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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten
Auch entdeckte der Blick von Bäumen umschattete Höhlen;
Grotten mit kühlen Gemächern, worüber der fruchtbare Weinstock
Purpurne Trauben gelegt, und angenehm schlängelnd sich fortbog,
Murmelnd fallen indeß von Klippen silberne Quellen,
Die mit rieselndem Lauf sich in die Auen vertheilen,
Oder in einem stehenden See die Fluthen versammeln,
Welcher dem Ufer, mit Myrthen gekrönt, den crystallenen Spiegel
Vorhält; lieblich erschallt hiezu die Stimme der Vögel;
Und die süßesten Lüfte, die reinsten Frühlingslüfte,
Welche den holden Geruch der Fluren und Wälder verhauchen,
Stimmen dazu mit sanftem Geräusch die zitternden Blätter.

Allein die Stimme dieses Herolds des guten Geschmacks konnte noch nicht durch die
harten Vorurtheile seiner Zeit durchdringen. Lord Temple *) erschien, mehr wie
Vertheidiger der alten Manier, als daß er auf der vorgezeichneten Bahn des Dich-
ters hätte vorrücken sollen. Er versicherte, daß man in England nie eine so große
Neigung zu Lustgärten gehabt, als zu seiner Zeit, daß sie nie besser unterhalten wor-
den, daß sie nirgends schöner seyn könnten, als in seinem Vaterlande. So viel Gu-
tes er auch von der Anlage der Fruchtgärten, von der Ziehung der Obstbäume,
die in England fortkommen, vorträgt; so sehr stechen dagegen seine Vorschriften ab,
wo es auf Geschmack ankömmt. Er verlangt vier Stück zu einem Garten, Früchte,
Blumen, Schatten, Wasser. Zunächst am Hause müsse ein Rasen liegen, auf
allen Seiten mit Blumen eingefaßt; der Mangel an Blumen bringe eine gewisse
Leere hervor, die mit einigen Springbrunnen und Statuen gehoben werden könnte.
Der nächste Platz um das Wohnhaus müsse ganz offen seyn; keine andern Bäume,
als die an kleinen Geländern gezogen sind. Wenn dieses die eine Hälfte des Garten-
platzes wegnähme, so könne man die andern mit Fruchtbäumen erfüllen, wenn man
nicht etwa des Schattens wegen in dem Zwischenraum ein kleines Gehölz anlegen
wolle. So weit nicht ganz unrecht, wenigstens erträglich genug nach dem Geschmack
seiner Zeit. Aber weiter fordert der Lord ein vollkommenes Viereck, als die ange-
nehmste Form des Gartens; außerdem müsse er ganz eben oder doch nur wenig ab-
hängig seyn. Sein Muster war der Park zu Moore, nach seiner Meynung der
schönste, den er in England und in andern Ländern gesehen. Mitten auf einer von
Sand bedeckten und mit Lorbeerbäumen eingefaßten Terrasse lag ein großes Cabinet;
von der Terrasse stieg man in ein geräumiges Parterre herab auf drey steinernen Trep-
pen, wovon eine in der Mitte, die andern aber auf beyden Enden lagen. Fontainen,

Statuen,
*) Der Garten des Epikur, in seinen miscellanies.
Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten
Auch entdeckte der Blick von Baͤumen umſchattete Hoͤhlen;
Grotten mit kuͤhlen Gemaͤchern, woruͤber der fruchtbare Weinſtock
Purpurne Trauben gelegt, und angenehm ſchlaͤngelnd ſich fortbog,
Murmelnd fallen indeß von Klippen ſilberne Quellen,
Die mit rieſelndem Lauf ſich in die Auen vertheilen,
Oder in einem ſtehenden See die Fluthen verſammeln,
Welcher dem Ufer, mit Myrthen gekroͤnt, den cryſtallenen Spiegel
Vorhaͤlt; lieblich erſchallt hiezu die Stimme der Voͤgel;
Und die ſuͤßeſten Luͤfte, die reinſten Fruͤhlingsluͤfte,
Welche den holden Geruch der Fluren und Waͤlder verhauchen,
Stimmen dazu mit ſanftem Geraͤuſch die zitternden Blaͤtter.

