de Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über natürliche und geoffenbarte Religion einen Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi- losoph nicht zugeben wollte, dass der Geist- liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche, der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den Worten verdriesslich: "Habe ich Ihnen nicht "oft gesagt, lieber Freund, dass Sie Sich nicht "zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen, "und dass das natürliche Licht nicht hinreicht?" Die natürliche Religion verlor durch diesen Fall Hume'ns nur eben so viel, wie die geof- fenbarte durch das Licht Jortin's gewann; al- lein die Justiz verliert durch den Umstand, dass auch die ersten ihrer Officianten sehr oft nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind -- Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne Begleitung; und ich weiss nicht, woran es liegt, dass Niemand recht weiss, was Rechtens ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen wollen und sollen, sind gemeiniglich neue Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören viele Sächsische Fristen und viele doppelte
de Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über natürliche und geoffenbarte Religion einen Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi- losoph nicht zugeben wollte, daſs der Geist- liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche, der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den Worten verdrieſslich: »Habe ich Ihnen nicht »oft gesagt, lieber Freund, daſs Sie Sich nicht »zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen, »und daſs das natürliche Licht nicht hinreicht?» Die natürliche Religion verlor durch diesen Fall Hume’ns nur eben so viel, wie die geof- fenbarte durch das Licht Jortin’s gewann; al- lein die Justiz verliert durch den Umstand, daſs auch die ersten ihrer Officianten sehr oft nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind — Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne Begleitung; und ich weiſs nicht, woran es liegt, daſs Niemand recht weiſs, was Rechtens ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen wollen und sollen, sind gemeiniglich neue Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören viele Sächsische Fristen und viele doppelte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0326"n="318"/>
de <hirendition="#i">Jortin</hi>, einem Geistlichen, mit dem er über<lb/>
natürliche und geoffenbarte Religion einen<lb/>
Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi-<lb/>
losoph nicht zugeben wollte, daſs der Geist-<lb/>
liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche,<lb/>
der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem<lb/>
Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den<lb/>
Worten verdrieſslich: »Habe ich Ihnen nicht<lb/>
»oft gesagt, lieber Freund, daſs Sie Sich nicht<lb/>
»zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen,<lb/>
»und daſs das natürliche Licht nicht hinreicht?»<lb/>
Die natürliche Religion verlor durch diesen<lb/>
Fall <hirendition="#i">Hume’ns</hi> nur eben so viel, wie die geof-<lb/>
fenbarte durch das Licht <hirendition="#i">Jortin’s</hi> gewann; al-<lb/>
lein die Justiz verliert durch den Umstand,<lb/>
daſs auch die ersten ihrer Officianten sehr oft<lb/>
nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind —<lb/>
Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne<lb/>
Begleitung; und ich weiſs nicht, woran es<lb/>
liegt, daſs Niemand recht weiſs, was Rechtens<lb/>
ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen<lb/>
wollen und sollen, sind gemeiniglich neue<lb/>
Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören<lb/>
viele Sächsische Fristen und viele doppelte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[318/0326]
de Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über
natürliche und geoffenbarte Religion einen
Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi-
losoph nicht zugeben wollte, daſs der Geist-
liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche,
der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem
Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den
Worten verdrieſslich: »Habe ich Ihnen nicht
»oft gesagt, lieber Freund, daſs Sie Sich nicht
»zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen,
»und daſs das natürliche Licht nicht hinreicht?»
Die natürliche Religion verlor durch diesen
Fall Hume’ns nur eben so viel, wie die geof-
fenbarte durch das Licht Jortin’s gewann; al-
lein die Justiz verliert durch den Umstand,
daſs auch die ersten ihrer Officianten sehr oft
nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind —
Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne
Begleitung; und ich weiſs nicht, woran es
liegt, daſs Niemand recht weiſs, was Rechtens
ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen
wollen und sollen, sind gemeiniglich neue
Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören
viele Sächsische Fristen und viele doppelte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/326>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.