Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Lustgärten. Warum sollte nicht ein ganzes Feld in eine Art von Garten durch häu-figes Baumsetzen verwandelt werden, das dem Eigenthümer zu eben so vielem Nutzen als Vergnügen gereichen kann? Ein mit Weiden überwachsenes Land, oder ein mit Eichen beschattetes Gebirge sind nicht allein schöner, sondern auch nützlicher, als wenn sie wüste und ungeschmückt lägen. Kornfelder machen eine angenehme Aussicht, und wenn für die dazwischen laufenden Gänge ein wenig gesorgt, dem natürlichen Stick- werke der Wiesen durch einige kleine Zusätze der Kunst geholfen wird, und die ver- schiedenen Reihen der Hecken mit Bäumen und Blumen abwechseln; so läßt sich schon aus einem Gute eine artige Landschaft bilden. -- Um diese gesunden Grund- sätze noch mehr zu unterstützen, gab Addison *) nachher eine kleine artige Schilde- rung von einem der Natur gemäßen Garten. Hier ist sie: "Ich habe verschiedene Morgen Land um mein Haus herum, welche ich mei- nen Garten nenne, und von welchen ein erfahrner Gärtner nicht wissen würde, wie er sie nennen sollte. Es ist eine Verwirrung von einem Küchengarten und Grasplatze, Baumgarten und Blumengarten, die so vermischt unter einander liegen, daß ein Fremder ihn als eine natürliche Wildniß ansehen würde. Meine Blumen wachsen an verschiedenen Theilen des Gartens in der größten Geilheit und Menge auf. Ich bin in keine einzige besonders, wegen ihrer Sel- tenheit, verliebt; und treffe ich eine im Felde an, die mir gefällt, so gebe ich ihr einen Platz in meinem Garten. Verschiedene große Flecken Landes sind mit tausend abwechselnden Farben bedeckt. Die einzige Ordnung, die ich in die- sem Stücke beobachte, besteht darin, daß ich die Geburten von einerley Jahrs- zeit in einem Platze zusammensetze, damit sie zugleich erscheinen und ein Ge- mälde von der größten Mannigfaltigkeit ausmachen mögen. Eben die Unre- gelmäßigkeit findet sich unter meinen Pflanzen, die in eine so große Wildheit aufschießen, als ihre Natur erlaubt. Ergötzend ist es, wenn ich in einem Labyrinth von meiner eigenen Zucht spaziere, und nicht weiß, ob der nächste Baum, den ich antreffen werde, ein Apfelbaum, oder eine Eiche, eine Ulme oder ein Birnbaum ist. Mein Küchengarten hat gleichfalls seine besondern angewiesenen Abtheilungen; denn ich bin der Meynung, daß ein Küchengar- ten angenehmer aussieht, als die feinste Orangerie oder das künstlichste Ge- wächshaus. Ich sehe gern eine jede Sache in ihrer Vollkommenheit, und es vergnügt mich weit mehr, meine Gänge von Kohlkräutern und Stauden, nebst tausend ungenannten Küchenkräutern, in ihrem vollen Geruche und Grünen aufwachsen zu sehen, als die zarten Pflanzen fremder Landschaften, die nur eine künstliche *) 477stes St.
Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten Luſtgaͤrten. Warum ſollte nicht ein ganzes Feld in eine Art von Garten durch haͤu-figes Baumſetzen verwandelt werden, das dem Eigenthuͤmer zu eben ſo vielem Nutzen als Vergnuͤgen gereichen kann? Ein mit Weiden uͤberwachſenes Land, oder ein mit Eichen beſchattetes Gebirge ſind nicht allein ſchoͤner, ſondern auch nuͤtzlicher, als wenn ſie wuͤſte und ungeſchmuͤckt laͤgen. Kornfelder machen eine angenehme Ausſicht, und wenn fuͤr die dazwiſchen laufenden Gaͤnge ein wenig geſorgt, dem natuͤrlichen Stick- werke der Wieſen durch einige kleine Zuſaͤtze der Kunſt geholfen wird, und die ver- ſchiedenen Reihen der Hecken mit Baͤumen und Blumen abwechſeln; ſo laͤßt ſich ſchon aus einem Gute eine artige Landſchaft bilden. — Um dieſe geſunden Grund- ſaͤtze noch mehr zu unterſtuͤtzen, gab Addiſon *) nachher eine kleine artige Schilde- rung von einem der Natur gemaͤßen Garten. Hier iſt ſie: „Ich habe verſchiedene Morgen Land um mein Haus herum, welche ich mei- nen Garten nenne, und von welchen ein erfahrner Gaͤrtner nicht wiſſen wuͤrde, wie er ſie nennen ſollte. Es iſt eine Verwirrung von einem Kuͤchengarten und Grasplatze, Baumgarten und Blumengarten, die ſo vermiſcht unter einander liegen, daß ein Fremder ihn als eine natuͤrliche Wildniß anſehen wuͤrde. Meine Blumen wachſen an verſchiedenen Theilen des Gartens in der groͤßten Geilheit und Menge auf. Ich bin in keine einzige beſonders, wegen ihrer Sel- tenheit, verliebt; und treffe ich eine im Felde an, die mir gefaͤllt, ſo gebe ich ihr einen Platz in meinem Garten. Verſchiedene große Flecken Landes ſind mit tauſend abwechſelnden Farben bedeckt. Die einzige Ordnung, die ich in die- ſem Stuͤcke beobachte, beſteht darin, daß ich die Geburten von einerley Jahrs- zeit in einem Platze zuſammenſetze, damit ſie zugleich erſcheinen und ein Ge- maͤlde von der groͤßten Mannigfaltigkeit ausmachen moͤgen. Eben die Unre- gelmaͤßigkeit findet ſich unter meinen Pflanzen, die in eine ſo große Wildheit aufſchießen, als ihre Natur erlaubt. Ergoͤtzend iſt es, wenn ich in einem Labyrinth von meiner eigenen Zucht ſpaziere, und nicht weiß, ob der naͤchſte Baum, den ich antreffen werde, ein Apfelbaum, oder eine Eiche, eine Ulme oder ein Birnbaum iſt. Mein Kuͤchengarten hat gleichfalls ſeine beſondern angewieſenen Abtheilungen; denn ich bin der Meynung, daß ein Kuͤchengar- ten angenehmer ausſieht, als die feinſte Orangerie oder das kuͤnſtlichſte Ge- waͤchshaus. Ich ſehe gern eine jede Sache in ihrer Vollkommenheit, und es vergnuͤgt mich weit mehr, meine Gaͤnge von Kohlkraͤutern und Stauden, nebſt tauſend ungenannten Kuͤchenkraͤutern, in ihrem vollen Geruche und Gruͤnen aufwachſen zu ſehen, als die zarten Pflanzen fremder Landſchaften, die nur eine kuͤnſtliche *) 477ſtes St.
