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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Jener Heyde hörte: dein Sohn ist todt,
da er den Göttern opferte, und räucherte! ich
nicht also! --

Meine Stunde ist kommen, um von mei-
nen Lesern, vielleicht auf ewig vielleicht auf
sechs Jahre, Abschied zu nehmen. Wer
hätte das denken sollen, da ich über die
Worte: kurze Frist commentirte. Natür-
lich bringt mich dieses, nach einem Endlich,
noch auf ein
letztes Endlich!

Ich weiß, was für eine herrliche Sache
es ist, den Schlußstein des ganzen Gewölbes
zu entdecken, und bey dieser Gelegenheit sich
zu überzeugen, daß die Säulenbogen nicht
nur schön, sondern auch sicher sind! Weis-
heit, Stärke und Schönheit an einem derglei-
chen Schwiebogen finden, ist so was er-
wünschtes, als etwas in dieser Welt, wo so
selten der Schlußstein zu sehen ist, nur seyn
kann! Ists aber meine Schuld? -- dacht
ich, Zoar je zu verlaßen? Legt ich es je zu
einem Buchstab so oder anders, mehr oder
weniger, in meinem Namen an? um diese
Namensveränderung mit mir sterben zu

laßen?

Jener Heyde hoͤrte: dein Sohn iſt todt,
da er den Goͤttern opferte, und raͤucherte! ich
nicht alſo! —

Meine Stunde iſt kommen, um von mei-
nen Leſern, vielleicht auf ewig vielleicht auf
ſechs Jahre, Abſchied zu nehmen. Wer
haͤtte das denken ſollen, da ich uͤber die
Worte: kurze Friſt commentirte. Natuͤr-
lich bringt mich dieſes, nach einem Endlich,
noch auf ein
letztes Endlich!

Ich weiß, was fuͤr eine herrliche Sache
es iſt, den Schlußſtein des ganzen Gewoͤlbes
zu entdecken, und bey dieſer Gelegenheit ſich
zu uͤberzeugen, daß die Saͤulenbogen nicht
nur ſchoͤn, ſondern auch ſicher ſind! Weis-
heit, Staͤrke und Schoͤnheit an einem derglei-
chen Schwiebogen finden, iſt ſo was er-
wuͤnſchtes, als etwas in dieſer Welt, wo ſo
ſelten der Schlußſtein zu ſehen iſt, nur ſeyn
kann! Iſts aber meine Schuld? — dacht
ich, Zoar je zu verlaßen? Legt ich es je zu
einem Buchſtab ſo oder anders, mehr oder
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[624/0632] Jener Heyde hoͤrte: dein Sohn iſt todt, da er den Goͤttern opferte, und raͤucherte! ich nicht alſo! — Meine Stunde iſt kommen, um von mei- nen Leſern, vielleicht auf ewig vielleicht auf ſechs Jahre, Abſchied zu nehmen. Wer haͤtte das denken ſollen, da ich uͤber die Worte: kurze Friſt commentirte. Natuͤr- lich bringt mich dieſes, nach einem Endlich, noch auf ein letztes Endlich! Ich weiß, was fuͤr eine herrliche Sache es iſt, den Schlußſtein des ganzen Gewoͤlbes zu entdecken, und bey dieſer Gelegenheit ſich zu uͤberzeugen, daß die Saͤulenbogen nicht nur ſchoͤn, ſondern auch ſicher ſind! Weis- heit, Staͤrke und Schoͤnheit an einem derglei- chen Schwiebogen finden, iſt ſo was er- wuͤnſchtes, als etwas in dieſer Welt, wo ſo ſelten der Schlußſtein zu ſehen iſt, nur ſeyn kann! Iſts aber meine Schuld? — dacht ich, Zoar je zu verlaßen? Legt ich es je zu einem Buchſtab ſo oder anders, mehr oder weniger, in meinem Namen an? um dieſe Namensveraͤnderung mit mir ſterben zu laßen?

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/632>, abgerufen am 24.11.2024.