Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten Unermeßliche eröffnen. Aber dagegen eine Menge ländlicher Reize über den frucht-barsten Boden verbreitet; sanfte Erhöhungen und Vertiefungen, ein anmuthiges Ge- misch von Kornfeldern, von Wiesen, von Viehtriften, von Gebüschen, von Wal- dungen, von meilenlangen Seen, deren heller Spiegel das Bild der frischgrünenden Landschaft zurückwirft; keine Weinberge, aber Hügel voll fetter Heerden, die im fro- hen Ueberfluß umherirren; und wenn auch der Frühling und der Sommer ihre schö- nen Tage daherführen, so ist es doch besonders der milde Herbst, der mit einer stillen einnehmenden Heiterkeit lächelt und spät den Genuß der Landfreuden verlängert. Und in diesen Gefilden ein Adel, der das Erbtheil seiner Väter lange in ungestörter Ruhe genießt, der seine weiten Ländereyen beherrscht, und dem, was der Geschmack entwer- fen würde, der Reichthum ausführen helfen könnte. In der That fängt auch hier der Geist der Verschönerung an, seine Wirksamkeit auszubreiten. Die Gehölze öff- nen sich zu freyen labyrinthischen Spaziergängen, zu kühlen Laubsitzen, zu frischen Ra- senplätzen; man eilt heitern Aussichten und Scenen der Natur entgegen; und bald entsteht hie und da ein Ganzes von einer Verschönerung, die bisher unbekannt war. [Abbildung]
Beschrei-
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten Unermeßliche eroͤffnen. Aber dagegen eine Menge laͤndlicher Reize uͤber den frucht-barſten Boden verbreitet; ſanfte Erhoͤhungen und Vertiefungen, ein anmuthiges Ge- miſch von Kornfeldern, von Wieſen, von Viehtriften, von Gebuͤſchen, von Wal- dungen, von meilenlangen Seen, deren heller Spiegel das Bild der friſchgruͤnenden Landſchaft zuruͤckwirft; keine Weinberge, aber Huͤgel voll fetter Heerden, die im fro- hen Ueberfluß umherirren; und wenn auch der Fruͤhling und der Sommer ihre ſchoͤ- nen Tage daherfuͤhren, ſo iſt es doch beſonders der milde Herbſt, der mit einer ſtillen einnehmenden Heiterkeit laͤchelt und ſpaͤt den Genuß der Landfreuden verlaͤngert. Und in dieſen Gefilden ein Adel, der das Erbtheil ſeiner Vaͤter lange in ungeſtoͤrter Ruhe genießt, der ſeine weiten Laͤndereyen beherrſcht, und dem, was der Geſchmack entwer- fen wuͤrde, der Reichthum ausfuͤhren helfen koͤnnte. In der That faͤngt auch hier der Geiſt der Verſchoͤnerung an, ſeine Wirkſamkeit auszubreiten. Die Gehoͤlze oͤff- nen ſich zu freyen labyrinthiſchen Spaziergaͤngen, zu kuͤhlen Laubſitzen, zu friſchen Ra- ſenplaͤtzen; man eilt heitern Ausſichten und Scenen der Natur entgegen; und bald entſteht hie und da ein Ganzes von einer Verſchoͤnerung, die bisher unbekannt war. [Abbildung]
Beſchrei-
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Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
Unermeßliche eroͤffnen. Aber dagegen eine Menge laͤndlicher Reize uͤber den frucht-
barſten Boden verbreitet; ſanfte Erhoͤhungen und Vertiefungen, ein anmuthiges Ge-
miſch von Kornfeldern, von Wieſen, von Viehtriften, von Gebuͤſchen, von Wal-
dungen, von meilenlangen Seen, deren heller Spiegel das Bild der friſchgruͤnenden
Landſchaft zuruͤckwirft; keine Weinberge, aber Huͤgel voll fetter Heerden, die im fro-
hen Ueberfluß umherirren; und wenn auch der Fruͤhling und der Sommer ihre ſchoͤ-
nen Tage daherfuͤhren, ſo iſt es doch beſonders der milde Herbſt, der mit einer ſtillen
einnehmenden Heiterkeit laͤchelt und ſpaͤt den Genuß der Landfreuden verlaͤngert. Und
in dieſen Gefilden ein Adel, der das Erbtheil ſeiner Vaͤter lange in ungeſtoͤrter Ruhe
genießt, der ſeine weiten Laͤndereyen beherrſcht, und dem, was der Geſchmack entwer-
fen wuͤrde, der Reichthum ausfuͤhren helfen koͤnnte. In der That faͤngt auch hier
der Geiſt der Verſchoͤnerung an, ſeine Wirkſamkeit auszubreiten. Die Gehoͤlze oͤff-
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ſenplaͤtzen; man eilt heitern Ausſichten und Scenen der Natur entgegen; und bald
entſteht hie und da ein Ganzes von einer Verſchoͤnerung, die bisher unbekannt war.
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