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Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten
Luſtgaͤrten. Warum ſollte nicht ein ganzes Feld in eine Art von Garten durch haͤu-
figes Baumſetzen verwandelt werden, das dem Eigenthuͤmer zu eben ſo vielem Nutzen
als Vergnuͤgen gereichen kann? Ein mit Weiden uͤberwachſenes Land, oder ein mit
Eichen beſchattetes Gebirge ſind nicht allein ſchoͤner, ſondern auch nuͤtzlicher, als wenn
ſie wuͤſte und ungeſchmuͤckt laͤgen. Kornfelder machen eine angenehme Ausſicht, und
wenn fuͤr die dazwiſchen laufenden Gaͤnge ein wenig geſorgt, dem natuͤrlichen Stick-
werke der Wieſen durch einige kleine Zuſaͤtze der Kunſt geholfen wird, und die ver-
ſchiedenen Reihen der Hecken mit Baͤumen und Blumen abwechſeln; ſo laͤßt ſich
ſchon aus einem Gute eine artige Landſchaft bilden. — Um dieſe geſunden Grund-
ſaͤtze noch mehr zu unterſtuͤtzen, gab Addiſon *) nachher eine kleine artige Schilde-
rung von einem der Natur gemaͤßen Garten. Hier iſt ſie:
„Ich habe verſchiedene Morgen Land um mein Haus herum, welche ich mei-
nen Garten nenne, und von welchen ein erfahrner Gaͤrtner nicht wiſſen wuͤrde,
wie er ſie nennen ſollte. Es iſt eine Verwirrung von einem Kuͤchengarten und
Grasplatze, Baumgarten und Blumengarten, die ſo vermiſcht unter einander
liegen, daß ein Fremder ihn als eine natuͤrliche Wildniß anſehen wuͤrde.
Meine Blumen wachſen an verſchiedenen Theilen des Gartens in der groͤßten
Geilheit und Menge auf. Ich bin in keine einzige beſonders, wegen ihrer Sel-
tenheit, verliebt; und treffe ich eine im Felde an, die mir gefaͤllt, ſo gebe ich ihr
einen Platz in meinem Garten. Verſchiedene große Flecken Landes ſind mit
tauſend abwechſelnden Farben bedeckt. Die einzige Ordnung, die ich in die-
ſem Stuͤcke beobachte, beſteht darin, daß ich die Geburten von einerley Jahrs-
zeit in einem Platze zuſammenſetze, damit ſie zugleich erſcheinen und ein Ge-
maͤlde von der groͤßten Mannigfaltigkeit ausmachen moͤgen. Eben die Unre-
gelmaͤßigkeit findet ſich unter meinen Pflanzen, die in eine ſo große Wildheit
aufſchießen, als ihre Natur erlaubt. Ergoͤtzend iſt es, wenn ich in einem
Labyrinth von meiner eigenen Zucht ſpaziere, und nicht weiß, ob der naͤchſte
Baum, den ich antreffen werde, ein Apfelbaum, oder eine Eiche, eine Ulme
oder ein Birnbaum iſt. Mein Kuͤchengarten hat gleichfalls ſeine beſondern
angewieſenen Abtheilungen; denn ich bin der Meynung, daß ein Kuͤchengar-
ten angenehmer ausſieht, als die feinſte Orangerie oder das kuͤnſtlichſte Ge-
waͤchshaus. Ich ſehe gern eine jede Sache in ihrer Vollkommenheit, und es
vergnuͤgt mich weit mehr, meine Gaͤnge von Kohlkraͤutern und Stauden, nebſt
tauſend ungenannten Kuͤchenkraͤutern, in ihrem vollen Geruche und Gruͤnen
aufwachſen zu ſehen, als die zarten Pflanzen fremder Landſchaften, die nur eine
kuͤnſtliche
*) 477ſtes St.
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