Allein die Stimme dieſes Herolds des guten Geſchmacks konnte noch nicht durch die
harten Vorurtheile ſeiner Zeit durchdringen. Lord Temple *) erſchien, mehr wie
Vertheidiger der alten Manier, als daß er auf der vorgezeichneten Bahn des Dich-
ters haͤtte vorruͤcken ſollen. Er verſicherte, daß man in England nie eine ſo große
Neigung zu Luſtgaͤrten gehabt, als zu ſeiner Zeit, daß ſie nie beſſer unterhalten wor-
den, daß ſie nirgends ſchoͤner ſeyn koͤnnten, als in ſeinem Vaterlande. So viel Gu-
tes er auch von der Anlage der Fruchtgaͤrten, von der Ziehung der Obſtbaͤume,
die in England fortkommen, vortraͤgt; ſo ſehr ſtechen dagegen ſeine Vorſchriften ab,
wo es auf Geſchmack ankoͤmmt. Er verlangt vier Stuͤck zu einem Garten, Fruͤchte,
Blumen, Schatten, Waſſer. Zunaͤchſt am Hauſe muͤſſe ein Raſen liegen, auf
allen Seiten mit Blumen eingefaßt; der Mangel an Blumen bringe eine gewiſſe
Leere hervor, die mit einigen Springbrunnen und Statuen gehoben werden koͤnnte.
Der naͤchſte Platz um das Wohnhaus muͤſſe ganz offen ſeyn; keine andern Baͤume,
als die an kleinen Gelaͤndern gezogen ſind. Wenn dieſes die eine Haͤlfte des Garten-
platzes wegnaͤhme, ſo koͤnne man die andern mit Fruchtbaͤumen erfuͤllen, wenn man
nicht etwa des Schattens wegen in dem Zwiſchenraum ein kleines Gehoͤlz anlegen
wolle. So weit nicht ganz unrecht, wenigſtens ertraͤglich genug nach dem Geſchmack
ſeiner Zeit. Aber weiter fordert der Lord ein vollkommenes Viereck, als die ange-
nehmſte Form des Gartens; außerdem muͤſſe er ganz eben oder doch nur wenig ab-
haͤngig ſeyn. Sein Muſter war der Park zu Moore, nach ſeiner Meynung der
ſchoͤnſte, den er in England und in andern Laͤndern geſehen. Mitten auf einer von
Sand bedeckten und mit Lorbeerbaͤumen eingefaßten Terraſſe lag ein großes Cabinet;
von der Terraſſe ſtieg man in ein geraͤumiges Parterre herab auf drey ſteinernen Trep-
pen, wovon eine in der Mitte, die andern aber auf beyden Enden lagen. Fontainen,

Statuen,
*) Der Garten des Epikur, in ſeinen miſcellanies.
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[124/0138] Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten Auch entdeckte der Blick von Baͤumen umſchattete Hoͤhlen; Grotten mit kuͤhlen Gemaͤchern, woruͤber der fruchtbare Weinſtock Purpurne Trauben gelegt, und angenehm ſchlaͤngelnd ſich fortbog, Murmelnd fallen indeß von Klippen ſilberne Quellen, Die mit rieſelndem Lauf ſich in die Auen vertheilen, Oder in einem ſtehenden See die Fluthen verſammeln, Welcher dem Ufer, mit Myrthen gekroͤnt, den cryſtallenen Spiegel Vorhaͤlt; lieblich erſchallt hiezu die Stimme der Voͤgel; Und die ſuͤßeſten Luͤfte, die reinſten Fruͤhlingsluͤfte, Welche den holden Geruch der Fluren und Waͤlder verhauchen, Stimmen dazu mit ſanftem Geraͤuſch die zitternden Blaͤtter. Allein die Stimme dieſes Herolds des guten Geſchmacks konnte noch nicht durch die harten Vorurtheile ſeiner Zeit durchdringen. Lord Temple *) erſchien, mehr wie Vertheidiger der alten Manier, als daß er auf der vorgezeichneten Bahn des Dich- ters haͤtte vorruͤcken ſollen. Er verſicherte, daß man in England nie eine ſo große Neigung zu Luſtgaͤrten gehabt, als zu ſeiner Zeit, daß ſie nie beſſer unterhalten wor- den, daß ſie nirgends ſchoͤner ſeyn koͤnnten, als in ſeinem Vaterlande. So viel Gu- tes er auch von der Anlage der Fruchtgaͤrten, von der Ziehung der Obſtbaͤume, die in England fortkommen, vortraͤgt; ſo ſehr ſtechen dagegen ſeine Vorſchriften ab, wo es auf Geſchmack ankoͤmmt. Er verlangt vier Stuͤck zu einem Garten, Fruͤchte, Blumen, Schatten, Waſſer. Zunaͤchſt am Hauſe muͤſſe ein Raſen liegen, auf allen Seiten mit Blumen eingefaßt; der Mangel an Blumen bringe eine gewiſſe Leere hervor, die mit einigen Springbrunnen und Statuen gehoben werden koͤnnte. Der naͤchſte Platz um das Wohnhaus muͤſſe ganz offen ſeyn; keine andern Baͤume, als die an kleinen Gelaͤndern gezogen ſind. Wenn dieſes die eine Haͤlfte des Garten- platzes wegnaͤhme, ſo koͤnne man die andern mit Fruchtbaͤumen erfuͤllen, wenn man nicht etwa des Schattens wegen in dem Zwiſchenraum ein kleines Gehoͤlz anlegen wolle. So weit nicht ganz unrecht, wenigſtens ertraͤglich genug nach dem Geſchmack ſeiner Zeit. Aber weiter fordert der Lord ein vollkommenes Viereck, als die ange- nehmſte Form des Gartens; außerdem muͤſſe er ganz eben oder doch nur wenig ab- haͤngig ſeyn. Sein Muſter war der Park zu Moore, nach ſeiner Meynung der ſchoͤnſte, den er in England und in andern Laͤndern geſehen. Mitten auf einer von Sand bedeckten und mit Lorbeerbaͤumen eingefaßten Terraſſe lag ein großes Cabinet; von der Terraſſe ſtieg man in ein geraͤumiges Parterre herab auf drey ſteinernen Trep- pen, wovon eine in der Mitte, die andern aber auf beyden Enden lagen. Fontainen, Statuen, *) Der Garten des Epikur, in ſeinen miſcellanies.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/138>, abgerufen am 22.11.2024.