Besorgung des Haushalts verwiesen waren, wurden sie nicht Bürgerinnen des Staats, son- dern Schutzverwandte. -- Schon sehr zufrie- den, dass der Staat ihnen diese Gnade ange- deihen liess, begnügten sie sich mit einigen Begünstigungen vor den Sklaven, die man ih- nen bloss zu spendiren schien. Wunderbare Wege! Doch, ging man nicht von der Poesie zur Prosa, von dem Tanze zum Gange, vom Singen zum Reden, vom Roman zur Ge- schichte --? Es wirkte eine Reihe von Ur- sachen, (wozu wahrscheinlich die, wiewohl grösstentheils missverstandene, Natur die erste Veranlassung gab) dass nach und nach eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes ihre ursprünglichen Menschenrechte verlor und ge- genwärtig einige Überbleibsel davon unter dem Titel von Begünstigungen, wohl zu merken, nur so lange geniesst, als es der andern Hälfte gefällt, ihr dieselben zu lassen; -- und doch ist das dritte Wort dieser unterdrückenden Menschenhälfte: Recht und Gerechtigkeit, Ge- setzgebung und Gesetzhandhabung! -- Warum in Fällen dieser Art ängstliche Geschichtsausspü-
G 3
Besorgung des Haushalts verwiesen waren, wurden sie nicht Bürgerinnen des Staats, son- dern Schutzverwandte. — Schon sehr zufrie- den, daſs der Staat ihnen diese Gnade ange- deihen lieſs, begnügten sie sich mit einigen Begünstigungen vor den Sklaven, die man ih- nen bloſs zu spendiren schien. Wunderbare Wege! Doch, ging man nicht von der Poësie zur Prosa, von dem Tanze zum Gange, vom Singen zum Reden, vom Roman zur Ge- schichte —? Es wirkte eine Reihe von Ur- sachen, (wozu wahrscheinlich die, wiewohl gröſstentheils miſsverstandene, Natur die erste Veranlassung gab) daſs nach und nach eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes ihre ursprünglichen Menschenrechte verlor und ge- genwärtig einige Überbleibsel davon unter dem Titel von Begünstigungen, wohl zu merken, nur so lange genieſst, als es der andern Hälfte gefällt, ihr dieselben zu lassen; — und doch ist das dritte Wort dieser unterdrückenden Menschenhälfte: Recht und Gerechtigkeit, Ge- setzgebung und Gesetzhandhabung! — Warum in Fällen dieser Art ängstliche Geschichtsausspü-
G 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0109"n="101"/>
Besorgung des Haushalts verwiesen waren,<lb/>
wurden sie nicht Bürgerinnen des Staats, son-<lb/>
dern Schutzverwandte. — Schon sehr zufrie-<lb/>
den, daſs der Staat ihnen diese Gnade ange-<lb/>
deihen lieſs, begnügten sie sich mit einigen<lb/>
Begünstigungen vor den Sklaven, die man ih-<lb/>
nen bloſs zu <hirendition="#i">spendiren</hi> schien. Wunderbare<lb/>
Wege! Doch, ging man nicht von der Poësie<lb/>
zur Prosa, von dem Tanze zum Gange, vom<lb/>
Singen zum Reden, vom Roman zur Ge-<lb/>
schichte —? Es wirkte eine Reihe von Ur-<lb/>
sachen, (wozu wahrscheinlich die, wiewohl<lb/>
gröſstentheils miſsverstandene, Natur die erste<lb/>
Veranlassung gab) daſs nach und nach eine<lb/>
ganze Hälfte des Menschengeschlechtes ihre<lb/>
ursprünglichen Menschenrechte verlor und ge-<lb/>
genwärtig einige Überbleibsel davon unter dem<lb/>
Titel von Begünstigungen, wohl zu merken,<lb/>
nur so lange genieſst, als es der andern Hälfte<lb/>
gefällt, ihr dieselben zu lassen; — und doch<lb/>
ist das dritte Wort dieser unterdrückenden<lb/>
Menschenhälfte: Recht und Gerechtigkeit, Ge-<lb/>
setzgebung und Gesetzhandhabung! — Warum<lb/>
in Fällen dieser Art ängstliche Geschichtsausspü-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 3</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[101/0109]
Besorgung des Haushalts verwiesen waren,
wurden sie nicht Bürgerinnen des Staats, son-
dern Schutzverwandte. — Schon sehr zufrie-
den, daſs der Staat ihnen diese Gnade ange-
deihen lieſs, begnügten sie sich mit einigen
Begünstigungen vor den Sklaven, die man ih-
nen bloſs zu spendiren schien. Wunderbare
Wege! Doch, ging man nicht von der Poësie
zur Prosa, von dem Tanze zum Gange, vom
Singen zum Reden, vom Roman zur Ge-
schichte —? Es wirkte eine Reihe von Ur-
sachen, (wozu wahrscheinlich die, wiewohl
gröſstentheils miſsverstandene, Natur die erste
Veranlassung gab) daſs nach und nach eine
ganze Hälfte des Menschengeschlechtes ihre
ursprünglichen Menschenrechte verlor und ge-
genwärtig einige Überbleibsel davon unter dem
Titel von Begünstigungen, wohl zu merken,
nur so lange genieſst, als es der andern Hälfte
gefällt, ihr dieselben zu lassen; — und doch
ist das dritte Wort dieser unterdrückenden
Menschenhälfte: Recht und Gerechtigkeit, Ge-
setzgebung und Gesetzhandhabung! — Warum
in Fällen dieser Art ängstliche Geschichtsausspü-
G 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/109>, abgerufen am 14.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.