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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Spinngewebe von Feinheit. Aus Haus-
mannskost bestand seine Mahlzeit. Was
nützen denn Definitionen, wenn man das
Wort versteht, und was hat man denn,
wenn man ein ganzes Geschlechtregister eines
Worts gelernet hat? Thun die Philosophen
vielmehr, als jener Landgeistliche, der seinen
Bauern, bey Gelegenheit des Evangelii vom
reichen Fischzuge, erklärte, was ein Netz
sey. Das Dorf hatte große Fischerey --

Die Standrede, die Diogenes auf den
Sokrates hielt, verhält sich freylich zu der
des Hauptmanns unterm Kreuze wie beyde
Erblaßte gegen einander. Er ist ein from-
mer Mensch und Gottes Sohn gewesen! --
Meine Frau sagt: da zog die Erde den Tre-
mulanten, Sie bebte! -- Da wurde das
Haus des Entschlafenen, der Himmel, mit
Trauertuch ausgeschlagen. Es ward eine
Sonnenfinsternis! und hat meine Maria
nicht recht?

Diogenus sagt:

Protos meta tou mathetou Askhinou Retoreuein
edidaxe, kai protos peri biou dielekhthe, kai
protos philosophon katadikastheis eteleuta.

(Diogen. Laert. i. 2. sect. 20.)
Herr

Spinngewebe von Feinheit. Aus Haus-
mannskoſt beſtand ſeine Mahlzeit. Was
nuͤtzen denn Definitionen, wenn man das
Wort verſteht, und was hat man denn,
wenn man ein ganzes Geſchlechtregiſter eines
Worts gelernet hat? Thun die Philoſophen
vielmehr, als jener Landgeiſtliche, der ſeinen
Bauern, bey Gelegenheit des Evangelii vom
reichen Fiſchzuge, erklaͤrte, was ein Netz
ſey. Das Dorf hatte große Fiſcherey —

Die Standrede, die Diogenes auf den
Sokrates hielt, verhaͤlt ſich freylich zu der
des Hauptmanns unterm Kreuze wie beyde
Erblaßte gegen einander. Er iſt ein from-
mer Menſch und Gottes Sohn geweſen! —
Meine Frau ſagt: da zog die Erde den Tre-
mulanten, Sie bebte! — Da wurde das
Haus des Entſchlafenen, der Himmel, mit
Trauertuch ausgeſchlagen. Es ward eine
Sonnenfinſternis! und hat meine Maria
nicht recht?

Diogenus ſagt:

Πρῶτος μετὰ τȣ̑ μαϑητȣ̑ Ἀσχίνȣ ῥητορεύειν
ἐδίδαξε, καὶ πρῶτος περὶ βίȣ διελέχϑη, και
πρῶτος φιλοσόφων καταδικασϑεὶς ἐτελεύτα.

(Diogen. Laert. i. 2. ſect. 20.)
Herr
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[260/0266] Spinngewebe von Feinheit. Aus Haus- mannskoſt beſtand ſeine Mahlzeit. Was nuͤtzen denn Definitionen, wenn man das Wort verſteht, und was hat man denn, wenn man ein ganzes Geſchlechtregiſter eines Worts gelernet hat? Thun die Philoſophen vielmehr, als jener Landgeiſtliche, der ſeinen Bauern, bey Gelegenheit des Evangelii vom reichen Fiſchzuge, erklaͤrte, was ein Netz ſey. Das Dorf hatte große Fiſcherey — Die Standrede, die Diogenes auf den Sokrates hielt, verhaͤlt ſich freylich zu der des Hauptmanns unterm Kreuze wie beyde Erblaßte gegen einander. Er iſt ein from- mer Menſch und Gottes Sohn geweſen! — Meine Frau ſagt: da zog die Erde den Tre- mulanten, Sie bebte! — Da wurde das Haus des Entſchlafenen, der Himmel, mit Trauertuch ausgeſchlagen. Es ward eine Sonnenfinſternis! und hat meine Maria nicht recht? Diogenus ſagt: Πρῶτος μετὰ τȣ̑ μαϑητȣ̑ Ἀσχίνȣ ῥητορεύειν ἐδίδαξε, καὶ πρῶτος περὶ βίȣ διελέχϑη, και πρῶτος φιλοσόφων καταδικασϑεὶς ἐτελεύτα. (Diogen. Laert. i. 2. ſect. 20.) Herr

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/266>, abgerufen am 28.11.2024.