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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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Fehler hält und Männern von Verdiensten so
liebreich und zuvorkommend begegnet, dass
diese nicht umhin können, ihr eine vorzüg-
liche Dankbarkeit zu erweisen -- Doch sol-
len hierdurch Begierden nicht geweckt oder
gereitzt werden; nie denkt jene liebe Frau sie
zu befriedigen, und der Mann, der darauf
Rechnung machen wollte, wäre ein Neuling,
oder ein Prahler oder -- Wenn der liebe
Gott einen Menschen strafen will, so fängt er
an, ihn inconsequent reden oder handeln zu
lassen -- -- Es giebt stillschweigende Be-
dingungen, die, ob sie gleich nicht verabredet,
sondern vorausgesetzt und angenommen sind,
doch heiliger als schriftliche Contrakte, mit
Notariatssiegeln verunstaltet, erfüllt werden
-- sie sind eine Art von Spielschuld, die
auch den Königlichen Allerhöchsten Kassen
vorgeht -- Bei der jetzigen Lage der Dinge
trägt diese Koketterie des gemeinen Lebens
dazu bei, dass der Umgang anziehender wird
-- man macht, wenn ich so sagen darf, nicht
dem Körper, sondern der Seele den Hof, und
es giebt in der That Seelen-Cicisbeos, die un-

Fehler hält und Männern von Verdiensten so
liebreich und zuvorkommend begegnet, daſs
diese nicht umhin können, ihr eine vorzüg-
liche Dankbarkeit zu erweisen — Doch sol-
len hierdurch Begierden nicht geweckt oder
gereitzt werden; nie denkt jene liebe Frau sie
zu befriedigen, und der Mann, der darauf
Rechnung machen wollte, wäre ein Neuling,
oder ein Prahler oder — Wenn der liebe
Gott einen Menschen strafen will, so fängt er
an, ihn inconsequent reden oder handeln zu
lassen — — Es giebt stillschweigende Be-
dingungen, die, ob sie gleich nicht verabredet,
sondern vorausgesetzt und angenommen sind,
doch heiliger als schriftliche Contrakte, mit
Notariatssiegeln verunstaltet, erfüllt werden
— sie sind eine Art von Spielschuld, die
auch den Königlichen Allerhöchsten Kassen
vorgeht — Bei der jetzigen Lage der Dinge
trägt diese Koketterie des gemeinen Lebens
dazu bei, daſs der Umgang anziehender wird
— man macht, wenn ich so sagen darf, nicht
dem Körper, sondern der Seele den Hof, und
es giebt in der That Seelen-Cicisbeos, die un-

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[363/0371] Fehler hält und Männern von Verdiensten so liebreich und zuvorkommend begegnet, daſs diese nicht umhin können, ihr eine vorzüg- liche Dankbarkeit zu erweisen — Doch sol- len hierdurch Begierden nicht geweckt oder gereitzt werden; nie denkt jene liebe Frau sie zu befriedigen, und der Mann, der darauf Rechnung machen wollte, wäre ein Neuling, oder ein Prahler oder — Wenn der liebe Gott einen Menschen strafen will, so fängt er an, ihn inconsequent reden oder handeln zu lassen — — Es giebt stillschweigende Be- dingungen, die, ob sie gleich nicht verabredet, sondern vorausgesetzt und angenommen sind, doch heiliger als schriftliche Contrakte, mit Notariatssiegeln verunstaltet, erfüllt werden — sie sind eine Art von Spielschuld, die auch den Königlichen Allerhöchsten Kassen vorgeht — Bei der jetzigen Lage der Dinge trägt diese Koketterie des gemeinen Lebens dazu bei, daſs der Umgang anziehender wird — man macht, wenn ich so sagen darf, nicht dem Körper, sondern der Seele den Hof, und es giebt in der That Seelen-Cicisbeos, die un-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/371>, abgerufen am 12.05.2024.