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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Fähnlein weht, Trompeten schallen, und wo
Sold ausgetheilet wird. Eben so erinnerlich
wird ihnen die Epistel am ein und zwanzigsten
Sonntage nach Trinitatis seyn, die in der
väterlichen Bibel erschrecklich begriffen war,
und die ich meinen Lesern im ersten Theil, so
wie sie im Lutherischen altteutschen lautet,
wörtlich vorgelesen. Sollte hie und da einem
Capittellosen dies in Vergeßen gerathen seyn;
so sey es mir erlaubt, ihn an meine Mutter
zu erinnern, die, wenn sie meinen Vater, mit
dieser Epistel angethan, zur Kanzel steigen
sah, zu sagen die Gewohnheit hatte: heute
geht er gestiefelt und gespornt, wie ein geist-
licher Ritter, auf die Kanzel. Indessen war
auch sie, das gute Weib, von einer Prädilek-
tion wegen gewißer Spruchstellen nicht frey.
Jeder Mensch hat nicht blos seine Lieblings-
zahl, sondern auch seinen Spruch. Der Lieb-
ling meiner Mutter war: der Herr hats ge-
geben, der Herr hats genommen
. Wenn
der Kelch noch nicht da war, mochte sie viel-
leicht gewünscht haben, er gehe vorüber; al-
lein wahrlich, sie hat auch herzlich hinzugefü-
get: nicht wie ich will, sondern wie du willt!
Meine Mutter fand im dießeitigen Leben zwar
Dornen und Disteln; allein auch Veilchen,

Him
C 4

Faͤhnlein weht, Trompeten ſchallen, und wo
Sold ausgetheilet wird. Eben ſo erinnerlich
wird ihnen die Epiſtel am ein und zwanzigſten
Sonntage nach Trinitatis ſeyn, die in der
vaͤterlichen Bibel erſchrecklich begriffen war,
und die ich meinen Leſern im erſten Theil, ſo
wie ſie im Lutheriſchen altteutſchen lautet,
woͤrtlich vorgeleſen. Sollte hie und da einem
Capittelloſen dies in Vergeßen gerathen ſeyn;
ſo ſey es mir erlaubt, ihn an meine Mutter
zu erinnern, die, wenn ſie meinen Vater, mit
dieſer Epiſtel angethan, zur Kanzel ſteigen
ſah, zu ſagen die Gewohnheit hatte: heute
geht er geſtiefelt und geſpornt, wie ein geiſt-
licher Ritter, auf die Kanzel. Indeſſen war
auch ſie, das gute Weib, von einer Praͤdilek-
tion wegen gewißer Spruchſtellen nicht frey.
Jeder Menſch hat nicht blos ſeine Lieblings-
zahl, ſondern auch ſeinen Spruch. Der Lieb-
ling meiner Mutter war: der Herr hats ge-
geben, der Herr hats genommen
. Wenn
der Kelch noch nicht da war, mochte ſie viel-
leicht gewuͤnſcht haben, er gehe voruͤber; al-
lein wahrlich, ſie hat auch herzlich hinzugefuͤ-
get: nicht wie ich will, ſondern wie du willt!
Meine Mutter fand im dießeitigen Leben zwar
Dornen und Diſteln; allein auch Veilchen,

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[39/0045] Faͤhnlein weht, Trompeten ſchallen, und wo Sold ausgetheilet wird. Eben ſo erinnerlich wird ihnen die Epiſtel am ein und zwanzigſten Sonntage nach Trinitatis ſeyn, die in der vaͤterlichen Bibel erſchrecklich begriffen war, und die ich meinen Leſern im erſten Theil, ſo wie ſie im Lutheriſchen altteutſchen lautet, woͤrtlich vorgeleſen. Sollte hie und da einem Capittelloſen dies in Vergeßen gerathen ſeyn; ſo ſey es mir erlaubt, ihn an meine Mutter zu erinnern, die, wenn ſie meinen Vater, mit dieſer Epiſtel angethan, zur Kanzel ſteigen ſah, zu ſagen die Gewohnheit hatte: heute geht er geſtiefelt und geſpornt, wie ein geiſt- licher Ritter, auf die Kanzel. Indeſſen war auch ſie, das gute Weib, von einer Praͤdilek- tion wegen gewißer Spruchſtellen nicht frey. Jeder Menſch hat nicht blos ſeine Lieblings- zahl, ſondern auch ſeinen Spruch. Der Lieb- ling meiner Mutter war: der Herr hats ge- geben, der Herr hats genommen. Wenn der Kelch noch nicht da war, mochte ſie viel- leicht gewuͤnſcht haben, er gehe voruͤber; al- lein wahrlich, ſie hat auch herzlich hinzugefuͤ- get: nicht wie ich will, ſondern wie du willt! Meine Mutter fand im dießeitigen Leben zwar Dornen und Diſteln; allein auch Veilchen, Him C 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/45>, abgerufen am 24.11.2024.