Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Auftrags bekannt worden und hiernächst dem
Herolde meine Würklichkeit versichert; so war
die Frage Fremde. Nebenher, was meynen
meine Leser, ziemlich unhöflich! Ich be-
grüßte die gute Frau v. W -- mit so vieler
Achtung, als Empfindung. Nahm Tinchen
bey der Hand, die sie sehr nachläßig wegge-
worfen, und wolt ihr zum heutigen heili-
gen Abend und morgenden Verlobungstage
Glück wünschen, da ich bemerkte, daß Mut-
ter und Tochter einen geheimen Kummer hat-
ten, der tiefer lag, als Herr v. W -- ihn kurz
zuvor anzugeben für gut fand! -- War
doch Tinchen fast so ausser sich, als wie sie ins
Waßer gefallen und als Louischen: Rett!
Rett!
rief. O wie gern hätt ich das arme
Mädchen wieder aus diesem Waßer der An-
fechtung gezogen, wenn es in meinen Kräf-
ten gewesen wäre! -- Endlich erhohlte sie
sich wieder, und Herr v. W -- konnte nicht
vor dem Bitten um Vergebung Luft und
Kraft schöpfen. Fürs erste, daß er mich ver-
kannt, sodann daß seine Frau so unvorberei-
tet erschien, hienächst daß die Braut sich so
wie ins Waßer gefallen, aufgeführt. An
die Frage: ob ich denn auch würklich Major
wäre dacht' er nicht, obgleich er billig dieser

Frage

Auftrags bekannt worden und hiernaͤchſt dem
Herolde meine Wuͤrklichkeit verſichert; ſo war
die Frage Fremde. Nebenher, was meynen
meine Leſer, ziemlich unhoͤflich! Ich be-
gruͤßte die gute Frau v. W — mit ſo vieler
Achtung, als Empfindung. Nahm Tinchen
bey der Hand, die ſie ſehr nachlaͤßig wegge-
worfen, und wolt ihr zum heutigen heili-
gen Abend und morgenden Verlobungstage
Gluͤck wuͤnſchen, da ich bemerkte, daß Mut-
ter und Tochter einen geheimen Kummer hat-
ten, der tiefer lag, als Herr v. W — ihn kurz
zuvor anzugeben fuͤr gut fand! — War
doch Tinchen faſt ſo auſſer ſich, als wie ſie ins
Waßer gefallen und als Louischen: Rett!
Rett!
rief. O wie gern haͤtt ich das arme
Maͤdchen wieder aus dieſem Waßer der An-
fechtung gezogen, wenn es in meinen Kraͤf-
ten geweſen waͤre! — Endlich erhohlte ſie
ſich wieder, und Herr v. W — konnte nicht
vor dem Bitten um Vergebung Luft und
Kraft ſchoͤpfen. Fuͤrs erſte, daß er mich ver-
kannt, ſodann daß ſeine Frau ſo unvorberei-
tet erſchien, hienaͤchſt daß die Braut ſich ſo
wie ins Waßer gefallen, aufgefuͤhrt. An
die Frage: ob ich denn auch wuͤrklich Major
waͤre dacht’ er nicht, obgleich er billig dieſer

Frage
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0452" n="444"/>
Auftrags bekannt worden und hierna&#x0364;ch&#x017F;t dem<lb/>
Herolde meine Wu&#x0364;rklichkeit ver&#x017F;ichert; &#x017F;o war<lb/>
die Frage <hi rendition="#fr">Fremde</hi>. Nebenher, was meynen<lb/>
meine Le&#x017F;er, <hi rendition="#fr">ziemlich unho&#x0364;flich!</hi> Ich be-<lb/>
gru&#x0364;ßte die gute Frau v. W &#x2014; mit &#x017F;o vieler<lb/>
Achtung, als Empfindung. Nahm Tinchen<lb/>
bey der Hand, die &#x017F;ie &#x017F;ehr nachla&#x0364;ßig wegge-<lb/>
worfen, und wolt ihr zum heutigen heili-<lb/>
gen Abend und morgenden Verlobungstage<lb/>
Glu&#x0364;ck wu&#x0364;n&#x017F;chen, da ich bemerkte, daß Mut-<lb/>
ter und Tochter einen geheimen Kummer hat-<lb/>
ten, der tiefer lag, als Herr v. W &#x2014; ihn kurz<lb/>
zuvor anzugeben fu&#x0364;r gut fand! &#x2014; War<lb/>
doch Tinchen fa&#x017F;t &#x017F;o au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich, als wie &#x017F;ie ins<lb/>
Waßer gefallen und als <hi rendition="#fr">Louischen: Rett!<lb/>
Rett!</hi> rief. O wie gern ha&#x0364;tt ich das arme<lb/>
Ma&#x0364;dchen wieder aus die&#x017F;em Waßer der An-<lb/>
fechtung gezogen, wenn es in meinen Kra&#x0364;f-<lb/>
ten gewe&#x017F;en wa&#x0364;re! &#x2014; Endlich erhohlte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich wieder, und Herr v. W &#x2014; konnte nicht<lb/>
vor dem Bitten um Vergebung Luft und<lb/>
Kraft &#x017F;cho&#x0364;pfen. Fu&#x0364;rs er&#x017F;te, daß er mich ver-<lb/>
kannt, &#x017F;odann daß &#x017F;eine Frau &#x017F;o unvorberei-<lb/>
tet er&#x017F;chien, hiena&#x0364;ch&#x017F;t daß die Braut &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
wie ins Waßer gefallen, aufgefu&#x0364;hrt. An<lb/>
die Frage: ob ich denn auch wu&#x0364;rklich Major<lb/>
wa&#x0364;re dacht&#x2019; er nicht, obgleich er billig die&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Frage</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0452] Auftrags bekannt worden und hiernaͤchſt dem Herolde meine Wuͤrklichkeit verſichert; ſo war die Frage Fremde. Nebenher, was meynen meine Leſer, ziemlich unhoͤflich! Ich be- gruͤßte die gute Frau v. W — mit ſo vieler Achtung, als Empfindung. Nahm Tinchen bey der Hand, die ſie ſehr nachlaͤßig wegge- worfen, und wolt ihr zum heutigen heili- gen Abend und morgenden Verlobungstage Gluͤck wuͤnſchen, da ich bemerkte, daß Mut- ter und Tochter einen geheimen Kummer hat- ten, der tiefer lag, als Herr v. W — ihn kurz zuvor anzugeben fuͤr gut fand! — War doch Tinchen faſt ſo auſſer ſich, als wie ſie ins Waßer gefallen und als Louischen: Rett! Rett! rief. O wie gern haͤtt ich das arme Maͤdchen wieder aus dieſem Waßer der An- fechtung gezogen, wenn es in meinen Kraͤf- ten geweſen waͤre! — Endlich erhohlte ſie ſich wieder, und Herr v. W — konnte nicht vor dem Bitten um Vergebung Luft und Kraft ſchoͤpfen. Fuͤrs erſte, daß er mich ver- kannt, ſodann daß ſeine Frau ſo unvorberei- tet erſchien, hienaͤchſt daß die Braut ſich ſo wie ins Waßer gefallen, aufgefuͤhrt. An die Frage: ob ich denn auch wuͤrklich Major waͤre dacht’ er nicht, obgleich er billig dieſer Frage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/452
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/452>, abgerufen am 18.05.2024.