Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

und wer es in diesem Erdenleben auf et-
was Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr,
weniger zu werden und den Zweck des Schöp-
fers zu verrücken. Kennen wir ein edleres
Geschöpf ausser ihm, in welchem die Kraft
liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu den-
ken? -- und diesen Vorzug hat auch der Ver-
worfenste nicht aufgegeben -- Einen Augen-
blick, nicht aber immer, kann der Mensch
auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun -- Ist
die Vernunft nicht mehr als Alles? und ver-
dient sie diesen Namen, wenn sie nicht Be-
gierden einschränken kann? Kann man nicht
das Thier am Menschen fast vergöttlichen und
seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, be-
drohen --? Wo sie ist, da wohnt Mensch-
heit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit die-
se Würde im andern Geschlechte verkennen
wollen, heisst: keine Regel übrig lassen, sei-
nen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht
steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen,
sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist,
sich versündigen -- -- Kann etwas Sache
Gottes
seyn, was der Vernunft widerspricht?

und wer es in diesem Erdenleben auf et-
was Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr,
weniger zu werden und den Zweck des Schöp-
fers zu verrücken. Kennen wir ein edleres
Geschöpf auſser ihm, in welchem die Kraft
liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu den-
ken? — und diesen Vorzug hat auch der Ver-
worfenste nicht aufgegeben — Einen Augen-
blick, nicht aber immer, kann der Mensch
auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun — Ist
die Vernunft nicht mehr als Alles? und ver-
dient sie diesen Namen, wenn sie nicht Be-
gierden einschränken kann? Kann man nicht
das Thier am Menschen fast vergöttlichen und
seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, be-
drohen —? Wo sie ist, da wohnt Mensch-
heit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit die-
se Würde im andern Geschlechte verkennen
wollen, heiſst: keine Regel übrig lassen, sei-
nen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht
steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen,
sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist,
sich versündigen — — Kann etwas Sache
Gottes
seyn, was der Vernunft widerspricht?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="38"/>
und wer es in diesem Erdenleben auf et-<lb/>
was Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr,<lb/>
weniger zu werden und den Zweck des Schöp-<lb/>
fers zu verrücken. Kennen wir ein edleres<lb/>
Geschöpf au&#x017F;ser ihm, in welchem die Kraft<lb/>
liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu den-<lb/>
ken? &#x2014; und diesen Vorzug hat auch der Ver-<lb/>
worfenste nicht aufgegeben &#x2014; Einen Augen-<lb/>
blick, nicht aber immer, kann der Mensch<lb/>
auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun &#x2014; Ist<lb/>
die Vernunft nicht mehr als Alles? und ver-<lb/>
dient sie diesen Namen, wenn sie nicht Be-<lb/>
gierden einschränken kann? Kann man nicht<lb/>
das Thier am Menschen fast vergöttlichen und<lb/>
seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, be-<lb/>
drohen &#x2014;? Wo <hi rendition="#i">sie</hi> ist, da wohnt Mensch-<lb/>
heit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit die-<lb/>
se Würde im andern Geschlechte verkennen<lb/>
wollen, hei&#x017F;st: keine Regel übrig lassen, sei-<lb/>
nen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht<lb/>
steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen,<lb/>
sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist,<lb/>
sich versündigen &#x2014; &#x2014; Kann etwas <hi rendition="#i">Sache<lb/>
Gottes</hi> seyn, was der <hi rendition="#i">Vernunft</hi> widerspricht?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0046] und wer es in diesem Erdenleben auf et- was Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr, weniger zu werden und den Zweck des Schöp- fers zu verrücken. Kennen wir ein edleres Geschöpf auſser ihm, in welchem die Kraft liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu den- ken? — und diesen Vorzug hat auch der Ver- worfenste nicht aufgegeben — Einen Augen- blick, nicht aber immer, kann der Mensch auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun — Ist die Vernunft nicht mehr als Alles? und ver- dient sie diesen Namen, wenn sie nicht Be- gierden einschränken kann? Kann man nicht das Thier am Menschen fast vergöttlichen und seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, be- drohen —? Wo sie ist, da wohnt Mensch- heit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit die- se Würde im andern Geschlechte verkennen wollen, heiſst: keine Regel übrig lassen, sei- nen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen, sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist, sich versündigen — — Kann etwas Sache Gottes seyn, was der Vernunft widerspricht?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/46
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/46>, abgerufen am 27.11.2024.