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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten

Man liebt fast in allen Städten einen freyen Austritt hinter den Wohnhäusern,
um den Genuß der frischen Luft und eines bequemen Spazierganges zu haben; daher
die alte und noch herrschende Gewohnheit, da kleine Gärten oder Lustplätze anzulegen.
Diese Gewohnheit ist weniger anstößig, als jene, die das Land in die Stadt trägt,
indem sie die Vorderseiten der Häuser auf den Gassen mit Bäumen bepflanzt, die
zwar den Vortheil des Schattens geben, aber dem freyern Durchzug der Luft weh-
ren, den Gebäuden durch ihre Feuchtigkeit schaden, und ihrem Ansehen nicht wenig
entziehen. Diese Gärten hinter den Häusern haben fast keine andere Bestimmung,
als darin frische Luft zu athmen, einen Spaziergang oder einen Sitz im Schatten zu
finden, den Anblick des Grüns und des offenen Himmels zu genießen; und in dem
zufriednen Genuß dieser Vortheile ist ihre Bestimmung erfüllt. Der enge Raum
verstattet darin keinen Reichthum, noch Mannigfaltigkeit der Scenen. Die Nach-
barschaft der Gebäude mag hier ihre Symmetrie ausdehnen; das Ebenmaaß in Gän-
gen, Beeten und Baumpflanzungen dient hier zur Bequemlichkeit, und läßt den
Besitzer sein kleines Eigenthum desto freyer übersehen. Eine dicke Mauer mag sei-
nen Gewächsen mehr Schutz und Wärme mittheilen; eine Laube auf dieser Ecke mag
einer andern auf jener zuwinken, wenns auch nur wäre, um den Platz nicht leer zu
lassen; ein künstlicher Springbrunnen spiele und plätschere einem andern entgegen,
weil kein fließender Bach da ist, um ihn zu verdrängen. Auf einem so eingeschränk-
ten Platz wird man mehr für Bedürfniß und Bequemlichkeit, als für Ergötzung der
Phantasie zu sorgen haben. Die Natur giebt hier die Rechte auf, die sie in ausge-
dehnten Gegenden behauptet, und der Geschmack ist schon befriedigt, wenn er nur
nicht beleidigt wird. Eben dieses gilt von Gärten, die nahe um die Städte herum,
zuweilen in einer Reihe neben einander, in sehr kleinen Bezirken liegen.

Freye Plätze um Gebäude, besonders um Paläste, erfordern, wie schon oben
bemerkt ist, eine symmetrische Einrichtung und Verzierung, wegen ihrer genauen
Verbindung mit dem Werke der Architektur, dem sie zugehören. Selbst ihr ebener
Boden hat sie schon dazu vorbereitet. Außerdem würde ihre freyere Bepflanzung
dem Licht und dem edlern Ansehen der Gebäude schaden, deren Anblick sie schon in der
Ferne verschönern zu helfen bestimmt sind. Die Wichtigkeit oder der Adel eines Ge-
bäudes muß sich durch alle Theile seiner Nachbarschaft ankündigen. Sie führen den
Namen von Gärten in einer sehr uneigentlichen Bedeutung; man sollte sie nennen,
was sie sind, gezierte Plätze, Vorplätze, offene Vorhöfe oder wie man anders will.
Alle andere Plätze, die mitten in Städten liegen, verlangen eben so Symmetrie in
der Bepflanzung und Auszierung.

Von
Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten

Man liebt faſt in allen Staͤdten einen freyen Austritt hinter den Wohnhaͤuſern,
um den Genuß der friſchen Luft und eines bequemen Spazierganges zu haben; daher
die alte und noch herrſchende Gewohnheit, da kleine Gaͤrten oder Luſtplaͤtze anzulegen.
Dieſe Gewohnheit iſt weniger anſtoͤßig, als jene, die das Land in die Stadt traͤgt,
indem ſie die Vorderſeiten der Haͤuſer auf den Gaſſen mit Baͤumen bepflanzt, die
zwar den Vortheil des Schattens geben, aber dem freyern Durchzug der Luft weh-
ren, den Gebaͤuden durch ihre Feuchtigkeit ſchaden, und ihrem Anſehen nicht wenig
entziehen. Dieſe Gaͤrten hinter den Haͤuſern haben faſt keine andere Beſtimmung,
als darin friſche Luft zu athmen, einen Spaziergang oder einen Sitz im Schatten zu
finden, den Anblick des Gruͤns und des offenen Himmels zu genießen; und in dem
zufriednen Genuß dieſer Vortheile iſt ihre Beſtimmung erfuͤllt. Der enge Raum
verſtattet darin keinen Reichthum, noch Mannigfaltigkeit der Scenen. Die Nach-
barſchaft der Gebaͤude mag hier ihre Symmetrie ausdehnen; das Ebenmaaß in Gaͤn-
gen, Beeten und Baumpflanzungen dient hier zur Bequemlichkeit, und laͤßt den
Beſitzer ſein kleines Eigenthum deſto freyer uͤberſehen. Eine dicke Mauer mag ſei-
nen Gewaͤchſen mehr Schutz und Waͤrme mittheilen; eine Laube auf dieſer Ecke mag
einer andern auf jener zuwinken, wenns auch nur waͤre, um den Platz nicht leer zu
laſſen; ein kuͤnſtlicher Springbrunnen ſpiele und plaͤtſchere einem andern entgegen,
weil kein fließender Bach da iſt, um ihn zu verdraͤngen. Auf einem ſo eingeſchraͤnk-
ten Platz wird man mehr fuͤr Beduͤrfniß und Bequemlichkeit, als fuͤr Ergoͤtzung der
Phantaſie zu ſorgen haben. Die Natur giebt hier die Rechte auf, die ſie in ausge-
dehnten Gegenden behauptet, und der Geſchmack iſt ſchon befriedigt, wenn er nur
nicht beleidigt wird. Eben dieſes gilt von Gaͤrten, die nahe um die Staͤdte herum,
zuweilen in einer Reihe neben einander, in ſehr kleinen Bezirken liegen.

