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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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wird, noch Red und Antwort von seinem Hin-
tritt ertheilen! -- Der Hochgebohrne Todten-
gräber hat so viel Leichenbegängnis in diese
Lebensläufe gebracht, daß ich fast vermuthe,
mancher Kunstrichter werde sich auch eine
Spruchstelle merken, und ihr kein Comman-
dantenzeichen beylegen. Laßt die Todten
die Todten begraben
! -- Kann seyn, hab
ich aber nicht Minens Tod zu feyren? --

Nach meines Vaters Tode lagen meiner
Mutter ein großer Theil Amtsgeschäfte auf,
womit sie den benachbarten Herrn Confrater
nicht beschweren wollte, welcher sich sonst der
heiligen Nothdurft der verwayseten Gemeine
annahm. Oeffentlicher Amtsverrichtungen
konnte sie sich freylich nicht unterziehen; weil
die Weiber, wie sie sich von selbst beschied,
schweigen müßen in der Gemeine; dagegen
war sie, wo ein Christ nur irgend ein geistli-
cher Priester seyn kann, dieser Priester mit
Leib und Seele. Sie setzte den Unterricht mit
den Catechumenen fort, sie zeichnete die Beicht-
kinder an, ermahnte und tröstete sie, nachdem
es der Seelenzustand wollte. Die vier lezten
Dinge wußten die Kinder, wie das Vater un-
ser. Vorzüglich besuchte meine Mutter die
Kranken. Ehre den Arzt, sagte sie, da mein

Vater

wird, noch Red und Antwort von ſeinem Hin-
tritt ertheilen! — Der Hochgebohrne Todten-
graͤber hat ſo viel Leichenbegaͤngnis in dieſe
Lebenslaͤufe gebracht, daß ich faſt vermuthe,
mancher Kunſtrichter werde ſich auch eine
Spruchſtelle merken, und ihr kein Comman-
dantenzeichen beylegen. Laßt die Todten
die Todten begraben
! — Kann ſeyn, hab
ich aber nicht Minens Tod zu feyren? —

Nach meines Vaters Tode lagen meiner
Mutter ein großer Theil Amtsgeſchaͤfte auf,
womit ſie den benachbarten Herrn Confrater
nicht beſchweren wollte, welcher ſich ſonſt der
heiligen Nothdurft der verwayſeten Gemeine
annahm. Oeffentlicher Amtsverrichtungen
konnte ſie ſich freylich nicht unterziehen; weil
die Weiber, wie ſie ſich von ſelbſt beſchied,
ſchweigen muͤßen in der Gemeine; dagegen
war ſie, wo ein Chriſt nur irgend ein geiſtli-
cher Prieſter ſeyn kann, dieſer Prieſter mit
Leib und Seele. Sie ſetzte den Unterricht mit
den Catechumenen fort, ſie zeichnete die Beicht-
kinder an, ermahnte und troͤſtete ſie, nachdem
es der Seelenzuſtand wollte. Die vier lezten
Dinge wußten die Kinder, wie das Vater un-
ſer. Vorzuͤglich beſuchte meine Mutter die
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[62/0068] wird, noch Red und Antwort von ſeinem Hin- tritt ertheilen! — Der Hochgebohrne Todten- graͤber hat ſo viel Leichenbegaͤngnis in dieſe Lebenslaͤufe gebracht, daß ich faſt vermuthe, mancher Kunſtrichter werde ſich auch eine Spruchſtelle merken, und ihr kein Comman- dantenzeichen beylegen. Laßt die Todten die Todten begraben! — Kann ſeyn, hab ich aber nicht Minens Tod zu feyren? — Nach meines Vaters Tode lagen meiner Mutter ein großer Theil Amtsgeſchaͤfte auf, womit ſie den benachbarten Herrn Confrater nicht beſchweren wollte, welcher ſich ſonſt der heiligen Nothdurft der verwayſeten Gemeine annahm. Oeffentlicher Amtsverrichtungen konnte ſie ſich freylich nicht unterziehen; weil die Weiber, wie ſie ſich von ſelbſt beſchied, ſchweigen muͤßen in der Gemeine; dagegen war ſie, wo ein Chriſt nur irgend ein geiſtli- cher Prieſter ſeyn kann, dieſer Prieſter mit Leib und Seele. Sie ſetzte den Unterricht mit den Catechumenen fort, ſie zeichnete die Beicht- kinder an, ermahnte und troͤſtete ſie, nachdem es der Seelenzuſtand wollte. Die vier lezten Dinge wußten die Kinder, wie das Vater un- ſer. Vorzuͤglich beſuchte meine Mutter die Kranken. Ehre den Arzt, ſagte ſie, da mein Vater

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/68>, abgerufen am 07.05.2024.