man wird sich ohne Zweifel am besten be- finden, wenn man in Züchten und Ehren mit- lacht, oder seine Schrift, des Bildes und der Überschrift des Ernstes ungeachtet, zu einem Tone stimmt, der nicht ernsthafte Blössen (die lächerlichsten von allen) giebt. -- "Ihr wer- "det lange nicht so viel über mich weinen, "wie ihr über mich gelacht habt," sagte Scar- ron, der Ehevorfahr Ludwigs des XIV., zu denen, die sein Sterbelager umringten und weinten. Diese Vorstellung war im Stande, ihn im Sterben aufzuheitern -- und warum auch nicht? -- Jetzt, da selbst die heilige Moral nicht mehr im Klosteranzuge ihr Glück machen kann und will, vielmehr fröhlich und guter Dinge einhertritt, und die Becher, welche sie mit ihrem herzerfreuenden Wein anfüllet, zu bekränzen gebeut; jetzt, da sogar jede wi- derliche Aussenseite des Menschen eher seines Herzens Härtigkeit als dessen Reinheit zu ver- rathen scheint: jetzt ist Fröhlichkeit ein le- bensartiges Ingredienz geworden, und Lachen und Weinen leben in einer so glücklichen Ehe, dass jene philosophischen Gaukler, von
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man wird sich ohne Zweifel am besten be- finden, wenn man in Züchten und Ehren mit- lacht, oder seine Schrift, des Bildes und der Überschrift des Ernstes ungeachtet, zu einem Tone stimmt, der nicht ernsthafte Blöſsen (die lächerlichsten von allen) giebt. — »Ihr wer- »det lange nicht so viel über mich weinen, »wie ihr über mich gelacht habt,» sagte Scar- ron, der Ehevorfahr Ludwigs des XIV., zu denen, die sein Sterbelager umringten und weinten. Diese Vorstellung war im Stande, ihn im Sterben aufzuheitern — und warum auch nicht? — Jetzt, da selbst die heilige Moral nicht mehr im Klosteranzuge ihr Glück machen kann und will, vielmehr fröhlich und guter Dinge einhertritt, und die Becher, welche sie mit ihrem herzerfreuenden Wein anfüllet, zu bekränzen gebeut; jetzt, da sogar jede wi- derliche Auſsenseite des Menschen eher seines Herzens Härtigkeit als dessen Reinheit zu ver- rathen scheint: jetzt ist Fröhlichkeit ein le- bensartiges Ingredienz geworden, und Lachen und Weinen leben in einer so glücklichen Ehe, daſs jene philosophischen Gaukler, von
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man wird sich ohne Zweifel am besten be-
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lacht, oder seine Schrift, des Bildes und der
Überschrift des Ernstes ungeachtet, zu einem
Tone stimmt, der nicht ernsthafte Blöſsen (die
lächerlichsten von allen) giebt. — »Ihr wer-
»det lange nicht so viel über mich weinen,
»wie ihr über mich gelacht habt,» sagte Scar-
ron, der Ehevorfahr Ludwigs des XIV., zu
denen, die sein Sterbelager umringten und
weinten. Diese Vorstellung war im Stande,
ihn im Sterben aufzuheitern — und warum
auch nicht? — Jetzt, da selbst die heilige
Moral nicht mehr im Klosteranzuge ihr Glück
machen kann und will, vielmehr fröhlich und
guter Dinge einhertritt, und die Becher, welche
sie mit ihrem herzerfreuenden Wein anfüllet,
zu bekränzen gebeut; jetzt, da sogar jede wi-
derliche Auſsenseite des Menschen eher seines
Herzens Härtigkeit als dessen Reinheit zu ver-
rathen scheint: jetzt ist Fröhlichkeit ein le-
bensartiges Ingredienz geworden, und Lachen
und Weinen leben in einer so glücklichen
Ehe, daſs jene philosophischen Gaukler, von
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/11>, abgerufen am 12.12.2024.
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