen und Teichen ruhen; wir wuͤrden nicht
die muthwilligen Spiele des Bachs ſehen, nicht den ſchnellen Waſſerfall rau-
ſchen hoͤren.

Unendlich abwechſelnd iſt die Natur in der Manier, die verſchiedenen
Beſchaffenheiten des Bodens zu verbinden; in dieſer immer neuen Zuſammenſe-
tzung liegt eine unerkannte Quelle ihres unerſchoͤpflichen Reizes. Der Garten-
kuͤnſtler ſehe immer auf dieſe Lehrerinn; und wo er den Boden zu theilen, zu
erhoͤhen, zu vertiefen, wo er neue Verbindungen der Theile zu machen hat, da wa-
ge er nie einen Schritt, ohne vorher die Natur genau beobachtet zu haben.

[Abbildung]
5.

Man unterſuche vornehmlich den natuͤrlichen Charakter einer Gegend, die man
zu einem Garten bearbeiten will, um ſich nach dieſem Charakter zu bequemen und
von ihm allen Gebrauch zu machen, der nur verſtattet wird. Dieſe Regel iſt nur
ſelten beobachtet. So viele gemeine Gaͤrtner ſind gleich mit Planen und Riſſen fer-
tig, ehe ſie noch wiſſen, wo ein Garten angelegt werden ſoll. So viele Architektur-
lehrer zeichnen Gaͤrten vor, ohne die geringſte Ruͤckſicht auf die Verſchiedenheiten des
Bodens, die man geſehen, die man beurtheilt haben muß, ehe die Hand ſich an eine

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[8/0012] Erſter Abſchnitt. birgt ſich ein Theil ſeines ſchoͤnen Anblicks hinter den Anhoͤhen; die Abhaͤnge leiten auf Wieſen, auf Waldungen, auf Seen. Alle dieſe Veraͤnderungen giebt allein die natuͤrliche Beſchaffenheit des Bodens, wodurch die Mannichfaltigkeit der Gegenſtaͤnde und der Ausſichten ſelbſt noch vermehrt wird. Von den Un- gleichheiten des Bodens haͤngt ein großer Theil des Lebens in der Natur ab: ohne ſie wuͤrde das Waſſer nur in Seen und Teichen ruhen; wir wuͤrden nicht die muthwilligen Spiele des Bachs ſehen, nicht den ſchnellen Waſſerfall rau- ſchen hoͤren. Unendlich abwechſelnd iſt die Natur in der Manier, die verſchiedenen Beſchaffenheiten des Bodens zu verbinden; in dieſer immer neuen Zuſammenſe- tzung liegt eine unerkannte Quelle ihres unerſchoͤpflichen Reizes. Der Garten- kuͤnſtler ſehe immer auf dieſe Lehrerinn; und wo er den Boden zu theilen, zu erhoͤhen, zu vertiefen, wo er neue Verbindungen der Theile zu machen hat, da wa- ge er nie einen Schritt, ohne vorher die Natur genau beobachtet zu haben. [Abbildung] 5. Man unterſuche vornehmlich den natuͤrlichen Charakter einer Gegend, die man zu einem Garten bearbeiten will, um ſich nach dieſem Charakter zu bequemen und von ihm allen Gebrauch zu machen, der nur verſtattet wird. Dieſe Regel iſt nur ſelten beobachtet. So viele gemeine Gaͤrtner ſind gleich mit Planen und Riſſen fer- tig, ehe ſie noch wiſſen, wo ein Garten angelegt werden ſoll. So viele Architektur- lehrer zeichnen Gaͤrten vor, ohne die geringſte Ruͤckſicht auf die Verſchiedenheiten des Bodens, die man geſehen, die man beurtheilt haben muß, ehe die Hand ſich an eine Zeichnung

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/12>, abgerufen am 24.11.2024.