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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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gen, die das menschliche Geschlecht einschlug,
eine geheimnissvolle Entwickelung dieser An-
lagen zu bemerken und den Finger einer Vor-
sehung zu finden im Stande wären. So bald
Geschichte, Erfahrung und Nachdenken et-
was von diesem ihrem Gange enträthseln kön-
nen; so ist hierzu ein Plan gezeichnet, und
wir sind in diesen vierzig Jahr-Wochen des
Wüstenumweges nach Kanaan nicht ganz und
gar verlassen und versäumet. Doch noch hat
diese herkulische Arbeit keinen Anfänger, viel
weniger einen Vollender; und da die Einbil-
dungskraft in dieser Hinsicht kein leidiger
Tröster ist, so lässt sie uns in, mit und un-
ter ihrer Beihülfe, wenn gleich nicht lebendi-
ge Überzeugung, so doch beruhigende Hoff-
nung erlangen. Ist der Mensch ein Miniatur-
stück von Welt, ein Mikrokosmus; so mag
die Geschichte des einzeln Menschen im-
merhin einen Schattenriss von der Geschichte
der Menschheit abwerfen, und den Anfang
derselben, so wie ihren Fortgang, in Hiero-
glyphen dem Auge des Sehers, wenn gleich
nicht völlig, so doch kennbar, darstellen. Je-

gen, die das menschliche Geschlecht einschlug,
eine geheimniſsvolle Entwickelung dieser An-
lagen zu bemerken und den Finger einer Vor-
sehung zu finden im Stande wären. So bald
Geschichte, Erfahrung und Nachdenken et-
was von diesem ihrem Gange enträthseln kön-
nen; so ist hierzu ein Plan gezeichnet, und
wir sind in diesen vierzig Jahr-Wochen des
Wüstenumweges nach Kanaan nicht ganz und
gar verlassen und versäumet. Doch noch hat
diese herkulische Arbeit keinen Anfänger, viel
weniger einen Vollender; und da die Einbil-
dungskraft in dieser Hinsicht kein leidiger
Tröster ist, so läſst sie uns in, mit und un-
ter ihrer Beihülfe, wenn gleich nicht lebendi-
ge Überzeugung, so doch beruhigende Hoff-
nung erlangen. Ist der Mensch ein Miniatur-
stück von Welt, ein Mikrokosmus; so mag
die Geschichte des einzeln Menschen im-
merhin einen Schattenriſs von der Geschichte
der Menschheit abwerfen, und den Anfang
derselben, so wie ihren Fortgang, in Hiero-
glyphen dem Auge des Sehers, wenn gleich
nicht völlig, so doch kennbar, darstellen. Je-

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[116/0124] gen, die das menschliche Geschlecht einschlug, eine geheimniſsvolle Entwickelung dieser An- lagen zu bemerken und den Finger einer Vor- sehung zu finden im Stande wären. So bald Geschichte, Erfahrung und Nachdenken et- was von diesem ihrem Gange enträthseln kön- nen; so ist hierzu ein Plan gezeichnet, und wir sind in diesen vierzig Jahr-Wochen des Wüstenumweges nach Kanaan nicht ganz und gar verlassen und versäumet. Doch noch hat diese herkulische Arbeit keinen Anfänger, viel weniger einen Vollender; und da die Einbil- dungskraft in dieser Hinsicht kein leidiger Tröster ist, so läſst sie uns in, mit und un- ter ihrer Beihülfe, wenn gleich nicht lebendi- ge Überzeugung, so doch beruhigende Hoff- nung erlangen. Ist der Mensch ein Miniatur- stück von Welt, ein Mikrokosmus; so mag die Geschichte des einzeln Menschen im- merhin einen Schattenriſs von der Geschichte der Menschheit abwerfen, und den Anfang derselben, so wie ihren Fortgang, in Hiero- glyphen dem Auge des Sehers, wenn gleich nicht völlig, so doch kennbar, darstellen. Je-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/124>, abgerufen am 25.11.2024.