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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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vorbereitet worden, sagen die Herren Theolo-
gen. Mag seyn, auch nicht! Was geht
mich das Warum an?

Wer kann einen Geist mahlen? und wenn
er nicht gemahlt wird, wie es ein jüdisches
Kirchengesetz war, wie schwer ist er von Men-
schen zu glauben, die nur auf das Augsicht-
bare zu sehen gewohnt sind? Man kann es
sich kaum vorstellen, wie sehr das Menschen-
geschlecht von je her zur Abgötterey geneigt
ist! Christus nannte Gott den Herrn, Va-
ter, und wenn unsere Mahler ihn als einen
alten Mann bilden, kann es bleiben? Ists
verwerflich?

Wie eifrig Christus bemüht gewesen, die
reine Erkenntnis Gottes zu lehren, beweisen
die Evangelisten, die, unter uns gesagt, auch
mehr hätten von Christo aufschreiben können.
Es sind auch viel andere Dinge, die Je-
sus gethan hat
, sagt Johannes, welche,
so sie solten eins nach dem andern geschrieben
werden, achte ich, die Welt würde die Bücher
nicht begreifen, die zu beschreiben wären.
Lieber Johannes! Der Pastor und ich hätten
sie begriffen; denn wir sind nicht von der Welt.

Moses kleidete die abstrakten Wahrheiten
in Allegorien ein! So die Schöpfung in ein

Früh-
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vorbereitet worden, ſagen die Herren Theolo-
gen. Mag ſeyn, auch nicht! Was geht
mich das Warum an?

Wer kann einen Geiſt mahlen? und wenn
er nicht gemahlt wird, wie es ein juͤdiſches
Kirchengeſetz war, wie ſchwer iſt er von Men-
ſchen zu glauben, die nur auf das Augſicht-
bare zu ſehen gewohnt ſind? Man kann es
ſich kaum vorſtellen, wie ſehr das Menſchen-
geſchlecht von je her zur Abgoͤtterey geneigt
iſt! Chriſtus nannte Gott den Herrn, Va-
ter, und wenn unſere Mahler ihn als einen
alten Mann bilden, kann es bleiben? Iſts
verwerflich?

Wie eifrig Chriſtus bemuͤht geweſen, die
reine Erkenntnis Gottes zu lehren, beweiſen
die Evangeliſten, die, unter uns geſagt, auch
mehr haͤtten von Chriſto aufſchreiben koͤnnen.
Es ſind auch viel andere Dinge, die Je-
ſus gethan hat
, ſagt Johannes, welche,
ſo ſie ſolten eins nach dem andern geſchrieben
werden, achte ich, die Welt wuͤrde die Buͤcher
nicht begreifen, die zu beſchreiben waͤren.
Lieber Johannes! Der Paſtor und ich haͤtten
ſie begriffen; denn wir ſind nicht von der Welt.

Moſes kleidete die abſtrakten Wahrheiten
in Allegorien ein! So die Schoͤpfung in ein

Fruͤh-
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[227/0233] vorbereitet worden, ſagen die Herren Theolo- gen. Mag ſeyn, auch nicht! Was geht mich das Warum an? Wer kann einen Geiſt mahlen? und wenn er nicht gemahlt wird, wie es ein juͤdiſches Kirchengeſetz war, wie ſchwer iſt er von Men- ſchen zu glauben, die nur auf das Augſicht- bare zu ſehen gewohnt ſind? Man kann es ſich kaum vorſtellen, wie ſehr das Menſchen- geſchlecht von je her zur Abgoͤtterey geneigt iſt! Chriſtus nannte Gott den Herrn, Va- ter, und wenn unſere Mahler ihn als einen alten Mann bilden, kann es bleiben? Iſts verwerflich? Wie eifrig Chriſtus bemuͤht geweſen, die reine Erkenntnis Gottes zu lehren, beweiſen die Evangeliſten, die, unter uns geſagt, auch mehr haͤtten von Chriſto aufſchreiben koͤnnen. Es ſind auch viel andere Dinge, die Je- ſus gethan hat, ſagt Johannes, welche, ſo ſie ſolten eins nach dem andern geſchrieben werden, achte ich, die Welt wuͤrde die Buͤcher nicht begreifen, die zu beſchreiben waͤren. Lieber Johannes! Der Paſtor und ich haͤtten ſie begriffen; denn wir ſind nicht von der Welt. Moſes kleidete die abſtrakten Wahrheiten in Allegorien ein! So die Schoͤpfung in ein Fruͤh- P 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/233>, abgerufen am 23.11.2024.