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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Ist das verständlich?

Ich verstehe kein griechisch.

Und ich dies Orakel nicht. Zwar weiß
ich den Unterscheid zwischen Weisheit und
Wissenheit -- --

Wer aus diesem Zeugnis folgert, ergo
ist der, der allerdummste, welcher viel oder
alles weiß, Pastor! der verdient zur Strafe
ewig mit einem umgewandten Kleide zugehen.

Ich laße kein Kleid kehren.

ich auch nicht.

Sokrates --

Was sagte der Physiognomist von ihm?

Was Sokrates selbst sagte. Hüte dich
für den, den Gott gezeichnet hat, ist eine
apocryphische Regel. Ist denn Pastor! ein
Sünder, der Buße thut, ist er nicht besser,
als neun und neunzig Gerechte die der Buße
nicht bedürfen? --

Wahr! ein Prophet aber muß nicht heß-
lich, nicht schön seyn; so wie Wasser und
Brod muß er in seinem Aeussern nach nichts
schmecken -- O toinun toiou'to sunon somati,
tina, egou'metha, '~eikhe psukhen. Hüte dich für den,
den Gott gezeichnet hat, ist freylich eine apo-
cryphische Regel; aber können wir denn
die Sinnlichkeit ablegen, und trauen wir

wohl

Iſt das verſtaͤndlich?

Ich verſtehe kein griechiſch.

Und ich dies Orakel nicht. Zwar weiß
ich den Unterſcheid zwiſchen Weisheit und
Wiſſenheit — —

Wer aus dieſem Zeugnis folgert, ergo
iſt der, der allerdummſte, welcher viel oder
alles weiß, Paſtor! der verdient zur Strafe
ewig mit einem umgewandten Kleide zugehen.

Ich laße kein Kleid kehren.

ich auch nicht.

Sokrates —

Was ſagte der Phyſiognomiſt von ihm?

Was Sokrates ſelbſt ſagte. Huͤte dich
fuͤr den, den Gott gezeichnet hat, iſt eine
apocryphiſche Regel. Iſt denn Paſtor! ein
Suͤnder, der Buße thut, iſt er nicht beſſer,
als neun und neunzig Gerechte die der Buße
nicht beduͤrfen? —

Wahr! ein Prophet aber muß nicht heß-
lich, nicht ſchoͤn ſeyn; ſo wie Waſſer und
Brod muß er in ſeinem Aeuſſern nach nichts
ſchmecken — Ὁ τόινυν τοιȣ´τω συνὼν σώματι,
τίνα, ἡγȣ´μεϑα, ῏ειχε ψυχήν. Huͤte dich fuͤr den,
den Gott gezeichnet hat, iſt freylich eine apo-
cryphiſche Regel; aber koͤnnen wir denn
die Sinnlichkeit ablegen, und trauen wir

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[256/0262] Iſt das verſtaͤndlich? Ich verſtehe kein griechiſch. Und ich dies Orakel nicht. Zwar weiß ich den Unterſcheid zwiſchen Weisheit und Wiſſenheit — — Wer aus dieſem Zeugnis folgert, ergo iſt der, der allerdummſte, welcher viel oder alles weiß, Paſtor! der verdient zur Strafe ewig mit einem umgewandten Kleide zugehen. Ich laße kein Kleid kehren. ich auch nicht. Sokrates — Was ſagte der Phyſiognomiſt von ihm? Was Sokrates ſelbſt ſagte. Huͤte dich fuͤr den, den Gott gezeichnet hat, iſt eine apocryphiſche Regel. Iſt denn Paſtor! ein Suͤnder, der Buße thut, iſt er nicht beſſer, als neun und neunzig Gerechte die der Buße nicht beduͤrfen? — Wahr! ein Prophet aber muß nicht heß- lich, nicht ſchoͤn ſeyn; ſo wie Waſſer und Brod muß er in ſeinem Aeuſſern nach nichts ſchmecken — Ὁ τόινυν τοιȣ´τω συνὼν σώματι, τίνα, ἡγȣ´μεϑα, ῏ειχε ψυχήν. Huͤte dich fuͤr den, den Gott gezeichnet hat, iſt freylich eine apo- cryphiſche Regel; aber koͤnnen wir denn die Sinnlichkeit ablegen, und trauen wir wohl

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/262>, abgerufen am 28.11.2024.