Freye Plaͤtze um Gebaͤude, beſonders um Palaͤſte, erfordern, wie ſchon oben
bemerkt iſt, eine ſymmetriſche Einrichtung und Verzierung, wegen ihrer genauen
Verbindung mit dem Werke der Architektur, dem ſie zugehoͤren. Selbſt ihr ebener
Boden hat ſie ſchon dazu vorbereitet. Außerdem wuͤrde ihre freyere Bepflanzung
dem Licht und dem edlern Anſehen der Gebaͤude ſchaden, deren Anblick ſie ſchon in der
Ferne verſchoͤnern zu helfen beſtimmt ſind. Die Wichtigkeit oder der Adel eines Ge-
baͤudes muß ſich durch alle Theile ſeiner Nachbarſchaft ankuͤndigen. Sie fuͤhren den
Namen von Gaͤrten in einer ſehr uneigentlichen Bedeutung; man ſollte ſie nennen,
was ſie ſind, gezierte Plaͤtze, Vorplaͤtze, offene Vorhoͤfe oder wie man anders will.
Alle andere Plaͤtze, die mitten in Staͤdten liegen, verlangen eben ſo Symmetrie in
der Bepflanzung und Auszierung.

Von
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[140/0154] Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten Man liebt faſt in allen Staͤdten einen freyen Austritt hinter den Wohnhaͤuſern, um den Genuß der friſchen Luft und eines bequemen Spazierganges zu haben; daher die alte und noch herrſchende Gewohnheit, da kleine Gaͤrten oder Luſtplaͤtze anzulegen. Dieſe Gewohnheit iſt weniger anſtoͤßig, als jene, die das Land in die Stadt traͤgt, indem ſie die Vorderſeiten der Haͤuſer auf den Gaſſen mit Baͤumen bepflanzt, die zwar den Vortheil des Schattens geben, aber dem freyern Durchzug der Luft weh- ren, den Gebaͤuden durch ihre Feuchtigkeit ſchaden, und ihrem Anſehen nicht wenig entziehen. Dieſe Gaͤrten hinter den Haͤuſern haben faſt keine andere Beſtimmung, als darin friſche Luft zu athmen, einen Spaziergang oder einen Sitz im Schatten zu finden, den Anblick des Gruͤns und des offenen Himmels zu genießen; und in dem zufriednen Genuß dieſer Vortheile iſt ihre Beſtimmung erfuͤllt. Der enge Raum verſtattet darin keinen Reichthum, noch Mannigfaltigkeit der Scenen. Die Nach- barſchaft der Gebaͤude mag hier ihre Symmetrie ausdehnen; das Ebenmaaß in Gaͤn- gen, Beeten und Baumpflanzungen dient hier zur Bequemlichkeit, und laͤßt den Beſitzer ſein kleines Eigenthum deſto freyer uͤberſehen. Eine dicke Mauer mag ſei- nen Gewaͤchſen mehr Schutz und Waͤrme mittheilen; eine Laube auf dieſer Ecke mag einer andern auf jener zuwinken, wenns auch nur waͤre, um den Platz nicht leer zu laſſen; ein kuͤnſtlicher Springbrunnen ſpiele und plaͤtſchere einem andern entgegen, weil kein fließender Bach da iſt, um ihn zu verdraͤngen. Auf einem ſo eingeſchraͤnk- ten Platz wird man mehr fuͤr Beduͤrfniß und Bequemlichkeit, als fuͤr Ergoͤtzung der Phantaſie zu ſorgen haben. Die Natur giebt hier die Rechte auf, die ſie in ausge- dehnten Gegenden behauptet, und der Geſchmack iſt ſchon befriedigt, wenn er nur nicht beleidigt wird. Eben dieſes gilt von Gaͤrten, die nahe um die Staͤdte herum, zuweilen in einer Reihe neben einander, in ſehr kleinen Bezirken liegen. Freye Plaͤtze um Gebaͤude, beſonders um Palaͤſte, erfordern, wie ſchon oben bemerkt iſt, eine ſymmetriſche Einrichtung und Verzierung, wegen ihrer genauen Verbindung mit dem Werke der Architektur, dem ſie zugehoͤren. Selbſt ihr ebener Boden hat ſie ſchon dazu vorbereitet. Außerdem wuͤrde ihre freyere Bepflanzung dem Licht und dem edlern Anſehen der Gebaͤude ſchaden, deren Anblick ſie ſchon in der Ferne verſchoͤnern zu helfen beſtimmt ſind. Die Wichtigkeit oder der Adel eines Ge- baͤudes muß ſich durch alle Theile ſeiner Nachbarſchaft ankuͤndigen. Sie fuͤhren den Namen von Gaͤrten in einer ſehr uneigentlichen Bedeutung; man ſollte ſie nennen, was ſie ſind, gezierte Plaͤtze, Vorplaͤtze, offene Vorhoͤfe oder wie man anders will. Alle andere Plaͤtze, die mitten in Staͤdten liegen, verlangen eben ſo Symmetrie in der Bepflanzung und Auszierung. Von

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/154>, abgerufen am 19.04.2024.