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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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theologische Distinktion vom Reich der All-
macht, Reich der Gnaden, und Reich der ewi-
gen Herrlichkeit zum Grunde legen, thue ich
ein Gleiches mit dem Stande der Unschuld,
Stande der Sünden, Stande der Gnaden,
und Stande der ewigen Herrlichkeit. Die
Sache genau genommen, hebt sich der Bruch
und eins geht mit dem andern auf. Ich bin
für Stände, Sie für Reiche. Ich wünsche
den Stand der Gnaden, Sie das Reich der
Gnaden. Sie sind ein Königscher, ich ein
Curländer! -- Den Stand der Gnaden würd'
ich fast so bestimmen, daß es in der ganzen
Welt wie in Curland stünde -- Außer die-
sen Banden,
sagt der Apostel Paulus, und
freylich muß Curland noch von vielen Ungna-
den geläutert werden, eh' es ein wahrer
Stand der Gnaden ist. Auf dem Wege dazu
ist es. Wie sind wir denn unterschieden, Pa-
stor? Sie wissen mehr, als ich, und glau-
ben mehr, als ich. Ich weiß wenig, und
glaube wenig. Sie haben ein Perspektiv, ich
mein leibliches Auge. Sie Schule, ich ge-
meines Leben! -- Man ist nur so gros, als
man gewachsen ist! -- Sie denken verfänglich
von Cnrland und Semgallen, und ich von der
Schöpfung. Alles hebt sich. Wir sind beyd'

im

theologiſche Diſtinktion vom Reich der All-
macht, Reich der Gnaden, und Reich der ewi-
gen Herrlichkeit zum Grunde legen, thue ich
ein Gleiches mit dem Stande der Unſchuld,
Stande der Suͤnden, Stande der Gnaden,
und Stande der ewigen Herrlichkeit. Die
Sache genau genommen, hebt ſich der Bruch
und eins geht mit dem andern auf. Ich bin
fuͤr Staͤnde, Sie fuͤr Reiche. Ich wuͤnſche
den Stand der Gnaden, Sie das Reich der
Gnaden. Sie ſind ein Koͤnigſcher, ich ein
Curlaͤnder! — Den Stand der Gnaden wuͤrd’
ich faſt ſo beſtimmen, daß es in der ganzen
Welt wie in Curland ſtuͤnde — Außer die-
ſen Banden,
ſagt der Apoſtel Paulus, und
freylich muß Curland noch von vielen Ungna-
den gelaͤutert werden, eh’ es ein wahrer
Stand der Gnaden iſt. Auf dem Wege dazu
iſt es. Wie ſind wir denn unterſchieden, Pa-
ſtor? Sie wiſſen mehr, als ich, und glau-
ben mehr, als ich. Ich weiß wenig, und
glaube wenig. Sie haben ein Perſpektiv, ich
mein leibliches Auge. Sie Schule, ich ge-
meines Leben! — Man iſt nur ſo gros, als
man gewachſen iſt! — Sie denken verfaͤnglich
von Cnrland und Semgallen, und ich von der
Schoͤpfung. Alles hebt ſich. Wir ſind beyd’

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[218/0224] theologiſche Diſtinktion vom Reich der All- macht, Reich der Gnaden, und Reich der ewi- gen Herrlichkeit zum Grunde legen, thue ich ein Gleiches mit dem Stande der Unſchuld, Stande der Suͤnden, Stande der Gnaden, und Stande der ewigen Herrlichkeit. Die Sache genau genommen, hebt ſich der Bruch und eins geht mit dem andern auf. Ich bin fuͤr Staͤnde, Sie fuͤr Reiche. Ich wuͤnſche den Stand der Gnaden, Sie das Reich der Gnaden. Sie ſind ein Koͤnigſcher, ich ein Curlaͤnder! — Den Stand der Gnaden wuͤrd’ ich faſt ſo beſtimmen, daß es in der ganzen Welt wie in Curland ſtuͤnde — Außer die- ſen Banden, ſagt der Apoſtel Paulus, und freylich muß Curland noch von vielen Ungna- den gelaͤutert werden, eh’ es ein wahrer Stand der Gnaden iſt. Auf dem Wege dazu iſt es. Wie ſind wir denn unterſchieden, Pa- ſtor? Sie wiſſen mehr, als ich, und glau- ben mehr, als ich. Ich weiß wenig, und glaube wenig. Sie haben ein Perſpektiv, ich mein leibliches Auge. Sie Schule, ich ge- meines Leben! — Man iſt nur ſo gros, als man gewachſen iſt! — Sie denken verfaͤnglich von Cnrland und Semgallen, und ich von der Schoͤpfung. Alles hebt ſich. Wir ſind beyd’ im

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/224>, abgerufen am 23.11.2024.