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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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nem Bette, betrübt bis in den Tod. Ben-
jamin erhohlte sich zwar; indessen konnt' er
in einem halben Jahre zu keiner Fassung kom-
men. Man gab die Hofnung auf, daß er
je ganz zu sich selbst rückkehren würde. End-
lich war er im Stande, die Scene mit seiner
Schwester zu verstehen, die ihm aber wegen
der so langen Zeit mit vielen Zusätzen und
Verstümmlungen beygebracht ward. Mei-
ster und Meisterin hatten keine Schuld an
ihm. Der alte Herr hatte keine Taube sei-
nes Sohns halber versandt und der Meister
war so voller Beobachtung der Regel: was
dich nicht angeht, davon laß deinen Fürwitz,
daß er, um den Dariusschen Ausdruck bey-
zubehalten, seinen Prügel viel zu lieb hatte,
um ihn unter die Hunde zu werfen. Vorerst
war es auf eine Heyrath mit des Meisters
einzigen Tochter Christine angelegt. Es
wird doch, sagte der Meister, keine Mißhey-
rath seyn. Da aber Christinchen sich un-
versehens so sehr verlaufen; wie Darius
sagte, daß kein ehrlicher Mann sie aufzusu-
chen im Stande war; so ließen die betrübten
Eltern Benjamin ziehen in Frieden. Beym
Abschiede, sagte Benjamin, lief es mir eis-
kalt übern Rücken. Es waren sehr gute

Leute.

nem Bette, betruͤbt bis in den Tod. Ben-
jamin erhohlte ſich zwar; indeſſen konnt’ er
in einem halben Jahre zu keiner Faſſung kom-
men. Man gab die Hofnung auf, daß er
je ganz zu ſich ſelbſt ruͤckkehren wuͤrde. End-
lich war er im Stande, die Scene mit ſeiner
Schweſter zu verſtehen, die ihm aber wegen
der ſo langen Zeit mit vielen Zuſaͤtzen und
Verſtuͤmmlungen beygebracht ward. Mei-
ſter und Meiſterin hatten keine Schuld an
ihm. Der alte Herr hatte keine Taube ſei-
nes Sohns halber verſandt und der Meiſter
war ſo voller Beobachtung der Regel: was
dich nicht angeht, davon laß deinen Fuͤrwitz,
daß er, um den Dariusſchen Ausdruck bey-
zubehalten, ſeinen Pruͤgel viel zu lieb hatte,
um ihn unter die Hunde zu werfen. Vorerſt
war es auf eine Heyrath mit des Meiſters
einzigen Tochter Chriſtine angelegt. Es
wird doch, ſagte der Meiſter, keine Mißhey-
rath ſeyn. Da aber Chriſtinchen ſich un-
verſehens ſo ſehr verlaufen; wie Darius
ſagte, daß kein ehrlicher Mann ſie aufzuſu-
chen im Stande war; ſo ließen die betruͤbten
Eltern Benjamin ziehen in Frieden. Beym
Abſchiede, ſagte Benjamin, lief es mir eis-
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[380/0388] nem Bette, betruͤbt bis in den Tod. Ben- jamin erhohlte ſich zwar; indeſſen konnt’ er in einem halben Jahre zu keiner Faſſung kom- men. Man gab die Hofnung auf, daß er je ganz zu ſich ſelbſt ruͤckkehren wuͤrde. End- lich war er im Stande, die Scene mit ſeiner Schweſter zu verſtehen, die ihm aber wegen der ſo langen Zeit mit vielen Zuſaͤtzen und Verſtuͤmmlungen beygebracht ward. Mei- ſter und Meiſterin hatten keine Schuld an ihm. Der alte Herr hatte keine Taube ſei- nes Sohns halber verſandt und der Meiſter war ſo voller Beobachtung der Regel: was dich nicht angeht, davon laß deinen Fuͤrwitz, daß er, um den Dariusſchen Ausdruck bey- zubehalten, ſeinen Pruͤgel viel zu lieb hatte, um ihn unter die Hunde zu werfen. Vorerſt war es auf eine Heyrath mit des Meiſters einzigen Tochter Chriſtine angelegt. Es wird doch, ſagte der Meiſter, keine Mißhey- rath ſeyn. Da aber Chriſtinchen ſich un- verſehens ſo ſehr verlaufen; wie Darius ſagte, daß kein ehrlicher Mann ſie aufzuſu- chen im Stande war; ſo ließen die betruͤbten Eltern Benjamin ziehen in Frieden. Beym Abſchiede, ſagte Benjamin, lief es mir eis- kalt uͤbern Ruͤcken. Es waren ſehr gute Leute.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/388>, abgerufen am 25.07.2024.