Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein weiser Mann ist stark und ein vernünfti-
ger Mann ist mächtig an Kräften; allein man
wolte noch mehr von der Furcht, dem Haupt-
feinde des Soldaten.

Ich hatte geäußert, daß man durchaus
retiriren lernen müßte; bey diesem Einzigen
müßte man im Kriege an strenge Regeln ge-
bunden seyn. Den Feind zu weit verfolgen,
heißt ihn zur Verzweiflung bringen, und denn
kehrt sich auch der feigeste als Held um.
Konnte nicht ein so unbekannter Mensch als
Herostrat den Tempel zu Ephesus anstecken.
Mich ärgert, wenn man seinen Namen aus-
spricht. Das wolt' Er. nur. Ein einziger
Strahl, so macht der Flüchtling halt! ist feuer-
fest -- ist Mauerbrecher! --

Man hat so viel, fieng ich an, von der
Furcht gesagt, daß gewiß der kleinste Theil
richtig seyn kann! Die Deutschen giengen nie
zu Rath, nie zum Fest unbewafnet. Sie
schlugen auf ihre Waffen, das hieß Ja! Die
Waffen waren ihr Sprachrohr. Dies alles
nicht aus Furcht, sondern um mit den Waf-
fen bekannt zu werden. Ordnung treibt so
sehr die Furcht aus, daß ich eben hier den
weisen tiefweisen Grund des Exercirens ent-
deckte, das ohne diese Rücksicht Kinderspiel

wäre!

Ein weiſer Mann iſt ſtark und ein vernuͤnfti-
ger Mann iſt maͤchtig an Kraͤften; allein man
wolte noch mehr von der Furcht, dem Haupt-
feinde des Soldaten.

Ich hatte geaͤußert, daß man durchaus
retiriren lernen muͤßte; bey dieſem Einzigen
muͤßte man im Kriege an ſtrenge Regeln ge-
bunden ſeyn. Den Feind zu weit verfolgen,
heißt ihn zur Verzweiflung bringen, und denn
kehrt ſich auch der feigeſte als Held um.
Konnte nicht ein ſo unbekannter Menſch als
Heroſtrat den Tempel zu Epheſus anſtecken.
Mich aͤrgert, wenn man ſeinen Namen aus-
ſpricht. Das wolt’ Er. nur. Ein einziger
Strahl, ſo macht der Fluͤchtling halt! iſt feuer-
feſt — iſt Mauerbrecher! —

Man hat ſo viel, fieng ich an, von der
Furcht geſagt, daß gewiß der kleinſte Theil
richtig ſeyn kann! Die Deutſchen giengen nie
zu Rath, nie zum Feſt unbewafnet. Sie
ſchlugen auf ihre Waffen, das hieß Ja! Die
Waffen waren ihr Sprachrohr. Dies alles
nicht aus Furcht, ſondern um mit den Waf-
fen bekannt zu werden. Ordnung treibt ſo
ſehr die Furcht aus, daß ich eben hier den
weiſen tiefweiſen Grund des Exercirens ent-
deckte, das ohne dieſe Ruͤckſicht Kinderſpiel

waͤre!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0356" n="350"/>
Ein wei&#x017F;er Mann i&#x017F;t &#x017F;tark und ein vernu&#x0364;nfti-<lb/>
ger Mann i&#x017F;t ma&#x0364;chtig an Kra&#x0364;ften; allein man<lb/>
wolte noch mehr von der Furcht, dem Haupt-<lb/>
feinde des Soldaten.</p><lb/>
        <p>Ich hatte gea&#x0364;ußert, daß man durchaus<lb/>
retiriren lernen mu&#x0364;ßte; bey die&#x017F;em Einzigen<lb/>
mu&#x0364;ßte man im Kriege an &#x017F;trenge Regeln ge-<lb/>
bunden &#x017F;eyn. Den Feind zu weit verfolgen,<lb/>
heißt ihn zur Verzweiflung bringen, und denn<lb/>
kehrt &#x017F;ich auch der feige&#x017F;te als Held um.<lb/>
Konnte nicht ein &#x017F;o unbekannter Men&#x017F;ch als<lb/>
Hero&#x017F;trat den Tempel zu Ephe&#x017F;us an&#x017F;tecken.<lb/>
Mich a&#x0364;rgert, wenn man &#x017F;einen Namen aus-<lb/>
&#x017F;pricht. Das wolt&#x2019; Er. nur. Ein einziger<lb/>
Strahl, &#x017F;o macht der Flu&#x0364;chtling halt! i&#x017F;t feuer-<lb/>
fe&#x017F;t &#x2014; i&#x017F;t Mauerbrecher! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Man hat &#x017F;o viel, fieng ich an, von der<lb/>
Furcht ge&#x017F;agt, daß gewiß der klein&#x017F;te Theil<lb/>
richtig &#x017F;eyn kann! Die Deut&#x017F;chen giengen nie<lb/>
zu Rath, nie zum Fe&#x017F;t unbewafnet. Sie<lb/>
&#x017F;chlugen auf ihre Waffen, das hieß Ja! Die<lb/>
Waffen waren ihr Sprachrohr. Dies alles<lb/>
nicht aus Furcht, &#x017F;ondern um mit den Waf-<lb/>
fen bekannt zu werden. Ordnung treibt &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr die Furcht aus, daß ich eben hier den<lb/>
wei&#x017F;en tiefwei&#x017F;en Grund des Exercirens ent-<lb/>
deckte, das ohne die&#x017F;e Ru&#x0364;ck&#x017F;icht Kinder&#x017F;piel<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wa&#x0364;re!</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0356] Ein weiſer Mann iſt ſtark und ein vernuͤnfti- ger Mann iſt maͤchtig an Kraͤften; allein man wolte noch mehr von der Furcht, dem Haupt- feinde des Soldaten. Ich hatte geaͤußert, daß man durchaus retiriren lernen muͤßte; bey dieſem Einzigen muͤßte man im Kriege an ſtrenge Regeln ge- bunden ſeyn. Den Feind zu weit verfolgen, heißt ihn zur Verzweiflung bringen, und denn kehrt ſich auch der feigeſte als Held um. Konnte nicht ein ſo unbekannter Menſch als Heroſtrat den Tempel zu Epheſus anſtecken. Mich aͤrgert, wenn man ſeinen Namen aus- ſpricht. Das wolt’ Er. nur. Ein einziger Strahl, ſo macht der Fluͤchtling halt! iſt feuer- feſt — iſt Mauerbrecher! — Man hat ſo viel, fieng ich an, von der Furcht geſagt, daß gewiß der kleinſte Theil richtig ſeyn kann! Die Deutſchen giengen nie zu Rath, nie zum Feſt unbewafnet. Sie ſchlugen auf ihre Waffen, das hieß Ja! Die Waffen waren ihr Sprachrohr. Dies alles nicht aus Furcht, ſondern um mit den Waf- fen bekannt zu werden. Ordnung treibt ſo ſehr die Furcht aus, daß ich eben hier den weiſen tiefweiſen Grund des Exercirens ent- deckte, das ohne dieſe Ruͤckſicht Kinderſpiel waͤre!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/356
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/356>, abgerufen am 25.11.2024.