Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

dies unschuldige Geschöpf entreissen, ein Do-
mainen-Stück taxiren, den verfallenen Nah-
rungsstand eines Fleckens untersuchen, die
Klagen von hundert unterdrückten Bauern hö-
ren, und einer Wittwe zu dem ihr vertheuer-
ten Rechte verhelfen, und ihre Rechtssache
verkürzen sollen) -- ein Lied auf den Früh-
ling zusammenstümpern, einer Wildenschweins-
jagd beiwohnen, ein Pikenik abwarten, eine
Strohkranzrede halten, oder in Liebelei ver-
sinken -- Haben doch Könige und Fürsten
Kühe gemolken, Netze gestrickt, Knöpfe ge-
drechselt, gemahlt u. s. w. Leibnitz war so
wenig Professor Philosophiae, als Wieland
Professor Poeseos;
und was giebt es denn für
grosse Gegenstände des menschlichen Wissens,
für die nicht Jemand aus dem andern Ge-
schlechte eine Neigung gezeigt hätte? Die
Geduld, das Ausdauern der Weiber ist zum
Bewundern; und legen' sie nicht täglich davon
ein Zeugniss ab, indem sie die Formen nicht
zerbrechen, in welche Gewalt und List sie
goss? indem sie Kinder erziehen und in's Ge-
leise bringen, die ihre Väter oft durch blinde

dies unschuldige Geschöpf entreiſsen, ein Do-
mainen-Stück taxiren, den verfallenen Nah-
rungsstand eines Fleckens untersuchen, die
Klagen von hundert unterdrückten Bauern hö-
ren, und einer Wittwe zu dem ihr vertheuer-
ten Rechte verhelfen, und ihre Rechtssache
verkürzen sollen) — ein Lied auf den Früh-
ling zusammenstümpern, einer Wildenschweins-
jagd beiwohnen, ein Pikenik abwarten, eine
Strohkranzrede halten, oder in Liebelei ver-
sinken — Haben doch Könige und Fürsten
Kühe gemolken, Netze gestrickt, Knöpfe ge-
drechselt, gemahlt u. s. w. Leibnitz war so
wenig Professor Philosophiae, als Wieland
Professor Poëseos;
und was giebt es denn für
groſse Gegenstände des menschlichen Wissens,
für die nicht Jemand aus dem andern Ge-
schlechte eine Neigung gezeigt hätte? Die
Geduld, das Ausdauern der Weiber ist zum
Bewundern; und legen’ sie nicht täglich davon
ein Zeugniſs ab, indem sie die Formen nicht
zerbrechen, in welche Gewalt und List sie
goſs? indem sie Kinder erziehen und in’s Ge-
leise bringen, die ihre Väter oft durch blinde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0389" n="381"/>
dies unschuldige Geschöpf entrei&#x017F;sen, ein Do-<lb/>
mainen-Stück taxiren, den verfallenen Nah-<lb/>
rungsstand eines Fleckens untersuchen, die<lb/>
Klagen von hundert unterdrückten Bauern hö-<lb/>
ren, und einer Wittwe zu dem ihr vertheuer-<lb/>
ten Rechte verhelfen, und ihre Rechtssache<lb/>
verkürzen sollen) &#x2014; ein Lied auf den Früh-<lb/>
ling zusammenstümpern, einer Wildenschweins-<lb/>
jagd beiwohnen, ein Pikenik abwarten, eine<lb/>
Strohkranzrede halten, oder in Liebelei ver-<lb/>
sinken &#x2014; Haben doch Könige und Fürsten<lb/>
Kühe gemolken, Netze gestrickt, Knöpfe ge-<lb/>
drechselt, gemahlt u. s. w. <hi rendition="#i">Leibnitz</hi> war so<lb/>
wenig <hi rendition="#i">Professor Philosophiae,</hi> als <hi rendition="#i">Wieland<lb/>
Professor Poëseos;</hi> und was giebt es denn für<lb/>
gro&#x017F;se Gegenstände des menschlichen Wissens,<lb/>
für die nicht Jemand aus dem andern Ge-<lb/>
schlechte eine Neigung gezeigt hätte? Die<lb/>
Geduld, das Ausdauern der Weiber ist zum<lb/>
Bewundern; und legen&#x2019; sie nicht täglich davon<lb/>
ein Zeugni&#x017F;s ab, indem sie die Formen nicht<lb/>
zerbrechen, in welche Gewalt und List sie<lb/>
go&#x017F;s? indem sie Kinder erziehen und in&#x2019;s Ge-<lb/>
leise bringen, die ihre Väter oft durch blinde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0389] dies unschuldige Geschöpf entreiſsen, ein Do- mainen-Stück taxiren, den verfallenen Nah- rungsstand eines Fleckens untersuchen, die Klagen von hundert unterdrückten Bauern hö- ren, und einer Wittwe zu dem ihr vertheuer- ten Rechte verhelfen, und ihre Rechtssache verkürzen sollen) — ein Lied auf den Früh- ling zusammenstümpern, einer Wildenschweins- jagd beiwohnen, ein Pikenik abwarten, eine Strohkranzrede halten, oder in Liebelei ver- sinken — Haben doch Könige und Fürsten Kühe gemolken, Netze gestrickt, Knöpfe ge- drechselt, gemahlt u. s. w. Leibnitz war so wenig Professor Philosophiae, als Wieland Professor Poëseos; und was giebt es denn für groſse Gegenstände des menschlichen Wissens, für die nicht Jemand aus dem andern Ge- schlechte eine Neigung gezeigt hätte? Die Geduld, das Ausdauern der Weiber ist zum Bewundern; und legen’ sie nicht täglich davon ein Zeugniſs ab, indem sie die Formen nicht zerbrechen, in welche Gewalt und List sie goſs? indem sie Kinder erziehen und in’s Ge- leise bringen, die ihre Väter oft durch blinde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/389
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/389>, abgerufen am 11.05.2024.