Der Geitz sieht auf die Folge der Sache. Wenn andere spazieren fahren, denkt er, sie werden wieder zu Hause kommen, und dann sind sie eben so klug, als ich, der ich zu Hause geblieben. Ich könnte, denkt er, wenn ich wolte, auch traktiren, und giebt keinem Salz und Brod!
Mein Vater pflegte sehr artig die Chri- sten aus diesem Gesichtspunkte des Geitzes zu beschuldigen, die nur blos bey ihrem Gutseyn (doch wer ist das, als Gott?) bey ihrem Bestreben gut zu seyn, auf die andre Welt sehen! -- Er war kein Feind dieses Lebens, obgleich er mit einer seligen Faßung starb, und würklich auch in der Hofnung se- lig war eines künftigen Lebens.
Er gieng mit der Sonne unter, wie ich schon gemeldet habe --
Er starb, sich vollständig bewußt, und nur in einer Stunde, in der er viel grie- chisch redete, schien die Einbildungskraft der Vernunft das Uebergewicht abgewonnen zu haben. Es währte indessen nicht lange, und alles war wieder an Stell und Ort.
Er
S s
Der Geitz ſieht auf die Folge der Sache. Wenn andere ſpazieren fahren, denkt er, ſie werden wieder zu Hauſe kommen, und dann ſind ſie eben ſo klug, als ich, der ich zu Hauſe geblieben. Ich koͤnnte, denkt er, wenn ich wolte, auch traktiren, und giebt keinem Salz und Brod!
Mein Vater pflegte ſehr artig die Chri- ſten aus dieſem Geſichtspunkte des Geitzes zu beſchuldigen, die nur blos bey ihrem Gutſeyn (doch wer iſt das, als Gott?) bey ihrem Beſtreben gut zu ſeyn, auf die andre Welt ſehen! — Er war kein Feind dieſes Lebens, obgleich er mit einer ſeligen Faßung ſtarb, und wuͤrklich auch in der Hofnung ſe- lig war eines kuͤnftigen Lebens.
Er gieng mit der Sonne unter, wie ich ſchon gemeldet habe —
Er ſtarb, ſich vollſtaͤndig bewußt, und nur in einer Stunde, in der er viel grie- chiſch redete, ſchien die Einbildungskraft der Vernunft das Uebergewicht abgewonnen zu haben. Es waͤhrte indeſſen nicht lange, und alles war wieder an Stell und Ort.
Er
S s
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0649"n="641"/><p>Der Geitz ſieht auf die Folge der Sache.<lb/>
Wenn andere ſpazieren fahren, denkt er,<lb/>ſie werden wieder zu Hauſe kommen, und<lb/>
dann ſind ſie eben ſo klug, als ich, der ich<lb/>
zu Hauſe geblieben. Ich koͤnnte, denkt er,<lb/>
wenn ich wolte, auch traktiren, und giebt<lb/>
keinem Salz und Brod!</p><lb/><p>Mein Vater pflegte ſehr artig die Chri-<lb/>ſten aus dieſem Geſichtspunkte des Geitzes<lb/>
zu beſchuldigen, die nur blos bey ihrem<lb/>
Gutſeyn (doch wer iſt das, als Gott?) bey<lb/>
ihrem Beſtreben gut zu ſeyn, auf die andre<lb/>
Welt ſehen! — Er war kein Feind dieſes<lb/>
Lebens, obgleich er mit einer ſeligen Faßung<lb/>ſtarb, und wuͤrklich auch in der Hofnung ſe-<lb/>
lig war eines kuͤnftigen Lebens.</p><lb/><p>Er gieng mit der Sonne unter, wie<lb/>
ich ſchon gemeldet habe —</p><lb/><p>Er ſtarb, ſich vollſtaͤndig bewußt, und<lb/>
nur in einer Stunde, in der er viel grie-<lb/>
chiſch redete, ſchien die Einbildungskraft der<lb/>
Vernunft das Uebergewicht abgewonnen zu<lb/>
haben. Es waͤhrte indeſſen nicht lange, und<lb/>
alles war wieder an Stell und Ort.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">S s</fw><fwplace="bottom"type="catch">Er</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[641/0649]
Der Geitz ſieht auf die Folge der Sache.
Wenn andere ſpazieren fahren, denkt er,
ſie werden wieder zu Hauſe kommen, und
dann ſind ſie eben ſo klug, als ich, der ich
zu Hauſe geblieben. Ich koͤnnte, denkt er,
wenn ich wolte, auch traktiren, und giebt
keinem Salz und Brod!
Mein Vater pflegte ſehr artig die Chri-
ſten aus dieſem Geſichtspunkte des Geitzes
zu beſchuldigen, die nur blos bey ihrem
Gutſeyn (doch wer iſt das, als Gott?) bey
ihrem Beſtreben gut zu ſeyn, auf die andre
Welt ſehen! — Er war kein Feind dieſes
Lebens, obgleich er mit einer ſeligen Faßung
ſtarb, und wuͤrklich auch in der Hofnung ſe-
lig war eines kuͤnftigen Lebens.
Er gieng mit der Sonne unter, wie
ich ſchon gemeldet habe —
Er ſtarb, ſich vollſtaͤndig bewußt, und
nur in einer Stunde, in der er viel grie-
chiſch redete, ſchien die Einbildungskraft der
Vernunft das Uebergewicht abgewonnen zu
haben. Es waͤhrte indeſſen nicht lange, und
alles war wieder an Stell und Ort.
Er
S s
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/649>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.