uns, und meinen Schutzengel kann ich nicht gehen heissen. -- Bleib, Lieber! Dieses kurze: Bleib, Lieber! zu etwas, das die Frau v -- nicht sahe, würde sie sonst zum Lachen gebracht haben; jetzt wandelte sie kein Lachen an. Auch diese meine Collegin, fuhr die Se- lige fort, darf nicht von mir. Sie hat mein Herz, und weiß meine ganze Sterbensge- schichte. Nach einigen Erhohlungsaugenblik- ken versicherte die Frau v --, daß sie eine Bitte an die Selige hätte, die sie wohl über- dacht. -- Im Namen Gottes, erwiederte die Selige. Ich glaube, fuhr die Frau v -- fort, an Gott den Vater, allmächtigen Schö- pfer Himmels und der Erden, und ehre in tiefster Demuth alle die Wege, die er mit den armen Menschen, seinen Geschöpfen, einge- schlagen, um sie zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen -- ich glaube -- doch unterbrach sie sich selbst, sie wissen was ich glaube. Ich weiß, sagte die Selige mit aller Ueberzeugung, und legte eben hiedurch ein Zeichen von ihrer Uebernatur ab: denn mir kam es vor, daß die Frau v -- selbst nicht recht wußte, was sie glaubte. Gern, ich leugne es nicht, hätte ich sie den zweyten und dritten Artikel des christli- chen Glaubens beten gehört. -- So beschwör
ich
uns, und meinen Schutzengel kann ich nicht gehen heiſſen. — Bleib, Lieber! Dieſes kurze: Bleib, Lieber! zu etwas, das die Frau v — nicht ſahe, wuͤrde ſie ſonſt zum Lachen gebracht haben; jetzt wandelte ſie kein Lachen an. Auch dieſe meine Collegin, fuhr die Se- lige fort, darf nicht von mir. Sie hat mein Herz, und weiß meine ganze Sterbensge- ſchichte. Nach einigen Erhohlungsaugenblik- ken verſicherte die Frau v —, daß ſie eine Bitte an die Selige haͤtte, die ſie wohl uͤber- dacht. — Im Namen Gottes, erwiederte die Selige. Ich glaube, fuhr die Frau v — fort, an Gott den Vater, allmaͤchtigen Schoͤ- pfer Himmels und der Erden, und ehre in tiefſter Demuth alle die Wege, die er mit den armen Menſchen, ſeinen Geſchoͤpfen, einge- ſchlagen, um ſie zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen — ich glaube — doch unterbrach ſie ſich ſelbſt, ſie wiſſen was ich glaube. Ich weiß, ſagte die Selige mit aller Ueberzeugung, und legte eben hiedurch ein Zeichen von ihrer Uebernatur ab: denn mir kam es vor, daß die Frau v — ſelbſt nicht recht wußte, was ſie glaubte. Gern, ich leugne es nicht, haͤtte ich ſie den zweyten und dritten Artikel des chriſtli- chen Glaubens beten gehoͤrt. — So beſchwoͤr
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uns, und meinen Schutzengel kann ich nicht
gehen heiſſen. — Bleib, Lieber! Dieſes
kurze: Bleib, Lieber! zu etwas, das die Frau
v — nicht ſahe, wuͤrde ſie ſonſt zum Lachen
gebracht haben; jetzt wandelte ſie kein Lachen
an. Auch dieſe meine Collegin, fuhr die Se-
lige fort, darf nicht von mir. Sie hat mein
Herz, und weiß meine ganze Sterbensge-
ſchichte. Nach einigen Erhohlungsaugenblik-
ken verſicherte die Frau v —, daß ſie eine
Bitte an die Selige haͤtte, die ſie wohl uͤber-
dacht. — Im Namen Gottes, erwiederte die
Selige. Ich glaube, fuhr die Frau v —
fort, an Gott den Vater, allmaͤchtigen Schoͤ-
pfer Himmels und der Erden, und ehre in
tiefſter Demuth alle die Wege, die er mit den
armen Menſchen, ſeinen Geſchoͤpfen, einge-
ſchlagen, um ſie zur Erkenntnis der Wahrheit
zu bringen — ich glaube — doch unterbrach
ſie ſich ſelbſt, ſie wiſſen was ich glaube. Ich
weiß, ſagte die Selige mit aller Ueberzeugung,
und legte eben hiedurch ein Zeichen von ihrer
Uebernatur ab: denn mir kam es vor, daß die
Frau v — ſelbſt nicht recht wußte, was ſie
glaubte. Gern, ich leugne es nicht, haͤtte ich
ſie den zweyten und dritten Artikel des chriſtli-
chen Glaubens beten gehoͤrt. — So beſchwoͤr
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/86>, abgerufen am 16.02.2025.
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