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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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ders, als der Pastor; obgleich ich das meiste
von seiner Meynung auf und angenommen,
und wol eins mit bete, wenns so die Gelegen-
heit giebt. Thor! was kann denn dem gött-
lichen Wesen damit gedient seyn, daß du sei-
nethalben die Augen verkehrst, dich krampfar-
tig stellest, die Hände ins Kreuz hältst -- des
Sonntags so thust, als hättest du die Wache
vor seinem Pallast --

Mit diesen meinen Gesinnungen stimmt
meine Hymne, die ich Gott dem Herrn beym
Eingange dieses Aufsatzes angestimmt, und
die mich zuweilen so anwandelt, daß ich mich
kaum auf den Füßen halten kann. Ich
spring, als wolt' ich gen Himmel springen, so
ein alter steifer Kerl ich bin. Eine Ader hab
ich mir dabey nicht verrenket. Da hab ich
zuweilen eine Hymnestunde, wo mir das Herz
die Brust durchstoßen will. Hinauf will es,
und alles um mich her hat dann eine allerlieb-
ste Stimme: alles singt melodisch, Gott al-
lein die Ehre
! Lachen ist ein Kranz, der ge-
meinhin sauren Wein anpreiset: Meine Freu-
de braucht keinen Kranz -- die Natur hat
eine Wonnecirculation, die mich zu dieser
Freude auffordert.

Was
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ders, als der Paſtor; obgleich ich das meiſte
von ſeiner Meynung auf und angenommen,
und wol eins mit bete, wenns ſo die Gelegen-
heit giebt. Thor! was kann denn dem goͤtt-
lichen Weſen damit gedient ſeyn, daß du ſei-
nethalben die Augen verkehrſt, dich krampfar-
tig ſtelleſt, die Haͤnde ins Kreuz haͤltſt — des
Sonntags ſo thuſt, als haͤtteſt du die Wache
vor ſeinem Pallaſt —

Mit dieſen meinen Geſinnungen ſtimmt
meine Hymne, die ich Gott dem Herrn beym
Eingange dieſes Aufſatzes angeſtimmt, und
die mich zuweilen ſo anwandelt, daß ich mich
kaum auf den Fuͤßen halten kann. Ich
ſpring, als wolt’ ich gen Himmel ſpringen, ſo
ein alter ſteifer Kerl ich bin. Eine Ader hab
ich mir dabey nicht verrenket. Da hab ich
zuweilen eine Hymneſtunde, wo mir das Herz
die Bruſt durchſtoßen will. Hinauf will es,
und alles um mich her hat dann eine allerlieb-
ſte Stimme: alles ſingt melodiſch, Gott al-
lein die Ehre
! Lachen iſt ein Kranz, der ge-
meinhin ſauren Wein anpreiſet: Meine Freu-
de braucht keinen Kranz — die Natur hat
eine Wonnecirculation, die mich zu dieſer
Freude auffordert.

Was
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[233/0239] ders, als der Paſtor; obgleich ich das meiſte von ſeiner Meynung auf und angenommen, und wol eins mit bete, wenns ſo die Gelegen- heit giebt. Thor! was kann denn dem goͤtt- lichen Weſen damit gedient ſeyn, daß du ſei- nethalben die Augen verkehrſt, dich krampfar- tig ſtelleſt, die Haͤnde ins Kreuz haͤltſt — des Sonntags ſo thuſt, als haͤtteſt du die Wache vor ſeinem Pallaſt — Mit dieſen meinen Geſinnungen ſtimmt meine Hymne, die ich Gott dem Herrn beym Eingange dieſes Aufſatzes angeſtimmt, und die mich zuweilen ſo anwandelt, daß ich mich kaum auf den Fuͤßen halten kann. Ich ſpring, als wolt’ ich gen Himmel ſpringen, ſo ein alter ſteifer Kerl ich bin. Eine Ader hab ich mir dabey nicht verrenket. Da hab ich zuweilen eine Hymneſtunde, wo mir das Herz die Bruſt durchſtoßen will. Hinauf will es, und alles um mich her hat dann eine allerlieb- ſte Stimme: alles ſingt melodiſch, Gott al- lein die Ehre! Lachen iſt ein Kranz, der ge- meinhin ſauren Wein anpreiſet: Meine Freu- de braucht keinen Kranz — die Natur hat eine Wonnecirculation, die mich zu dieſer Freude auffordert. Was P 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/239>, abgerufen am 23.11.2024.