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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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gern eine praßlen hören. Muß doch einen
besondern Knall geben! Der Himmel weiß,
wie es kommt, so heßlich sind die alten Wei-
ber in Curland nicht, wie hier. Mag wohl
kommen, weil sie hier nicht alt seyn wollen.
Die Mädchen so frech, daß nur noch jüngst
eine Ehefrau (ich stand hinter ihrem Stuhl
so behext, wie in der catholischen Kirche) die
Frage aufbrachte, warum wir nicht alle nackt
giengen, wie im Paradiese? Da bin ich gut da-
für, daß Ew. WohlEhrwürden das Wort nackt
noch bis diesen Augenblick nicht ohne Röthe
werden aussprechen können, und diese -- war
nicht einmal roth. Sie forderte ein Glas kalt
Waßer, daß dein Feur gelöscht werde, dacht
ich, allein es scheint, sie bedürfe des Löschens
nicht. Ländlich, sittlich! Könnte man wohl sa-
gen, wenn bey dieser Sach' auch nur das min-
deste Sittliche wäre. Man hat mich versichert,
daß dergleichen Mädchen mit bloßen Busen,
hinter deren Stuhl man behext wie in der catho-
lischen Kirche ist, die Tugendhaftesten wären.
Erbsünde hat jedes, Ew. WohlEhrwürden
selbst nicht ausgeschlossen. Das grüne Holz,
die Frommen, die Stillen, sollen hier zu Lande
das dürre seyn, und davon kann Ew. Wohl-
Ehrwürden ein Pröbchen geben. Gerad über,

wo

gern eine praßlen hoͤren. Muß doch einen
beſondern Knall geben! Der Himmel weiß,
wie es kommt, ſo heßlich ſind die alten Wei-
ber in Curland nicht, wie hier. Mag wohl
kommen, weil ſie hier nicht alt ſeyn wollen.
Die Maͤdchen ſo frech, daß nur noch juͤngſt
eine Ehefrau (ich ſtand hinter ihrem Stuhl
ſo behext, wie in der catholiſchen Kirche) die
Frage aufbrachte, warum wir nicht alle nackt
giengen, wie im Paradieſe? Da bin ich gut da-
fuͤr, daß Ew. WohlEhrwuͤrden das Wort nackt
noch bis dieſen Augenblick nicht ohne Roͤthe
werden ausſprechen koͤnnen, und dieſe — war
nicht einmal roth. Sie forderte ein Glas kalt
Waßer, daß dein Feur geloͤſcht werde, dacht
ich, allein es ſcheint, ſie beduͤrfe des Loͤſchens
nicht. Laͤndlich, ſittlich! Koͤnnte man wohl ſa-
gen, wenn bey dieſer Sach’ auch nur das min-
deſte Sittliche waͤre. Man hat mich verſichert,
daß dergleichen Maͤdchen mit bloßen Buſen,
hinter deren Stuhl man behext wie in der catho-
liſchen Kirche iſt, die Tugendhafteſten waͤren.
Erbſuͤnde hat jedes, Ew. WohlEhrwuͤrden
ſelbſt nicht ausgeſchloſſen. Das gruͤne Holz,
die Frommen, die Stillen, ſollen hier zu Lande
das duͤrre ſeyn, und davon kann Ew. Wohl-
Ehrwuͤrden ein Proͤbchen geben. Gerad uͤber,

wo
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[287/0293] gern eine praßlen hoͤren. Muß doch einen beſondern Knall geben! Der Himmel weiß, wie es kommt, ſo heßlich ſind die alten Wei- ber in Curland nicht, wie hier. Mag wohl kommen, weil ſie hier nicht alt ſeyn wollen. Die Maͤdchen ſo frech, daß nur noch juͤngſt eine Ehefrau (ich ſtand hinter ihrem Stuhl ſo behext, wie in der catholiſchen Kirche) die Frage aufbrachte, warum wir nicht alle nackt giengen, wie im Paradieſe? Da bin ich gut da- fuͤr, daß Ew. WohlEhrwuͤrden das Wort nackt noch bis dieſen Augenblick nicht ohne Roͤthe werden ausſprechen koͤnnen, und dieſe — war nicht einmal roth. Sie forderte ein Glas kalt Waßer, daß dein Feur geloͤſcht werde, dacht ich, allein es ſcheint, ſie beduͤrfe des Loͤſchens nicht. Laͤndlich, ſittlich! Koͤnnte man wohl ſa- gen, wenn bey dieſer Sach’ auch nur das min- deſte Sittliche waͤre. Man hat mich verſichert, daß dergleichen Maͤdchen mit bloßen Buſen, hinter deren Stuhl man behext wie in der catho- liſchen Kirche iſt, die Tugendhafteſten waͤren. Erbſuͤnde hat jedes, Ew. WohlEhrwuͤrden ſelbſt nicht ausgeſchloſſen. Das gruͤne Holz, die Frommen, die Stillen, ſollen hier zu Lande das duͤrre ſeyn, und davon kann Ew. Wohl- Ehrwuͤrden ein Proͤbchen geben. Gerad uͤber, wo

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/293>, abgerufen am 25.11.2024.