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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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Ärzte werden eben so krank wie Nichtärzte,
und die grössten Philosophen sind nicht nur
oft unweise, sondern verlieren sich auch zu-
weilen so in Speculationen, dass sie nicht aus
noch ein wissen --. Weiber sind sehr für
innere Wahrheit; und wenn sie gleich jenes
berühmte Ministerphlegma nicht besitzen, so
wissen sie doch mit Kälte zu unterscheiden,
was bloss trockne und was brauchbare Kennt-
niss ist. Wenn Salz und Laune fehlen, sind
ihnen die reichstbesetzten Tische ein Greuel,
und auf die Schauessen der Philosophen neh-
men sie keine Einladung an. -- Freund Mon-
tagne
geht indess zu weit, wenn ihn gelüstet
zu behaupten: er habe zu seiner Zeit hundert
Handwerker und hundert Bauern gesehen, die
vernünftiger und glücklicher gelebt (auch ge-
dacht?) hätten, als mancher Rektor auf einer
Universität (Rektor! als wenn dieser das non
plus ultra
der Gelehrsamkeit wäre! Kästner,
Kant
und andere unserer ersten Köpfe sind
Rektores, weil die Reihe sie trifft), und ha-
be lieber jenen als diesem ähnlich seyn wol-
len. (Immerhin! verliert die Gelehrsamkeit

Ärzte werden eben so krank wie Nichtärzte,
und die gröſsten Philosophen sind nicht nur
oft unweise, sondern verlieren sich auch zu-
weilen so in Speculationen, daſs sie nicht aus
noch ein wissen —. Weiber sind sehr für
innere Wahrheit; und wenn sie gleich jenes
berühmte Ministerphlegma nicht besitzen, so
wissen sie doch mit Kälte zu unterscheiden,
was bloſs trockne und was brauchbare Kennt-
niſs ist. Wenn Salz und Laune fehlen, sind
ihnen die reichstbesetzten Tische ein Greuel,
und auf die Schauessen der Philosophen neh-
men sie keine Einladung an. — Freund Mon-
tagne
geht indeſs zu weit, wenn ihn gelüstet
zu behaupten: er habe zu seiner Zeit hundert
Handwerker und hundert Bauern gesehen, die
vernünftiger und glücklicher gelebt (auch ge-
dacht?) hätten, als mancher Rektor auf einer
Universität (Rektor! als wenn dieser das non
plus ultra
der Gelehrsamkeit wäre! Kästner,
Kant
und andere unserer ersten Köpfe sind
Rektores, weil die Reihe sie trifft), und ha-
be lieber jenen als diesem ähnlich seyn wol-
len. (Immerhin! verliert die Gelehrsamkeit

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[276/0284] Ärzte werden eben so krank wie Nichtärzte, und die gröſsten Philosophen sind nicht nur oft unweise, sondern verlieren sich auch zu- weilen so in Speculationen, daſs sie nicht aus noch ein wissen —. Weiber sind sehr für innere Wahrheit; und wenn sie gleich jenes berühmte Ministerphlegma nicht besitzen, so wissen sie doch mit Kälte zu unterscheiden, was bloſs trockne und was brauchbare Kennt- niſs ist. Wenn Salz und Laune fehlen, sind ihnen die reichstbesetzten Tische ein Greuel, und auf die Schauessen der Philosophen neh- men sie keine Einladung an. — Freund Mon- tagne geht indeſs zu weit, wenn ihn gelüstet zu behaupten: er habe zu seiner Zeit hundert Handwerker und hundert Bauern gesehen, die vernünftiger und glücklicher gelebt (auch ge- dacht?) hätten, als mancher Rektor auf einer Universität (Rektor! als wenn dieser das non plus ultra der Gelehrsamkeit wäre! Kästner, Kant und andere unserer ersten Köpfe sind Rektores, weil die Reihe sie trifft), und ha- be lieber jenen als diesem ähnlich seyn wol- len. (Immerhin! verliert die Gelehrsamkeit

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/284>, abgerufen am 24.11.2024.