dienstes! Ist das Leben für den Staat des Ehrennamens: Leben, werth, wenn es uns für unsere eigene Person sterben lässt, uns vom selbsteigenen Leben entfernt --? Nur als uns selbst können wir den Staat, unsern Nächsten lieben; Alles darüber ist vom Übel. Wenn man nicht durch den Staatsdienst vervielfältigt lebt, so liegt es entweder an uns oder am Staate; in beiden Fällen bleibt die Krankheit gefährlich -- Ist es nicht der gewöhnliche Fall, dass wir vor lauter Räderwerk nichts ausrichten, vor lauter Eingängen das Thema vergessen? Kommt nicht vor lauter kluger Vorsichtigkeit gemeiniglich Kleinheit zum Vor- schein --? Die meisten Staatsbeamten sind Accoucheurs eines Berges, der eine Maus zur Welt bringt, die indess bei der Taufe die prachtvollsten Namen erhält, und fast mit noch mehr Paukenhall ins Publicum gebracht wird, als wenn ein Schriftsteller sich selbst recensirt. Wer in grossen Residenzen zu le- ben die Gnade gehabt hat, wird mich am leichtesten verstehen -- Welcher Schweiss des Angesichts! -- Collegia und Ausschüsse,
dienstes! Ist das Leben für den Staat des Ehrennamens: Leben, werth, wenn es uns für unsere eigene Person sterben läſst, uns vom selbsteigenen Leben entfernt —? Nur als uns selbst können wir den Staat, unsern Nächsten lieben; Alles darüber ist vom Übel. Wenn man nicht durch den Staatsdienst vervielfältigt lebt, so liegt es entweder an uns oder am Staate; in beiden Fällen bleibt die Krankheit gefährlich — Ist es nicht der gewöhnliche Fall, daſs wir vor lauter Räderwerk nichts ausrichten, vor lauter Eingängen das Thema vergessen? Kommt nicht vor lauter kluger Vorsichtigkeit gemeiniglich Kleinheit zum Vor- schein —? Die meisten Staatsbeamten sind Accoucheurs eines Berges, der eine Maus zur Welt bringt, die indeſs bei der Taufe die prachtvollsten Namen erhält, und fast mit noch mehr Paukenhall ins Publicum gebracht wird, als wenn ein Schriftsteller sich selbst recensirt. Wer in groſsen Residenzen zu le- ben die Gnade gehabt hat, wird mich am leichtesten verstehen — Welcher Schweiſs des Angesichts! — Collegia und Ausschüsse,
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unsere eigene Person sterben läſst, uns vom
selbsteigenen Leben entfernt —? Nur als uns
selbst können wir den Staat, unsern Nächsten
lieben; Alles darüber ist vom Übel. Wenn
man nicht durch den Staatsdienst vervielfältigt
lebt, so liegt es entweder an uns oder am
Staate; in beiden Fällen bleibt die Krankheit
gefährlich — Ist es nicht der gewöhnliche
Fall, daſs wir vor lauter Räderwerk nichts
ausrichten, vor lauter Eingängen das Thema
vergessen? Kommt nicht vor lauter kluger
Vorsichtigkeit gemeiniglich Kleinheit zum Vor-
schein —? Die meisten Staatsbeamten sind
Accoucheurs eines Berges, der eine Maus zur
Welt bringt, die indeſs bei der Taufe die
prachtvollsten Namen erhält, und fast mit
noch mehr Paukenhall ins Publicum gebracht
wird, als wenn ein Schriftsteller sich selbst
recensirt. Wer in groſsen Residenzen zu le-
ben die Gnade gehabt hat, wird mich am
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/208>, abgerufen am 23.11.2024.
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